Ein Musical für Bremen - um jeden Preis?
Ein Musical für Bremen - um jeden Preis?
Wenn es um die Situation des Musicals "Jekyll und Hyde" sowie die finanziellen Zuschüsse der öffentlichen Hand geht, geben sich alle Beteiligten extrem zugeknöpft. "Auf alle unsere Fragen zu den tatsächlichen Einnahmen und den fälligen Ausfallzahlungen in der Bürgerschaft und den Wirtschaftsförderungsausschüssen haben die Grünen nur ausweichende oder Teilantworten bekommen. Jetzt liegen uns interne Papiere vor, aus denen hervorgeht, dass die Lage verniedlicht wurde und die Bremer Zuschüsse höher ausfallen, als bisher angenommen. Demnach gab es nur ein ungenügendes Controlling Bremens gegenüber den Musicalmachern, und selbst den zuständigen Senatoren war die tatsächliche Subventionshöhe unbekannt. Mit seriöser Wirtschaftsförderungspolitik hat das nichts mehr zu tun. Es drängt sich der Eindruck auf, dass ein Lieblingskind der großen Koalition mit aller Macht gefördert werden sollte, ohne genau die Kosten zu kennen und zu überprüfen," kritisiert die grüne Bürgerschaftsabgeordnete Helga Trüpel auf der heutigen Pressekonferenz.
Die wirtschaftspolitische Sprecherin der grünen Fraktion fordert den Senat auf, endlich alle Fakten offen auf den Tisch zu legen: "Die Mitglieder der Wirtschaftsförderungsausschüsse brauchen solide Informationen, wenn sie Ende August über weitere 8 Millionen Mark für das Musical entscheiden sollen. Bisher haben die zwischengeschalteten Bremer Gesellschaften HVG (Hanseatische Veranstaltungsgesellschaft) und HAGÖF (Hanseatische Gesellschaft für öffentliche Finanzierungen Bremen) die Informationen für sich behalten."
Bis vor kurzem sind die Grünen davon ausgegangen, dass Bremen für den Umbau des Musicalgebäudes am Richtweg 48 Millionen Mark zur Verfügung stellte. In einem Protokoll der HAGÖF-Aufsichtsratssitzung vom 23. Juni dieses Jahres (vgl. Anhang 1, S. 4) ist plötzlich von 54,5 Millionen Mark die Rede. "Der Anstieg um 6,5 Millionen Mark wurde den Parlamentariern nie mitgeteilt."
Für die Aufsichtsratssitzung wurde eine vertrauliche Vorlage erstellt (vgl. Anhang 2), die deutlich macht, welche hohen finanziellen Risiken das Musical auch in Zukunft für Bremen beinhaltet. "In der Vorlage wird die Deutsche Revisions AG (PwC) zitiert, die für die Jahre 2000 und 2001 einen Liquiditätsbedarf von 10,79 Millionen Mark prognostiziert. Sollte es nur eine 40%ige Auslastung geben, erhöht sich der Zuschussbedarf um weitere 6 Millionen Mark. Das Musical droht zum Fass ohne Boden zu werden," kommentiert Helga Trüpel. Am Ende der Vorlage wird empfohlen, das Musical-Projekt aufzugeben, falls die angestrebte 70-prozentige Auslastung des Theaters in 2001 unrealistisch erscheint. "Zum jetzigen Zeitpunkt halte ich das für völlig illusorisch. Sollten bis zur nächsten Sitzung der Wirtschaftsförderungsausschüsse keine neuen, überzeugenden Argumente vorliegen, wie diese Zuschauerzahlen zustande kommen sollen, werden die Grünen für einen Schlussstrich plädieren. Besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende."
Bereits im Juni 1996 stimmten die Grünen in den Wirtschaftsförderungsausschüssen gegen das Musical, weil das Risiko bei einer geringen Auslastung einseitig auf die öffentliche Hand abgewälzt werde (vgl. Anlage 3). Durch einen Vergleich mit Daten, die der damalige Wirtschaftsstaatsrat Haller an den Finanzsenator im März 1997 nannte (vgl. Anlage 4) wird deutlich, dass die Konditionen für Bremen noch schlechter waren als erwartet. In der Vorlage vom Juni 1996 wird aufgelistet, dass bei einer 90-bis 100-prozentigen Auslastung Bremens Jahreszuschuss null Mark betrage (Anlage 3 Seite 5). Neun Monate später nennt der damalige Staatsrat Haller ganz andere Zahlen im Brief an den Finanzsenator. Bei einer 90%igen Auslastung seien 1,251 Millionen Mark fällig, und selbst wenn alle Eintrittskarten verkauft würden, sei Bremen mit 249.000 Mark dabei (Anlage 4 Seite 5). "Von diesen veränderten Konditionen haben wir nie etwas erfahren. Wie Herr Haller angesichts dieser Zahlen und einer Anschubfinanzierung von 54,5 Millionen Mark von einer ´günstigen privatwirtschaftlichen Lösung´ sprechen kann, ist mir schleierhaft."
Die Grünen beantragen als Konsequenz aus den wiedersprüchlichen Zahlen Akteneinsicht in sämtliche zwischen Bremen und den Musicalbetreibern geschlossenen Verträge. Kommentar von Helga Trüpel: "Das scheint der einzige Weg, um Klarheit über Bremens Risiken zu bekommen, und mögliche Nebenabsprachen der Verhandlungspartner."
Im Anhang:
Anlage1: Protokoll der HAFÖG-Sitzung vom 23. Juni 2000
Anlage 2: Vertrauliche Vorlage für die HAFÖG-Sitzung im Juni
Anlage 3: Vorlage für Wifö-Ausschüsse vom Juni 1996
Anlage 4: Brief von Staatsrat Haller vom März 1997