Bürgerämter in Bremen - ein Schritt vor und zwei zurück?
Bürgerämter in Bremen - ein Schritt vor und zwei zurück?
"Ein dezentrales Netz von Bürgerämtern mit einem breitgefächerten Dienstleistungsangebot ist das Rückgrat einer kundenorientierten Verwaltung. In Bremen wartet man trotz vieler senatorischer Ankündigungen seit Jahren vergeblich auf ein entsprechend Service-orientiertes Angebot. Statt endlich Gas zu geben, will der Innensenator jetzt sogar den Rückwärtsgang einlegen. In der Deputationsvorlage zum Doppelhaushalt 2000/2001 kündigt Herr Schulte an, dass er keine Möglichkeit sieht, die Weiterentwicklung von Bürgerämtern zu finanzieren. Der Senat hat ein jahrelang geplantes Projekt, mit dem sich Bremen gerne öffentlich brüstet, in den Sand gesetzt", kritisiert der grüne Fraktionssprecher Helmut Zachau auf der heutigen Pressekonferenz.
Die Grünen halten die Konzentration auf zentrale Verwaltungseinrichtungen beispielsweise im Siemens-Hochhaus für falsch. Zachau betont: "Die Grünen wollen erreichen, dass alle Bremerinnen und Bremer die meisten ihrer Anliegen an einer Stelle in ihrem Stadtteil schnell und unkompliziert erledigen können. Bis zum Jahr 2002 könnten 26 Bürgerämter eingerichtet werden (vgl. Liste im Anhang 1). Die gewachsene Struktur der Beiräte und Ortsämter ist dafür der geeignete Anknüpfungspunkt."
Ute Treptow, für die Grünen im Gesamtbeirat, erinnert an die vollmundigen Ankündigungen des Senats in Sachen Bürgerämter: "Ende 1998 wurden drei Modell-Bürgerämter in Horn-Lehe, Blumenthal und Vegesack eingerichtet, weitere sollten folgen. In der Deputation zur Reform des öffentlichen Dienstes, der ich in der vergangenen Legislaturperiode angehörte, wurde regelmäßig eine Verwaltungsreform angekündigt. Der Service vor Ort sollte verbessert werden. Das Bremer Expo-Projekt "zeiten:der:stadt:" stellt das Vorhaben "Bürgeramt 2000" als ´Beispiel aus der Zukunft` groß raus (vgl. Anhang 2). Der pure Hohn, wenn man genauer hinsieht!"
Konkret verschlechterte sich in jüngster Zeit das wohnortnahe Service-Angebot für den Bürger - von einem Ausbau keine Spur. Ute Treptow nennt Beispiele für die negative Entwicklung. "Das Modell-Bürgeramt Horn-Lehe steht demnächst ohne Leiter da. Die Möglichkeit, Einbürgerungsanträge bei einigen Ortsämtern einzureichen, wurde nach einem Jahr wieder abgeschafft. Im Modell-Bürgeramt Vegesack sank die Zahl der Mitarbeiter in den letzten zehn Jahren von 77 auf 53 - bei gleichzeitig wachsenden Aufgaben. Allgemein gilt, dass die Ortsämter personell ausbluten. Die Verwaltungsleute in den Stadtteilen werden so mürbe gemacht. Wo es zarte Pflänzchen dezentraler Strukturen gibt, drohen sie zu verschwinden - aufgrund unsinnigen Ressortdenkens (wer bezahlt welche Mitarbeiter und wer hat die Fach- und Dienstaufsicht") wird jetzt überlegt, wieder Mitarbeiter des Sozial- und Baurbereichs aus den bestehenden Ortsämtern abzuziehen. Solange es keinen klaren politischen Auftrag mit festen Zielvorgaben gibt, bleibt das Bürgeramt 2000 folgenlose Ankündigungspolitik."
Das Bürgeramt - umfassendes Dienstleistungsangebot aus einer Hand
Man stelle sich vor: An- und Ummeldung, Änderung von Kraftfahrzeugpapieren, Beantragung von Wohngeld und Sozialhilfe, Beglaubigungen, gelbe Säcke, An- und Abmeldung von Gewerbe, Einzahlungen von Steuern, Gebühren und Abgaben - dies und anderes, alles an einem Schreibtisch und ohne wesentliche Wartezeiten! Bei schwierigen, fachlich komplizierten Verwaltungsvorgängen fungiert das Bürgerbüro als Anlaufstelle mit kurzer Erstberatung. Weitergehende Beratungen werden in den Fachämtern durchgeführt. Den Satz "Wir sind nicht zuständig" gibt es nicht mehr. Was in Bremen weitestgehend Wunschtraum ist, haben andere Städte längst vorgemacht. Kommentar von Helmut Zachau: "Bereits im Februar 1997 hat sich die grüne Bürgerschaftsfraktion Bürgerämter in Osnabrück und Heidelberg angesehen. Was dort vor Jahren umgesetzt worden ist und mittlerweile vielerorts Nachahmer gefunden hat, bleibt in Bremen immer noch ferne Zukunftsmusik."
Das Personal im öffentlichen Dienst muss nach Ansicht der Grünen nicht aufgestockt werden, um die Bürgerämter zu realisieren. Helmut Zachau betont: "Es gilt erhebliche Stellenverschiebungen durchzusetzen. Beispielsweise müssten die zentrale Kfz-Meldestelle und das Stadtamt aufgelöst werden. Für die Mitarbeiter bieten sich Qualifizierungs- und Aufstiegschancen. In Osnabrück und Heidelberg wurden die Bürgerbüros von Kunden und Beschäftigten positiv bewertet. Es gab behördenintern erheblich mehr Bewerbungen als Stellen für die Jobs in den Bürgerbüros."
Die Kosten für 26 Bürgerämter veranschlagt Helmut Zachau grob zwischen 15 und 20 Millionen Mark. Finanzieren will er das Projekt aus den Mitteln, die für die künftige Nutzung des Siemens-Hochhauses vorgesehen sind. "Allein für den Umbau der Immobilie sind 15 Millionen Mark eingeplant. Gekauft wurde der Klotz für rund 20 Millionen Mark . Da dieses Geschäft angeblich kein Freundschaftsdienst für den Siemens-Konzern war, müsste sich das Hochhaus leicht für 10 Millionen Mark wieder verkaufen lassen. Der jetzt geplante Umbau und das damit verbundene Behördenkarussell sind unsinnig. Das Geld wäre in dezentralen Bürgerämtern weitaus sinnvoller ausgegeben."
Anhang 1: Liste der künftigen Bürgerämter
Anhang 2: Auszug aus der Senatsbroschüre über das Expo 2000-Projekt zeiten:der:stadt