Licht ins Gesellschafts-Dickicht bringen
Licht ins Gesellschafts-Dickicht bringen
In den letzten Jahren hat die Freie Hansestadt Bremen aus unterschiedlichen Gründen immer mehr Aufgaben aus der Verwaltung ausgegliedert bzw. sich an Unternehmen beteiligt. Mittlerweile hat sich ein unübersichtliches Geflecht von weit über 200 Beteiligungen und Unterbeteiligungen (inklusive Enkelbeziehungen, Eigen- und Wirtschaftsbetrieben) entwickelt. Aus dem Bremischen Haushalt ist nicht zu ersehen, welche Mittel die vielen Gesellschaften für welche Zwecke erhalten. Die zuständige Abteilung beim Senator für Finanzen hat keinen Überblick über Vor- und Nachteile der jeweiligen Beteiligung. Das bestehende Beteiligungscontrolling ist unvollständig und liefert den Parlamentariern keine Entscheidungsgrundlage und verunmöglicht so eine wirksame Steuerung und Kontrolle. Stattdessen führen die Gesellschaften mit steigender Tendenz ein Eigenleben, indem den parlamentarischen Gremien Informationen vorenthalten werden (Beispiel Musical), am Parlament vorbei Kredite vergeben werden (Beispiel Köllmann) und unkontrolliert Töchter gegründet werden. "Das Parlament darf nicht tatenlos zusehen, wie seine Kontroll- und Steuerungsrechte ausgehöhlt werden. Abgeordnete und Öffentlichkeit müssen darüber informiert sein, unter welchem Namen, mit welchem Auftrag und mit welchen Ergebnissen Bremen wirtschaftlich tätig wird. Es geht um Steuergelder, Vertrauen allein genügt da nicht", betonte die grüne Fraktionsvorsitzende Karoline Linnert auf der heutigen Pressekonferenz. Zusammen mit dem finanzpolitischen Sprecher der grünen Fraktion, Dieter Mützelburg, stellte sie einen Gesetzentwurf vor, mit dem die Grünen die Beteiligungsrechte von Bürgerschaft und Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung absichern wollen (vgl. Anhang).
Nach § 65 Landeshaushaltsordnung soll sich die Freie Hansestadt Bremen (FHB) an Gesellschaften privaten Rechts beteiligen, wenn "ein wichtiges Interesse der FHB vorliegt und sich der von der FHB angestrebte Zweck nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erreichen lässt". Die Realität sieht anders aus: "Weder Verwaltung noch Abgeordnete finden ausreichende Informationen vor, um diese gesetzlich vorgeschriebene Abwägung überhaupt vornehmen zu können. Stattdessen findet einerseits staatlicher Weinhandel statt, werden andererseits zentrale hoheitliche Aufgaben wie die Wirtschaftsförderung in privatrechtlicher Form erbracht," kritisiert Dieter Mützelburg.
Der Abschied von der Kameralistik, größere Freiheiten für die Verwaltung, wie die jeweiligen Aufgaben ausgeführt werden sollen und der Verzicht auf Aufgaben, die von privaten Anbietern besser oder billiger erbracht werden können sind auch für die Grünen wichtige Elemente der Verwaltungsreform.
Unverzichtbar ist aber, dass die Entscheidungen auf eine rationale Grundlage gestellt werden und dem damit einhergehenden Verlust an Einfluss des Parlaments ein Zuwachs an entscheidungsrelevanten Informationen gegenüber steht.
Die grüne Bürgerschaftsfraktion will deshalb in der Bürgerschaft die Einrichtung eines nichtständigen Ausschusses "Bürgerschaftliche Befugnisse bei Verwaltungsreform und Privatisierung" einfordern. Dieser Ausschuss soll bis Sommer 2001 ein Gesetz erarbeiten, dass klare rechtliche Vorgaben über die parlamentarischen Rechte bei der Gründung von Gesellschaften macht. Außerdem soll gesetzlich geregelt werden, welche Berichtspflichten der Senat gegenüber der Bürgerschaft und dem Haushalts- und Finanzausschuss hat .
Dieter Mützelburg geht davon aus, dass nicht nur Oppositionsvertreter ein Interesse an der Diskussion über parlamentarische Kontrollrechte in dem vorgeschlagenen Parlamentsausschuss haben: "Abgeordnete haben nicht nur Rechte, sie haben auch Pflichten. Erst ein funktionierendes Beteiligungscontrolling versetzt Parlamentarier in den Stand, ihre gesetzlich vorgegebenen Aufgaben zu erfüllen. Deshalb hoffen wir auf Unterstützung unseres Antrages durch SPD und CDU, einem Parlamentsausschuss den Auftrag der näheren Ausgestaltung zu geben. Hier geht es um die Beteiligungsrechte des gesamten Parlaments."
Im Anhang:
Grüner Bürgerschaftsantrag zur Einrichtung eines nichtständigen Ausschusses "Bürgerschaftliche Befugnisse bei Verwaltungsreform und Privatisierung"