Humaner Strafvollzug zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Humaner Strafvollzug zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Vertreter der grünen Bürgerschaftsfraktion besuchten die Jugendvollzugsanstalt Blockland, um sich vor Ort über die Situation zu informieren. Anlaß waren Beschwerden jugendlicher Häftlinge über "unzumutbare Zustände". Gerhild Engels, justizpolitische Sprecherin der grünen Bürgerschaftsfraktion, die grüne Bürgerschaftsabgeordnete Karoline Linnert und Fraktionssprecher Dieter Mützelburg führten Gespräche mit der Anstaltsleitung, Vertretern des Anstaltsbeirats und Häftlingen. Fazit der Politiker: "Die Situation in der Jugendvollzugsanstalt muß dringend verbessert werden. Neueinstellungen sind unerläßlich sowie Verbesserungen beim Schulangebot. An den Beschwerden der Häftlinge ist was dran, auch wenn sie im Einzelfall überzogen formuliert waren. Das Justizressort macht es sich zu einfach, wenn es die Vorwürfe einfach abbügelt."
Für die Resozialisierung der Häftlinge sind schulische Angebote besonders wichtig. Deshalb müssen alle Jugendlichen die Chance bekommen, einen Haupt- oder Realschulabschluß in der Haft zu machen oder vorzubereiten. Gerhild Engels kritisiert nach Gesprächen mit Inhaftierten, daß nicht alle Interessierten einen Schulplatz bekommen. "Das Schulangebot muß so flexibel aufgebaut werden, daß alle Interessierten teilnehmen können." Sie bezeichnete es als unverantwortlich, daß einige Jugendliche ihr bereits in Niedersachsen begonnenes Berufsgrundbildungsjahr durch die Verlegung nach Bremen abbrechen mußten: "So etwas darf nicht vorkommen. Wenn das spezielle niedersächsische Bildungsangebot in Bremen nicht angeboten werden kann, dürfen keine Jugendlichen, die davon betroffen sind, ins Blockland verlegt werden. Das Justizressort muß schnellstens eine entsprechende Vereinbarung mit den niedersächsischen Kollegen treffen. Die Chancen auf einen Neuanfang nach der Entlassung sind sonst erheblich verschlechtert. Die Jugendlichen werden demotiviert und ihnen wird signalisiert, daß ihre schulische Ausbildung den Behörden egal ist." Die Grünen erwarten, daß die entsprechende Vereinbarung zwischen Bremen und Niedersachsen erweitert wird.
Bei einem Rundgang durch die JVA wurde deutlich, daß Teile der Anstalt in einem katastrophalen Zustand sind. Karoline Linnert geht davon aus, daß die aktuellen Renovierungsarbeiten die meisten Mängel beheben werden. "Es ist ein Skandal, daß so lange mit dem Umbau gewartet wurde. Immer wieder hat sich Schimmelpilz im Duschbereich gebildet." Generell setzen sich die Grünen dafür ein, daß die Anstalt kleinere Reparaturen selbst anordnen kann. "Zur Zeit muß ein langwieriger bürokratischer Apparat in Gang gesetzt werden, um beispielsweise eine kaputte Scheibe zu ersetzen. Es ist nicht einzusehen, warum dazu 'JUDIT' (Eigenbetrieb Justiz-Dienstleistungen) eingeschaltet werden muß. Den Gerichten wurde bereits gestattet, Reparaturaufträge selbst in die Hand zu nehmen, Häftlinge haben eben keine so gute Lobby wie Richter", kritisiert die grüne Bürgerschaftsabgeordnete.
Das von den Grünen geforderte anstaltseigene Budget soll auch die Personalkosten umfassen. Dieter Mützelburg zu den Vorteilen: "Häufig verzögern sich Neueinstellungen. Das dadurch eingesparte Geld kommt nicht der Anstalt zugute, es verschwindet auf Nimmerwiedersehen in der Kasse des Justizressorts. Bei einem eigenen Budget könnte die ASnstaltsleitung beispielsweise mit dem Geld Honorarkräfte bezahlen. Eine Zusammenarbeit mit der Uni bietet sich an, um beispielsweise mehr Sportangebote in der Freizeit zu machen."
"Der Jugendliche wird während der Nacht allein in einem Arrestraum untergebracht (...) Während des Tages soll der Jugendliche bei der Arbeit und bei gemeinschaftlichen Veranstaltungen mit anderen Jugendlichen zusammengebracht werden, sofern Aufsicht gewährleistet ist und erzieherische Gründe nicht entgegenstehen."
§ 6 Jugendarrestvollzugsordnung
Diesem Anspruch wird der Anstaltsalltag viel zu häufig nicht gerecht. Am Wochenende gilt für die Jugendlichen häufig Einzelhaft: Zwischen 11 und 15 Uhr bleiben die Zellentüren geschlossen, manchmal länger. In einigen Bereichen sind dienstags und donnerstags zusätzliche "Ruhetage" eingeführt worden. Ganze 1,5 Stunden bleiben den Häftlingen nach der Arbeit, um sich etwas zu kochen, zu waschen, zu klönen oder zu telefonieren. Kommentar von Gerhild Engels: "Dazu muß man wissen, daß sich 25 Häftlinge zwei Kochplatten teilen und ein Telefon. Der Streß ist vorprogrammiert. Die sogenannten Verschlußzeiten sind zu lang." Die Grünen fordern deshalb Neueinstellungen beim Wachpersonal und veränderte Dienstpläne. Sie begrüßen ausdrücklich, daß die Anstaltsleiterin über neue Dienstpläne verhandelt. "Es geht nicht darum, den Knast in ein Hotel umzuwandeln, sondern den humanen Strafvollzug zu verwirklichen."