Unterrichtsausfall - So bleibt Bremen PISA-Schlusslicht
Unterrichtsausfall - So bleibt Bremen PISA-Schlusslicht
"Die offizielle Statistik über den Unterrichtsausfall verharmlost ein von vielen Eltern kritisiertes Dauerproblem. Laut Bildungsbehörde fallen 2,3 Prozent der Stunden aus – eine geschönte Zahl. Nicht erfasst werden alle Fälle, in denen LehrerInnen für zwei Klassen gleichzeitig zuständig sind oder die Vertretung von ungeschultem Personal übernommen wird. "Heraus kommen dabei häufig Daddelstunden Marke Mandalas malen statt Mathe. Die Kinder werden betreut – mehr nicht. "Unterricht" findet in diesen Schulstunden nicht statt. Deshalb beträgt der Unterrichtausfall im letzten Jahr weit mehr als die von Bildungssenator Willi Lemke angegebenen/zugegebenen 94.000 Stunden", erklärt die grüne Bürgerschaftsabgeordnete Anja Stahmann. Sie bezieht sich auf die Antwort des Senats auf die Große Anfrage der Grünen zum Unterrichtsausfall (vgl. Anhang 1). Die bildungspolitische Sprecherin der grünen Fraktion betont: "Die Berichte von besorgten Eltern sind ein Alarmzeichen. Wenn es nicht gelingt, die vorgesehenen Stunden auch qualifiziert zu unterrichten, bleibt Bremen PISA-Schlusslicht."
"Ohne Reserven geht es nicht," weiß Anja Stahmann. "Angesichts des Schulalltags war es eine Schnapsidee, die ohnehin knappe Krankenreserve nach den Sommerferien zu kürzen." Das von Willi Lemke angepriesene Programm ´Geld statt Stellen` funktioniert nur begrenzt. SchulleiterInnen berichten, dass auf die Schnelle häufig keine qualifizierte Aushilfe zu bekommen ist. In einigen Fächern (zum Beispiel Physik, Spanisch oder Musik) ist es praktisch unmöglich. "Häufig fällt auch der Förderunterricht aus, um wenigstens den Standardunterricht erteilen zu können. So werden durch den Unterrichtausfall Erfolg versprechende Reformen konterkariert. Löcher werden gestopft und an anderer Stelle neue gerissen. So kann es nicht weitergehen. Wir brauchen einen Puffer an den Schulen, um Krankheitsengpässe überbrücken zu können."
Bremen liegt bei der Schüler/Lehrer-Relation bundesweit auf Platz 8. Im Stadtstaatenvergleich liegt Bremen hinter Berlin und Hamburg. "Das ist inakzeptabel," kritisiert die grüne Bildungspolitikerin. "Wir brauchen zusätzlich 30 LehrerInnenstellen, um die so genannte Feuerwehr aufzustocken. Das ist kein Luxus. Bremen muss gegenüber allen Bundesländern aufholen und darf sich nicht von Bildungsstandards in den anderen Bundesländern abkoppeln. Eine im Bundesvergleich bestenfalls durchschnittliche Unterrichtsversorgung wird den schwierigen Rahmenbedingungen in Bremen (Stichwort 40 Prozent MigrantInnen unter den SchülerInnen) nicht gerecht. Wenn eine Schülerin oder ein Schüler 13 Jahre zur Schule geht und im Schnitt jährlich sechs bis sieben Prozent Unterricht ausfallen, fehlt am Ende ein ganzes Schuljahr. Der schönste Stundenplan hilft nichts, wenn der Unterricht praktisch nicht stattfindet."
Die Grünen fordern außerdem, so genannte Musterstunden für die verschiedenen Fächer auszuarbeiten. "Fällt plötzlich eine Stunde aus, muss die Vertretung auf einen ausgearbeiteten Vorschlag zurückgreifen können, der beispielsweise sinnvolle Wiederholungsübungen beinhaltet."
Schluss mit dem Selbstbetrug
Vergleicht man die Statistiken zum Unterrichtsausfall in Bremen und Bremerhaven, schneidet die Seestadt auf den ersten Blick viel schlechter ab. "Dabei sind die Bremerhavener nur ehrlicher, wenn sie von 4,9 Prozent Unterrichtsausfall sprechen," kommentiert Anja Stahmann die Zahlen (vgl. Anhang 2, Magistratsbericht zum Unterrichtsausfall vom 31.7.06).
Neben den komplett ausgefallenen Stunden werden auch Vertretungsstunden erfasst. "Der Senat muss aufhören, den Eltern Sand in die Augen zu streuen. Die Grünen unterstützen die alte Forderung der Bremer Grundschulleiter, auch die Vertretungsstunden zu veröffentlichen. Und zwar unterteilt in Unterricht durch fachlich qualifiziertes Personal und Betreuungsstunden. Nur so kann die Qualität kontrolliert werden."
Die grünen Forderungen auf einen Blick
- Lehrerfeuerwehr um 30 Stellen aufstocken
- Musterstunden für Vertretungen ausarbeiten
- Korrekte Statistik erstellen und veröffentlichen
Noch immer verlassen in Bremen jedes Jahr rund 500 junge Menschen die Schule ohne einen Abschluss. Die daran anschließenden Nachqualifizierungen sind teuer und oft ineffektiv. "Um diese Zahl deutlich zu senken, muss als erster Schritt gewährleistet werden, dass der reguläre Unterricht auch erteilt wird. Das ist die Basis, auf der eine weitere individuelle Förderung aufbauen kann. Jede Stunde zählt."
Im Anhang...
- "Unterrichtsausfall Zwischenbericht" des Bremerhavener Magistrats vom 31.07.06 / ergänzende Tabelle zum Unterrichtsausfall in Bremerhaven