Polizeigesetz-Entwurf: Grüne sehen noch Gesprächsbedarf
Der Senator für Inneres hat heute einen Referentenentwurf zur Reform des Bremischen Polizeigesetzes vorgestellt. Die Grünen-Fraktion wird in den kommenden Wochen den Entwurf intensiv prüfen und mit dem Koalitionspartner darüber verhandeln, welche der Vorschläge übernommen werden können. Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Björn Fecker, erklärt dazu: „Alle Menschen sollen sich im öffentlichen Raum frei und sicher bewegen können. Unsere offene Gesellschaft in Deutschland und Europa ist durch Terrorismus verwundbar, das haben die Anschläge von Berlin, Istanbul, Nizza, Brüssel, Paris und anderswo schmerzlich gezeigt. Wir müssen unsere Sicherheitsorgane in die Lage versetzen, unsere Sicherheit und Freiheit zu schützen, ohne dabei wichtige Freiheits- und Bürgerrechte aufzugeben. Uns geht es um verantwortliche und umsichtige Lösungen für konkrete Probleme und nicht um Symboldebatten.“
Die Polizeigesetze in Bund und Ländern stehen derzeit auf dem Prüfstand, ob sie den aktuellen Herausforderungen der inneren Sicherheit gerecht werden. Die veränderte Sicherheitslage und die technischen Entwicklungen im Bereich der Telekommunikation haben dazu geführt, dass auch das Bremische Polizeigesetz modernisiert werden muss. Die Grünen-Fraktion bewertet es als richtigen Schritt, dass der Referentenentwurf nicht alles übernimmt, was in anderen Bundesländern beschlossen wurde oder diskutiert wird. Anders als in Bayern oder Niedersachsen wird es in Bremen weder eine Komplett-Ausforschung von privaten Computern und Smartphones mit Hilfe von Staatstrojanern (Online-Durchsuchung) noch eine Präventivhaft für sog. Gefährder geben. Björn Fecker: „Im Vergleich zu Bayern und Niedersachsen handelt es sich um einen Entwurf mit Augenmaß. Trotzdem gehen uns einige Regelungen noch zu weit. Sicherheitslücken bei PC und Handy werden auch von Kriminellen missbraucht und können zu Schäden in Milliardenhöhe führen. Die Polizei muss daher gegenüber den PC- und Handyherstellern Sicherheitslücken aufzeigen, wenn diese zur Überwachung genutzt werden. Bei der elektronischen Fußfessel und den damit zusammenhängenden Aufenthalts- und Kontaktverboten ist zweifelhaft, ob sie wirklich ein Mehr an Sicherheit bringen können. Wir lehnen es ab, diese Instrumente mittels Ingewahrsamnahmen durchzusetzen. Wenn wir neuen Befugnissen für die Sicherheitsbehörden zustimmen, dann wollen wir sie befristen und ihre Wirksamkeit evaluieren lassen. Eine dauerhafte Einführung wollen wir erst, wenn sich die Befugnisse tatsächlich bewährt haben.“
Kritisch bewertet die Grünen-Fraktion nicht zuletzt, dass die Kommunikation von JournalistInnen nur einen eingeschränkten Schutz genießen soll. Die Pressefreiheit ist für das Gemeinwesen so überragend wichtig, dass das Vertrauensverhältnis zwischen JournalistInnen und ihren InformantInnen auf höchstem Niveau zu schützen ist. Mangelndes Vertrauen in den Informantenschutz kann dazu führen, dass Whistleblower ihre Informationen anonym an Plattformen wie Wikileaks steuern, statt sie an verantwortungsbewusste JournalistInnen zu geben. Dies läge auch nicht im Interesse der öffentlichen Sicherheit.
Bei der Videoüberwachung stimmt die Grünen-Fraktion der Ausweitung auf bedeutende Amtsgebäude und wichtige Versorgungsanlagen zu, soweit Anhaltspunkte für die Möglichkeit von Terroranschlägen vorliegen. Gesprächsbedarf sieht Björn Fecker aber noch bei Orten, an denen sich viele Menschen gleichzeitig aufhalten: „Jeder Standort muss vernünftig begründet und im Einzelfall entschieden werden. Eine flächendeckende Überwachung der Menschen im öffentlichen Raum kommt für uns nicht in Frage. Wir wollen eine anlassbezogene oder temporäre Videoaufklärung ermöglichen.“
Diese und weitere Gesichtspunkte wird die Grünen-Fraktion in der Beratung des Referentenentwurfs in der Innendeputation thematisieren. Bei aller Kritik mahnt Björn Fecker aber auch zur Sachlichkeit: „Der vorgelegte Entwurf ist weit davon entfernt, den Weg zu einem allumfassenden Überwachungsstaat zu ebnen.“ Abgesehen von der Terrorabwehr soll sich die Telekommunikationsüberwachung laut dem Entwurf auf seltene Fälle beschränken, in denen dies zur Abwehr einer Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist, die in allernächster Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorsteht. Der innenpolitische Sprecher der Grünen weist darauf hin, dass dies in den allermeisten anderen Bundesländern längst so geregelt ist, aber selbst in Flächenländern solche Fälle teilweise jahrelang nicht vorkommen. Darüber hinaus soll eine Rechtsgrundlage für die Polizei geschaffen werden, den Aufenthaltsort von suizidgefährdeten, vermissten oder hilflosen Personen über den Telekommunikationsanbieter oder mittels eines IMSI-Catchers zu ermitteln. „Diese Regelung ist sinnvoll und notwendig, damit die Polizei ihre Schutzpflicht für das Leben und die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger in Bremen und Bremerhaven wahrnehmen kann“, so Björn Fecker.