Dezemberfieber in der Kulturpolitik
Dezemberfieber in der Kulturpolitik
Der McKinsey-Virus hat in der Bremer Kulturpolitik eine spezielle Form von Dezemberfieber ausgelöst. Vor dem Jahreswechsel sollen unbedingt noch das Focke- und das Übersee-Museum in Stiftungen sowie Musikschule, VHS und Stadtbibliothek in Eigenbetriebe umgewandelt werden. Karin Krusche, kulturpolitische Sprecherin der grünen Bürgerschaftsfraktion, hält die entsprechenden Vorlagen zur Bürgerschaftssitzung in der kommenden Woche für unausgegoren: "Die Grünen halten neue Organisationsformen durchaus für sinnvoll. Die zur Abstimmung gestellten Senatsvorlagen sind aber nicht entscheidungsfähig. Die Gesetzentwürfe sind mit heißer Nadel gestrickt. Zahlreiche grundlegende Fragen sind ungeklärt. Statt jetzt Gesetze mit nichtssagenden Gummiparagraphen zu verabschieden, sollte die Entscheidung über die neuen Organisationsstrukturen vertagt werden. Die betroffenen Kulturinstitutionen sollten erst dann in neue Strukturen überführt werden, wenn klare Vorgaben über die künftige Führungsstruktur sowie die Finanzgrundlage bestehen. Ohne diese Grundvoraussetzungen für die nötige Planungssicherheit droht ein Fehlstart. Angesichts zahlreicher offener Fragen werden die Grünen in der Sitzung der Kulturdeputation am Freitag beantragen, die Entscheidungen über die entsprechenden Senatsvorlagen in der Bürgerschaft auszusetzen."
Karin Krusche betont, daß bei allen anstehenden Neuregelungen der öffentliche Gestaltungsauftrag erhalten bleiben müsse. "Die Politik darf sich nicht aus ihrer Verantwortung verabschieden. Natürlich sollen die Kulturinstitutionen weitgehend autonom Entscheidungen treffen können. Politische Vorgaben und Kontrolle werden dadurch aber nicht obsolet. Die Grünen wollen deshalb auch die Zahl der Mitglieder in den geplanten Eigenbetriebsausschüssen erhöhen. Es muß sichergestellt sein, daß alle Bürgerschaftsfraktionen einen Vertreter in die Ausschüsse entsenden können. Das ist bei der Konstruktion der großen Koalition nicht gewährleistet."
Mit heißer Nadel gestrickt sind unter anderem die Regelungen über das künftige Stiftungsvermögen von Focke- und Übersee-Museum. Offen ist, über welches Kapital die Institutionen künftig verfügen. "Nach dem aktuellen Beratungsstand beschränkt sich der Stiftungsbesitz auf die Büroeinrichtung." Kritisch sehen die Grünen außerdem die geplante Leitungsstruktur mit einer Doppelspitze für die neuen Stiftungen. Den Direktoren soll ein gleichberechtigter kaufmännischer Geschäftsführer zur Seite gestellt werden. Kommentar von Karin Krusche: "Die Kultureinrichtungen sind keine normalen Firmen, die ausschließlich nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu führen sind. Selbstverständlich muß verantwortungsbewußt mit den Finanzmitteln umgegangen werden - der Ökonomisierung von Kunst sind aber Grenzen gesetzt."
Die Parlamentarierin verweist auf die Hamburger Stiftungsdebatte, die aufzeigt, wie kompliziert die Einführung neuer Strukturformen im Kultursektor ist. "Dort wird versucht, vor der Umstrukturierung die damit verbundenen Probleme zu lösen. Statt um jeden Preis schnelle Entschlüsse herbeizuführen, sollte die große Koalition die sich abzeichnenden Probleme vorher klären und Anregungen der Institutionen ernstnehmen, statt Entscheidungen übers Knie zu brechen."