Grünes Integrationskonzept - Damit aus Anspruch Realität wird
Grünes Integrationskonzept - Damit aus Anspruch Realität wird
Die Integration der ZuwanderInnen in Bremen muss verbessert werden, damit die MigrantInnen endlich ihrem Anteil an der Bevölkerung entsprechend in allen gesellschaftlichen Bereichen vertreten sind. Um dies Ziel zu erreichen hat die Grüne Bürgerschaftsfraktion heute ein Zehn-Punkte-Programm vorgestellt (vgl. Anhang), das ein Bündel konkreter Maßnahmen beinhaltet. "Verbesserte Integrationsangebote gibt es nicht zum Nulltarif. Damit es nicht bei folgenlosen Absichtserklärungen bleibt, sollen zunächst bis 2003 fünf Millionen Mark zusätzlich pro Jahr in die Integration investiert werden," betont der stellvertretende grüne Fraktionsvorsitzende Matthias Güldner auf der heutigen Pressekonferenz. "Für die gesellschaftliche Integration und Chancengleichheit ist eine abgeschlossene Schul- und Berufsausbildung eine wichtige Voraussetzung. Ein Schwerpunkt der Anstrengungen muss deshalb im Bereich Kindergarten, Schule und Ausbildung gelegt werden. Wenn 20 Prozent der ZuwanderInnen die Schule ohne Abschluss verlassen ist, darf die Politik nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, sondern muss Konsequenzen ziehen."
Integrationsarbeit im Kindergarten beginnen
Die Grünen wollen im Kindergarten mehr Erzieherinnen mit bi-kulturellem Hintergrund erreichen. Bis zum Jahr 2003 sollen in Kindergärten mit mehr als 20 Prozent Zuwandererkindern mindestens zwei feste Stellen mit bi-kulutrellen Erzieherinnen besetzt sein. Zusätzliche Stellen müssen dafür nicht geschaffen werden: "Bei der hohen Fluktuation in diesem Bereich genügt es, frei werdende Stellen mit entsprechenden Erzieherinnen zu besetzen."
Schule als Weichenstellung für eine erfolgreiche Integration nutzen
Die Förderung von zugewanderten Schülern muss dringend verbessert werden. Als ersten Schritt wollen die Grünen die vor zwei Jahren abgeschaffte sogenannte 1,5fach-Zählung von Zuwandererkindern bei der Lehrerstundenzuweisung wieder einführen und erweitern: "Die Förderung darf nicht , wie in der Vergangenheit, an der Staatsangehörigkeit festgemacht werden. Gerade Aussiedler mit deutschen Pass benötigen häufig gezielte Unterstützung."
Bei Lehrer-Neueinstellungen wollen die Grünen vorrangig in Deutschland aufgewachsene MigantInnen berücksichtigen. Außerdem sollen deutsche LehramtskandidatInnen mit Zusatzqualifikationen in den Fächern "Deutsch als Fremdsprache" und "Deutsch als Zweitsprache" bevorzugt an Schulen mit hohem Zuwandereranteil eingesetzt werden."
Öffentlicher Dienst mit Vorbildfunktion
Ob im Schul- und Jugendbereich, bei der Polizei oder im Gesundheitswesen - überall gilt das gleiche: Migranten sind als Mitarbeiter unterrepräsentiert. Dabei liegen die Vorteile ihrer Beschäftigung auf der Hand: Sie können unnötige Missverständnisse beseitigen und Hemmschwellen senken. Bürger mit geringen Deutschkenntnissen verzichten leider häufig darauf, Behörden in Anspruch zu nehmen. Voraussetzung für die Einstellung von Migranten ist eine entsprechende Ausbildung. Matthias Güldner fordert deshalb den Senat zu einer Ausbildungsoffensive für Jugendliche aus Zuwandererfamilien auf: "Im kommenden Jahr wird Bremen 674 Auszubildende einstellen. Es reicht nicht aus, auf fehlende Bewerbungen von Migranten zu verweisen. Durch gezielte Werbung und Öffentlichkeitsarbeit müssen Migranten motiviert werden, sich zu bewerben. Dazu gehören Informationsveranstaltungen bei Migrantenorganisationen ebenso wie der ausdrückliche Hinweis in Stellenanzeigen, dass der Senat bestrebt ist, den Anteil der Migranten im Öffentlichen Dienst zu vergrößern."
Auch für ZuwanderInnen soll der Öffentliche Dienst kundenfreundlicher werden. "Einbürgerungsanträge werden künftig garantiert innerhalb von sechs Monaten bearbeitet (Zur Zeit zwei Jahre!). Eltern von bis zu zehnjährigen Kindern, die noch bis zum 31.12.2000 einen Einbürgerungsanspruch nach neuem Recht haben, werden durch direkte Anschreiben über die Kindergärten und Grundschulen informiert." Generell soll die Ausländerabteilung des Stadtamtes reformiert werden. Die Leistungen sollen im Rahmen von Bürgerämtern dezentral angeboten werden."
Frauen haben eine Schlüsselrolle
Frauen sind unbestritten die Hauptträgerinnen des Integrationsprozesses. Dennoch sind sie häufig weiter als die männlichen Zuwanderer von der gesellschaftlichen Teilhabe entfernt. Die Grünen wollen mehr Angebote für Migrantinnen in den Bereichen Erziehung, Drogenprävention und Gesundheitsfürsorge. Zum Thema häusliche Gewalt sollen mehrsprachige Faltblatter herausgegeben werden mit konkreten Hinweisen auf Anlaufstellen, wo mehrsprachige Helfer zur Verfügung stehen.
Ohne verbindliche Zielvorgaben und konkrete Programme wird die bessere Integration Thema von Sonntagsreden bleiben. Um eine regelmäßige Kontrolle über das Erreichte zu gewährleisten, fordern die Grünen einen jährlichen schriftlichen Senatsbericht über die Fortschritte der Zuwandererintegration für die Bürgerschaft. Matthias Güldner betont: "Im Moment hat das Thema Integration wieder einmal Konjunktur. In wenigen Monaten kann das schon wieder ganz anders aussehen. Wir wollen durch den Bericht absichern, dass das Thema auf der Tagesordnung bleibt, bis die Zuwanderer gemäß ihrem Anteil an der Bevölkerung in allen gesellschaftlichen Bereichen verankert sind."
In der Anlage: Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
"10-Punkte-Programm zur Integration von Zuwanderern im Lande Bremen: Konkret Handeln - gemeinsame Zukunft gestalten"
BREMISCHE BÜRGERSCHAFT Drucksache 15/
Landtag 08.09.2000
15. Wahlperiode
Dringlichkeitsantrag der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN
10-Punkte-Programm zur Integration von Zuwanderern im Lande Bremen:
Konkret handeln - gemeinsame Zukunft gestalten
Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen,
der Senat hat in seiner Mitteilung an die Bremische Bürgerschaft vom 25. Juli 2000 eine "Konzeption zur Integration von Zuwanderern und Zuwanderinnen im Lande Bremen" vorgelegt. Die Bürgerschaft (Landtag) teilt wesentliche, in Kapitel 1. dieser Konzeption genannte, Grundsätze und unterstützt den Senat in seinem Bemühen, Zuwandererintegration zu systematisieren und an die geänderten Rahmenbedingungen anzupassen.
Die Bürgerschaft (Landtag) vermisst allerdings in Kapitel 2. der vorgelegten Konzeption, "Handlungsfelder und Schwerpunkte bremischer Integrationspolitik", konkrete Schritte zur Umsetzung der genannten Ziele und verbindliche Aussagen über die Realisierung geplanter Vorhaben. So ist zum Beispiel in Absatz 2.1. "Vorschulische Erziehung" ist die Rede vom "Ausbau der Elternbildung", ohne dass der Senat konkrete Angaben zu Methoden, Programmen und ihrer Finanzierung macht. In Absatz 2.2. "Schulische Bildung" ist die Rede von der "Verbesserung der deutschen Sprachkenntnisse bei ausländischen Schülern und Schülerinnen", ohne Angaben über konkrete Maßnahmen und praktische Schritte zur Erreichung dieses Zieles. In nahezu jedem aufgeführten Arbeitsbereich spricht der Senat von "Weiterentwicklung", "Ausbau", "Verbesserung", "Stärkung", etc., ohne dies mit geplanten Vorhaben und Zielvorgaben für ihre Umsetzung zu untermauern.
Ohne eine solche Konkretisierung und die Nennung verbindlicher Vorhaben bleibt der Einstieg in eine erneuerte Integrationspolitik abstrakt, vage und von der Bürgerschaft nicht nachvollziehbar.
Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat deshalb auf, bei seinen weiteren Arbeiten an der Konzeption die im folgenden 10-Punkte-Programm aufgeführten konkreten Maßnahmen vordringlich umzusetzen.
Zum Ende eines jeden Kalenderjahres, beginnend mit dem Jahr 2001, soll der Senat darüber hinaus über die Fortschritte der Zuwandererintegration der Bürgerschaft schriftlich Bericht erstatten.
10-Punkte-Programm zur Integration von Zuwanderern im Lande Bremen:
Konkret handeln - gemeinsame Zukunft gestalten
1.Leitsätze: Migrant/inn/en und Einheimische sind Partner der Integration.
- Der in diesem 10-Punkte-Programm verwendete Integrationsbegriff setzt auf veränderte Einstellungen bei Einheimischen wie Zugewanderten. Integration ist weder durch Assimilation noch durch paternalistisch gewährte Almosen zu erreichen. Neue Maßnahmen und reformierte Rahmenbedingungen setzen bei Mehrheit und Minderheit an. Aktive Ausgrenzung durch die Mehrheit und Selbstausgrenzung durch die Minderheiten werden abgelehnt. An alle Teile der Gesellschaft, Zugewanderte wie Einheimische, muss die Forderung erhoben werden, sich aktiv und nach besten Kräften am Integrationsprozess zu beteiligen. Die Vision einer gemeinsamen Zukunft wird nur durch das Schließen der Schere zwischen sich auseinanderbewegenden Teilen der Gesellschaft erreicht werden können.
- Veränderungen der Lebenswirklichkeit im Einwanderungsland Bremen werden anerkannt. Dazu gehören die Realitäten der 2. und 3. Einwanderergeneration mit all ihren Differenzierungen nach Herkunftsland, Aufenthaltsstatus, sozialer Situation, Geschlecht, materieller Lebenslage und Haltung zum Aufnahmeland. Dazu gehören auch ein neues Staatsangehörigkeitsrecht und veränderte ökonomische Rahmenbedingungen.
- Integrationspolitik hat sich in den letzten Jahrzehnten (notgedrungen) auf ausländerrechtliche Fragen konzentriert. Erst jetzt zeichnet sich ein grundlegender Wandel zur Akzeptanz des Einwanderungslandes ab, der aber noch in verbindliche Gesetzesgrundlagen (Einwanderungsgesetz, Anti-Diskriminierungsgesetz) umgesetzt werden muss. Auf dieser Grundlage kann die praktische Integrationsarbeit modernisiert und von der Verteidigungshaltung auf Zukunftsgestaltung umorientiert werden.
- Dabei werden Zuwanderer nicht mehr nach Statusgruppen "sortiert" und als Problemfälle der Bürokratie überlassen. Rahmenbedingungen werden geschaffen, damit Zuwanderer als Bürger in der Zivilgesellschaft partizipieren und ihre unterschiedlichen Lebensentwürfe realisieren können.
2.Mit gezielter Integrationsarbeit bereits im Kindergarten beginnen:
Der bisherige Ansatz, bereits im Kindergarten mit gezielter Förderung der Integration zu beginnen wird gestärkt. Im wesentlichen kann das Ziel durch den vermehrten Einsatz von Erzieherinnen mit bi-kulturellem und bi-lingualem Hintergrund erreicht werden. Besonders in Kindergärten mit hohem Zuwandereranteil ist der Anteil der Migrantinnen an den einzustellenden Erzieherinnen durch verbindliche Vorgaben zu erhöhen. Dabei sollen bis zum Jahr 2003 Kindertagesheime, in denen 20% oder mehr Zuwandererkinder sind, mit mindestens zwei festen Stellen für bi-kulturelle Erzieherinnen ausgestattet sein. Zur Umsetzung dieses Vorhabens werden keine neuen Stellen geschaffen, sondern im Rahmen von Wiederbesetzungsverfahren die natürliche Fluktuation in den Einrichtungen genutzt.
Das vorbildliche und erfolgreiche Programm "Home Instruction Programme for Preschool Youngsters" (HIPPY) wird in bezug auf die Zielgruppen und die Angebotsorte erheblich ausgeweitet. Ziel ist es, jeder betroffenen Familie (Aussiedler, Arbeitsmigranten und Flüchtlinge), die den Bedarf anmeldet, innerhalb von zwei Jahren einen Platz in einer der Gruppen anbieten zu können (Zur Finanzierung siehe Punkt 10).
3.Schulerfolg als Voraussetzung für Integration fördern:
20% der Zuwanderer und Zuwanderinnen verlassen die Schule ohne Abschluss. Ohne Schulabschluss haben sie kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt. In Kindergarten und Schule aber erfolgt die Weichenstellung für eine erfolgreiche Integration in das Aufnahmeland.
Deshalb wird die innerschulische Förderung derjenigen zugewanderten Schüler/inn/en verstärkt. So wird die Streichung der 1,5fach-Zählung von Zuwandererkindern bei der Lehrerstundenzuweisung zurückgenommen. Die Förderung kann allerdings nicht, wie in der Vergangenheit, an der Staatsangehörigkeit festgemacht werden, da auch Aussiedler/inn/en und Eingebürgerte zu denjenigen gehören, die einer gezielten und qualifizierten Förderung bedürfen. Für die zusätzliche Bereitstellung von Förderstunden der Lehrer/inn/en und freien Fördermitteln ist der Anteil benachteiligter Schüler/inn/en an der jeweiligen Schule zugrunde zu legen (Zur Finanzierung siehe Punkt 10).
Zusätzlich werden verstärkte und auf die Zielgruppe angepasste Möglichkeiten zum Nachholen eines Schulabschlusses angeboten.
Verstärkte und qualifizierte Förderung an den Schulen nützt neben den Migrant/inn/en auch den Klassenverbänden insgesamt und damit allen Schülerinnen und Schülern im Lande Bremen.
Der bisherige muttersprachliche Unterricht an den Grundschulen wird beibehalten. An den weiterführenden Schulen wird der muttersprachliche Unterricht zu einem integralen Bestandteil eines reformierten Sprachenunterrichts weiterentwickelt. Von Regierungen der Herkunftsländer entsandte Lehrkräfte werden in Zukunft nicht mehr eingesetzt. Bestehende Verträge werden nicht erneuert. Vorrang bei der Einstellung von Lehrkräften müssen in Deutschland aufgewachsene Migrantinnen und Migranten haben, die Kenntnisse der Herkunftskulturen und -sprachen mit eigener Migrationserfahrung und Qualifizierung in Deutschland verbinden. Deutsche Lehramtskandidat/inn/en mit Zusatzqualifizierungen in den Fächern "Deutsch als Fremdsprache" und "Deutsch als Zweitsprache" werden ebenfalls bevorzugt an Schulen mit hohem Zuwandereranteil eingesetzt.
Die wichtigsten Herkunftssprachen der Zuwanderer müssen ihren integrierten Platz an den weiterführenden Schulen neben dem Deutschunterricht und den klassischen Fremdsprachen erhalten. Damit wird eine große Stärke der Jugendlichen aus Zuwandererfamilien, die Bi-Lingualität, in der globalisierten Arbeits- und Medienwelt, besser genutzt.
4.Ausbildung und Beschäftigung von Zuwanderern konkret fördern:
Integration in das Arbeits- und Geschäftsleben muss im Zentrum der Bemühungen gegen Ausgrenzung und Randständigkeit von Zuwanderern stehen.
Neben den rein frauenspezifischen Angeboten zur Existenzgründung (MiBoP) wird ein Schwerpunkt der Integrationsarbeit auf die Beratung und Förderung von Existenzgründern gelegt. Dabei sind allgemein ökonomische Entwicklungen genauso zu berücksichtigen wie die Stadtteil- und Nischenökonomien der Zuwanderer.
Die erfolgreiche Arbeit der "Beratungsstelle zur Qualifizierung ausländischer Nachwuchskräfte (BQN)" wird auf andere Zuwanderergruppen (Aussiedler, Flüchtlinge mit Bleiberecht) ausgeweitet. Anstrengungen der BQN zur Schaffung neuer Ausbildungsplätze und zur Beteiligung der Jugendlichen an Ausbildungsgängen im dualen System werden ausgebaut.
Viele Bereiche des alltäglichen Zusammenlebens könnten deutlich positivere Impulse für die Integration geben, wenn dort auch die Erfahrungen der Migranten genutzt würden. In den Kindergärten, Schulen, bei der Polizei, im Gesundheitswesen, in der Jugend- und Sozialarbeit: überall sind bi-kulturelle und mehrsprachige Kräfte in Bremen noch unterrepräsentiert. Überall könnten sie Gemeinsamkeit repräsentieren, Partizipation herstellen, unnötige Missverständnisse beseitigen. Der öffentliche Dienst hat hier eine eindeutige Schlüsselstellung und Vorbildfunktion für freie Träger und die private Wirtschaft. Voraussetzung für die Einstellung von Migranten ist die Vergabe von Ausbildungsplätzen.
Der Senat verpflichtet sich deshalb zu einer Ausbildungsoffensive für Jugendliche aus Zuwandererfamilien und zu klaren Vorgaben bei der Einstellungspolitik im öffentlichen Dienst. Bisher scheitert die vermehrte Einstellung von Auszubildenden im öffentlichen Dienst an der geringen Bewerberquote. Durch gezielte Werbung und Öffentlichkeitsarbeit und durch entsprechende Hinweise in den Ausschreibungstexten wird die Bewerberquote für Ausbildungs- und Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst erhöht, um zu einer angemessenen Repräsentanz von Zugewanderten im öffentlichen Dienst zu gelangen.
5.Beteiligung organisieren:
Wenn die Polizei Umfragen zur inneren Sicherheit bei den Bürgern und Bürgerinnen macht und dies in ihr Handeln einbezieht, warum wird immer noch Integrationspolitik ohne die Betroffenen gemacht"
In der vom Senat vorgelegten Konzeption fehlt eine Darstellung des Ist-Standes der zugewanderten Bevölkerung im Lande Bremen völlig. Ohne entsprechende Erhebungen sind die Behörden des Landes dazu auch nicht in der Lage. Deshalb gibt der Senat eine ausführliche repräsentative Befragung der in Bremen lebenden Zuwanderer und Zuwanderinnen in Auftrag, durch die eine realistische Datengrundlage über die objektive Lebenssituation und die subjektiven Bedarfe der Migrant/inn/en geschaffen wird.
Die Erhebung, ihre Auswertung und vor allem die Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse wird wissenschaftlich begleitet, um weitere Erkenntnisse für die zukünftige Integrationsarbeit zu gewinnen.
Wo immer neue Medien zur Organisation von Beteiligung eingesetzt werden können, wird der Zugang von Zuwanderern zu diesen Medien gefördert.
6.Zielgruppe der Integrationsarbeit erweitern:
Zielgruppe der Integrationsarbeit des Senates sind nicht nur Arbeitsmigrant/inn/en und Aussiedler/inn/en, sondern alle längerfristig im Lande Bremen lebenden Migranten und Migrantinnen, auch wenn sie als Flüchtlinge und Asylsuchende hierher gekommen sind. Wo immer dies rechtlich zulässig ist, wird in den betreffenden Angeboten keine Unterscheidung zwischen ausländerrechtlichen Statusgruppen vorgenommen. Ausrichtung und Effektivierung der Angebote richten sich vielmehr nach den unterschiedlichen Lebenslagen und Bedürfnissen der Menschen
7.Stärkung der Rolle der Frauen im Integrationsprozess:
Frauen sind unbestritten die Hauptträgerinnen des Integrationsprozesses. Dennoch sind sie weiter als die männlichen Zuwanderer von gesellschaftlicher Teilhabe entfernt. Um die Stärkung der Frauen im Integrationsprozess voranzubringen, werden Angebote wie Sprachkurse, Fort- und Weiterbildungen, etc. stärker auf ihre zeitlichen und inhaltlichen Bedürfnisse orientiert. Wo nachholende Entwicklungen notwendig sind, werden sie massiv gefördert (Sprachkurse für ältere und nachgezogene Frauen). Die zentrale Beratungsstelle für Arbeitsmarktzugang und Existenzgründung MiBop wird ausgebaut und langfristig abgesichert.
In ihren Bemühungen innerhalb der Familie werden die zugewanderten Frauen stärker durch Hilfsangebote in Sachen Erziehung, Drogenprävention, Gesundheitsvorsorge und Familienökonomie unterstützt.
Durch den Migrantinnenrat (MigRa e.V.) wurde in Bremen erstmalig die Partizipation von zugewanderten Frauen an fachlichen und politischen Fragen unabhängig von Herkunft, Alter, Religion und Weltanschauung organisiert. Das modellhafte Projekt wird langfristig abgesichert und finanziell unterstützt.
In der Mädchenarbeit wird ein besonderer Schwerpunkt auf zugewanderte Mädchen gelegt.
Auch bei dem Thema der häuslichen Gewalt gegen Mädchen und Frauen werden im Rahmen des Gesamtkonzeptes Beratungs- und Betreuungsschwerpunkte für Migrantinnen gebildet.
8.Diskriminierung und Rassenhass entgegentreten:
Das Land Bremen wird sich dafür einsetzen, dass auf Bundesebene ein effektives Anti-Diskriminierungsgesetz verabschiedet wird. Gemeinsam mit dem Bund und den anderen Ländern wird Bremen dafür sorgen, dass noch in dieser Legislaturperiode ein wirksamer Schutz von Minderheiten gegen Benachteiligung und Anfeindung gesetzlich verankert wird. Der Schutz vor Diskriminierungen wird dabei nicht auf Zuwanderer und Zuwanderinnen beschränkt, sondern Teil eines allgemeinen Gesetzes zum Schutz von Minderheiten.
9.Auch Zuwanderer und Zuwanderinnen sind Kunden des öffentlichen Dienstes:
Auch für Zuwanderer und Zuwanderinnen wird das Zeitalter der Kundenfreundlichkeit und der Dienstleistungsorientierung der Bremischen Verwaltung eingeläutet.
Einbürgerungsanträge werden in Zukunft innerhalb von 6 Monaten bearbeitet, wie dies gesetzlich gefordert ist. Eltern von bis zu 10 Jahre alten Kindern, die noch bis 31.12.2000 einen Einbürgerungsanspruch nach dem zum 1. Januar 2000 in Kraft getretenen Geburtsrecht ("ius soli") haben, werden durch direkte Anschreiben über die Kindergärten und Grundschulen informiert.
Die Ausländerabteilung des Stadtamtes ("Ausländeramt") wird von Grund auf reformiert. Ihre Leistungen werden im Rahmen der Orientierung auf Bürgerämter auch dezentral angeboten. Es werden zur Qualitätssicherung der Arbeit neben der Fort- und Weiterbildung der Mitarbeiter alltagsnahe Sachgebiete (Hochschulangehörige, Geschäftsleute, Familiennachzug, etc.) geschaffen, um optimale Kundenbetreuung zu gewährleisten.
10.In Integration muss Engagement aber auch Geld investiert werden:
Das Land Bremen spart durch den Rückgang der Asylbewerber-, Flüchtlings- und Aussiedlerzahlen in den letzten Jahren in großem Umfang Mittel für Sozialhilfe, Unterbringung und Förderung. Die in Bremen aufzunehmenden Asylbewerber sind von nahezu 5.000 pro Jahr zu Beginn der 90er Jahre auf ca. 700 erwartete Asylanträge in 2000 zurückgegangen. Die Aussiedlerzahlen haben sich mehr als halbiert. Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien und dem Kosovo sind größtenteils in ihre Heimat zurückgekehrt oder bereiten dies vor.
Es muss Konsens sein, dass unter diesen Umständen die vertiefte Integration der im Lande Bremen lebenden Zuwanderer nun an erster Stelle zu stehen hat.
5 Millionen DM pro Jahr werden in den nächsten drei Jahren zur Anschubfinanzierung von innovativen integrativen Maßnahmen aus diesem 10-Punkte-Programm investiert. Der Betrag wird als Umlage über alle Ressorthaushalte aufgebracht.
Dr. Matthias Güldner, Karoline Linnert und Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN