Hundert-Tage-Bilanz

Hundert-Tage-Bilanz

"Die ersten hundert Tage des neuen/alten Senats sind gekennzeichnet durch Verteilungskämpfe unter den Ressorts - was fehlt ist eine gemeinsame Linie innerhalb der großen Koalition. Mit dem Hinweis auf einen illusorischen verfassungskonformen Haushalt im Jahr 2005 wird an absurden Sparvorgaben festgehalten. Die Bürgermeister Scherf und Perschau repräsentieren mit ihren Durchhalteparolen eine Regierung auf Abruf - ihr Motto: Durchhalten bis 2005; nach uns die Sintflut! Der angekündigte Kurswechsel hat nicht stattgefunden - die kritische Überprüfung umstrittener Projekte findet - wenn überhaupt - nur pro forma statt. Ob Stadthallenumbau oder Trainingsrennbahn - das Signal lautet "weiter so", begleitet von drastischen Einsparungen bei wichtigen Angeboten für die Bürger," kommentiert die grüne Fraktionsvorsitzende Karoline Linnert die am kommenden Sonntag abgelaufenen ersten hundert Tage des neu gewählten Senats. Besonderes Augenmerk gilt den drei neuen Senatoren im ansonsten altbekannten Gruppenbild mit Dame:

Sport- und Innensenator Thomas Röwekamp

Mit seiner nassforschen Forderung nach mehr und schnelleren Abschiebungen hat Thomas Röwekamp eine unselige Tradition fortgesetzt. Als vierter CDU-Senator in Folge hat er zu Beginn seiner Amtszeit versucht, sich mit starken Sprüchen über Asylbewerber hervorzutun. "Ein billiger Profilierungsversuch, der auf Vorurteile setzt und rechtsstaatliche Regeln ignoriert. Statt mit allgemeinen Unterstellungen zu arbeiten erwarte ich vom Innensenator eine sachliche Debatte und die gesetzlich vorgeschriebene konkrete Überprüfung im Einzelfall."
Im Sport hat die geplante Bäderschließung für Schlagzeilen gesorgt. Nach breitem Bürgerprotest signalisiert der Senator Bereitschaft zum Einlenken. "In den Haushaltsberatungen wird sich zeigen, ob den schönen Worten Taten folgen. Bisher fehlt trotz vieler Ankündigungen noch ein tragfähiges Finanzierungs- und Sanierungskonzept, das den Bädern eine langfristige Perspektive eröffnet."

Bau- und Umweltsenator Jens Eckhoff

Gute Kontakte zur Bauwirtschaft sind keine Schande, aber Senator Eckhoff muss jeden Eindruck von Kumpanei vermeiden. Als völlig instinktlos und daneben werten die Grünen deshalb Eckhoffs Einsatz beim symbolischen Spatenstich für das Hotel auf der Galopprennbahn. Kommentar von Karoline Linnert: "Da sind dem Senator die Pferde durchgegangen. Bevor der Bauantrag gestellt und genehmigt ist, hat Jens Eckhoff höchstpersönlich den Bagger in Gang gesetzt. Die Entschuldigung für den peinlichen Bagger-Auftritt diente der notwendigen Schadensbegrenzung, ein schlechter Nachgeschmack bleibt. Die Grünen werden weiter sehr genau darauf achten, ob bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Baugenehmigungen alles mit rechten Dingen zugeht."

Der Wechsel im Umweltressort hat zu keiner Kursänderung beim verschwenderischen Umgang mit dem knappen Gut Fläche geführt. "Obwohl mit der Überseestadt eine attraktive Alternative besteht, wird die Uni-Wildnis für die Technologiepark-Erweiterung geopfert und ein Drittel des Hollerlands weiter zur Disposition gestellt. Statt konsequent auf die Nutzung von Industriebrachen zu setzen, werden weiter Naherholungsgebiete zerstört."

Finanzsenator Ulrich Nussbaum

Der politische Quereinsteiger hat die Grünen positiv überrascht: "Der Wechsel an der Spitze des Finanzressorts ist ein Gewinn, da Ulrich Nussbaum die grüne Kritik am bremischen Gesellschaftsdickicht teilt und endlich Schluss gemacht hat mit der Schönrednerei seines Vorgängers Perschau. Ob diese positive Entwicklung bestand hat, wird sich bei den Haushaltsberatungen zeigen, wo schon wieder Luftbuchungen und neu Schattenhaushalte drohen. Ich bin gespannt, ob Senator Nussbaum einen "ehrlichen", transparenten Haushalt vorlegen wird oder auf die alten finanzpolitischen Taschenspielertricks der vergangenen Jahre zurückgreift. Es bleibt die Skepsis, ob ein völlig Unbekannter bei den schwierigen Verhandlungen mit dem Bund über weitere Sanierungshilfen und den Kanzlerbrief erfolgreich sein kann."