Familienfreundliche Kitas - Standortfaktor mit Zukunft
Familienfreundliche Kitas - Standortfaktor mit Zukunft
Von einem bedarfsgerechten Kindergartenangebot ist Bremen weit entfernt - weder die Betreuungszeiten noch die Qualität des Angebots entsprechen den Erfordernissen. Die vom Sozialressort in Auftrag gegebene forsa-Studie belegt, dass die vorrangig angebotene 4-Stunden-Betreuung den meisten Eltern nicht ausreicht. Der theoretisch bestehende Bildungsauftrag der Kindergärten kann in der Praxis kaum erfüllt werden. Der Handlungsbedarf wird nach den desolaten Pisa-Testergebnissen von niemandem geleugnet. Die grüne Fraktion fordert deshalb einen politischen Kraftakt für die Kleinsten. "Wir wollen den beitragsfreien Kindergarten, eine qualifizierte Zweitkraft für alle Gruppen und den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz von bisher vier auf sechs Stunden täglich inklusive Mittagessen ausweiten", erläutert die grüne Bürgerschaftsabgeordnete Anja Stahmann. Dieser Kraftakt lässt sich nicht aus dem Stand umsetzen. Mit Blick auf die Bremer Finanzsituation und die notwendigen Umstrukturierungen schlagen die Grünen die schrittweise Umsetzung in einem Vierjahresprogramm vor. Die notwendigen Investitionen werden sich doppelt auszahlen: "Ein bedarfsorientiertes Kita-Angebot macht den Wohnort Bremen für Familien attraktiv und ist gleichzeitig ein Standortfaktor. Lernen beginnt nicht erst in der Schule - nur wenn wir die Wissbegierde unserer Jüngsten befriedigen und Sprachdefizite beim Eintritt in den Kindergarten erkennen und konsequent beseitigen, können wir das Bildungspotenzial aller Kinder ausschöpfen. Das sind wir ihnen und dem Wirtschaftsstandort Bremen schuldig, der auf gut ausgebildeten Nachwuchs angewiesen ist."
Die forsa-Studie
Die Umfrage vom Dezember letzten Jahres belegt, dass nur 12 Prozent der Eltern sich eine vierstündige Betreuung ihrer Kinder von 8 bis 12 Uhr wünschen. 52 Prozent wollen fünf oder sechs Stunden tägliche Betreuung, und 28 Prozent wünschen sich eine sieben- bis achtstündige Betreuung. Das Mittagessen im Kindergarten ist 87 Prozent der Eltern 'wichtig' oder 'eher wichtig'. "Das Ergebnis kommt nicht überraschend. Eine sechsstündige Betreuung ist die Voraussetzung, um Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Auch aus pädagogischen und sozialen Gründen sollte das gemeinsame Mittagessen Standard werden."
Kindergärten als Bildungsgärten
Kindergärten sind Teil des Bildungssystems und müssen deshalb auch beitragsfrei sein. "Schließlich zahlen wir auch kein Schulgeld", betont Anja Stahmann. Ein weiterer Grund für die grüne Forderung ist die Sorge, dass einer wachsenden Zahl von Familien auch der Mindestbeitrag zu hoch ist und sie deshalb ihre Kinder zu Hause behalten oder frühzeitig zur Schule schicken. "Der Kindergarten zum Nulltarif ist kein Luxus - selbst das Saarland hat für alle fünfjährigen Mädchen und Jungen den beitragsfreien Kindergarten eingeführt."
Schon 1999 hat das Wibera-Gutachten dem Senat bescheinigt, dass der Bremer Betreuungsschlüssel von einer Erzieherin für 20 Kinder bundesweit im unteren Bereich rangiert. "Die notwendigen spielerischen Bildungs- und Förderangebote sind nur mit Hilfe einer qualifizierten Zweitkraft in den Kita-Gruppen zu leisten. Außerdem kommt die Elternarbeit bisher zu kurz. Der Beratungsbedarf wächst."
Die angekündigten Sprachtests für alle Fünfjährigen greifen nach Ansicht der Grünen zu kurz. Anja Stahmann betont: "Die Sprachfähigkeit entwickelt sich weit vorher. Eine optimale Förderung muss früher ansetzen. Deshalb wollen die Grünen die Ausdrucksfähigkeit aller Kinder schon beim Kindergarten-Start untersuchen."
Kita-Platz für alle Dreijährigen
Alle dreijährigen Mädchen und Jungen haben einen gesetzlich verbrieften Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz - theoretisch. Kinder, die nach dem 30. September ihren dritten Geburtstag feiern (rund 1.250 Kinder), werden zunächst beim Aufnahmeverfahren für das nach den Sommerferien beginnende neue Kindergartenjahr nicht berücksichtigt und auf später vertröstet. Die Eltern sprechen deshalb vom "Schicksal der späten Geburt". Erst am Geburtstag der Kinder wird geprüft, was noch im Angebot ist - im Zweifelsfall nichts. Anja Stahmann befürchtet, dass rund 600 Dreijährige in diesem Jahr keinen Platz bekommen. "Auf meine Nachfragen, wie der Rechtsanspruch für die Kinder mit Geburtsdaten im vierten Quartal abgesichert werden soll, hatte Staatsrat Knigge nur den Hinweis parat, das werde sich schon zurechtruckeln", berichtet Stahmann aus der letzten Sitzung der Sozialdeputation vergangene Woche. Sie fordert die Garantie auf Kita-Plätze für alle Dreijährigen nach den Sommerferien, egal ob deren Geburtstag in den Januar oder Dezember fällt.
Die Kosten
Wenn alle Forderungen am Ende des Vierjahresprogramms 2007 umgesetzt sind, muss der jährliche Kita-Etat um rund 19 Millionen Euro aufgestockt werden. Kommentar von Anja Stahmann: "Bedarfsgerechte Kindergärten haben ihren Preis - die Ergebnisse aus der forsa-Umfrage und den Pisa-Tests müssen Konsequenzen haben."
Die Kosten der einzelnen Maßnahmen:
- Zweitkräfte-Modell: 12,0 Mio. Euro
- Kita zum Nulltarif: 3,7 Mio. Euro
- Rechtsanspruch auf 6 Stunden: 2,5 Mio. Euro
- Zusätzliche Sprachtests: 0,5 Mio. Euro
Zusammen: 18,7 Mio. Euro