Klimaschutz und Energiewende | Soziales und Jugendpolitik
Sozialverträglicher Klimaschutz – armutsgefährdete Menschen entlasten
Die Klimakrise hat dramatische Auswirkungen für das Leben von Milliarden Menschen auf diesem Planeten. Das gilt nicht nur global, sondern auch innerhalb Deutschlands, wie die Hitzewellen und Flutereignisse der vergangenen Jahre gezeigt haben. Aber die Klimakrise ist nicht gerecht: Während sie vor allem von Wohlhabenden verursacht ist, sind besonders die Ärmsten am stärksten von ihren Folgen betroffen. Eine sozialverträgliche Klimaschutzpolitik muss dazu beitragen, dieses Ungleichgewicht zu verringern.
Neben den Auswirkungen des Klimawandels selbst wird auch die Transformation der nächsten zwei Jahrzehnte hin zur Klimaneutralität unser Leben wesentlich beeinflussen. Wir müssen dabei darauf achten, dass die ökonomisch Schwächsten unserer Gesellschaft nicht besonders hart durch die Veränderungen getroffen werden. Essenziell für unsere gemeinsame Zukunft und den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist es daher, Klimaschutz auch als eine Frage der sozialen Gerechtigkeit zu begreifen und durch entsprechende Maßnahmen zu flankieren.
Mit dem zweiten Entlastungspaket der Bundesregierung im Zuge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine hat die Ampel wichtige Maßnahmen ergriffen, die auch für einen sozialverträglichen Klimaschutz wichtig sind. Diese gilt es um weitere Maßnahmen wie ein Energiegeld zu ergänzen und, insbesondere zur Begleitung der geplanten Klimaschutzmaßnahmen in Bremen, um kommunale und landespolitische Maßnahmen zu ergänzen.
Stark steigende Energiepreise – akute Krisenbewältigung gegen Energiearmut
Die stark volatilen Energiepreise dieses Winters, nun noch einmal verschärft durch die Ukraine-Krise, stellen besonders Menschen an und unter der Armutsgefährdungsgrenze akut vor existenzielle Probleme. Die zwei Entlastungspakete, mit denen die Bundesregierung darauf bereits reagiert hat, umfassen sowohl Zahlungen an Transferleistungsempfänger*innen, Unterstützungen für (armutsgefährdete) Familien als auch Entlastungen bei der Mobilität, u. a. für Arbeitnehmer*innen. Ziel der Bundesregierung ist es, Menschen mit wenig Geld deutlich zu entlasten und damit die Steigerung der monatlichen Lebenshaltungskosten abzufedern.
Auf Landesebene hat Bremen zusätzlich auf unsere Initiative die Energieberatung in armutsgefährdeten Quartieren deutlich ausgeweitet. So stehen seit 2022 zusätzliche 80.000 EUR p. a. für die Ausweitung der dezentralen Energieberatung der Verbraucherzentrale in Bremen und Bremerhaven zur Verfügung, mit deren Hilfe Bürger*innen direkt in ihren Wohnungen über den Verbrauch informiert werden können. Mit der Beratung wird geklärt, ob und wie genau Strom-, Wasser- und Heizkosten noch verringert werden können. Darüber hinaus hat Bremen in dieser Legislaturperiode neben den etablierten Angeboten „Zappenduster“ und dem „Runden Tisch Energiesperren“ zusätzlich einen „Härtefallfonds Energiesperren“ eingeführt, der im Notfall die Zahlung einzelner Rechnungen übernimmt und damit Energiesperren abwendet.
Werden fossile Energieträger teurer, ist zudem die klimafreundlichste Lösung, saubere Alternativen auszubauen und günstiger zu machen. Im Haushalt für 2022/2023 sind daher Förderprogramme für Wärmepumpen und Solarenergie eingestellt. Diese sichern dauerhaft bezahlbare Preise für Strom und Heizen.
Die hohen Energiepreise belasten einkommensschwache Haushalte im Energie- und Wohnbereich besonders stark
Eine entscheidende Rolle spielt aktuell der russische Angriffskrieg in der Ukraine, zukünftig aber auch der steigende CO2-Preis. Dadurch steigen die Energiekosten und damit die Kosten für die Grundversorgung der meisten Menschen, die nicht so schnell ihr Leben klimaneutral ausrichten können – beispielsweise durch einen Umzug in eine besser sanierte Wohnung oder einen Austausch der Heizungsanlage. Fakt ist, dass hohe Strom- und Heizkosten immer die Menschen am härtesten treffen, die bereits jetzt am wenigsten haben. Sie geben prozentual einen deutlich höheren Anteil ihres Gehaltes für Wohn- und Energiekosten aus, obwohl sie insgesamt durch geringe Wohnflächen weniger Energie im Haushalt verbrauchen als Wohlhabende. Der CO2-Preis auf Heizenergie belastet die 10 Prozent mit dem niedrigsten Einkommen in Deutschland fast doppelt so sehr wie die Durchschnitts-Bürger*innen. Gleichzeitig sind die Kosten für Gebäudesanierung, energieeffiziente Haushaltsgeräte und neue klimafreundliche Heizungsanlagen für finanzschwache Haushalte im Verhältnis zu ihrem Einkommen deutlich höher.
Die Einmal-Zahlungen im Entlastungspaket als Vorlage für eine Klimaprämie nutzen
Eine sozial gerechte Verteilung von ambitionierten Klimaschutzmaßnahmen ist am einfachsten auf Bundesebene möglich. Mittelfristig wäre die gerechteste und effektivste Lösung, die Einnahmen aus dem CO2-Preis wieder an die Bevölkerung zurückzugeben. Ein monatliches Klimageld für alle Haushalte, also auch für Rentner*innen und Studierende, schafft eine gerechte Umverteilung der Lasten. Denn ein Haushalt mit niedrigem Einkommen, der prozentual weniger Energie verbraucht, würde mehr Geld durch die Klimaprämie ausbezahlt bekommen, als er an CO2-Preis vorher eingezahlt hat. Gleichzeitig bleibt der Anreiz der CO2-Bepreisung bestehen, auf erneuerbare Energien umzusteigen oder Energie einzusparen. Auf Ebene eines Bundeslandes ist eine solche Regelung leider steuerrechtlich nicht möglich. Hier ist daher der Bund gefragt, ein funktionierendes System zu entwickeln und so schnell wie möglich umzusetzen. Die aktuellen Einmal-Zahlungen im Entlastungspaket sind eine gute Basis.
Was kann Bremen tun?
In den nächsten Jahren werden im Land Bremen weitere Veränderungen auf uns zukommen. Die Ergebnisse der Klima-Enquetekommission weisen den Weg, wie Bremen und Bremerhaven bis 2038 klimaneutral werden können. Zahlreiche Maßnahmen im Energie- und Gebäudesektor liegen auf dem Tisch – von der Wohngebäudesanierung bis hin zum Ausbau der regenerativen Energien. Eine breite gesellschaftliche Unterstützung ist dafür vorhanden, geht es doch um eine gemeinsame Kraftanstrengung, auch im Hinblick auf die nächsten Generationen.
Neben der konkreten Umsetzung der Enquete-Vorschläge steht auch die Frage der Finanzierung im Mittelpunkt der weiteren Planungen. Die erheblichen Investitionen in den Klimaschutz müssen sowohl aus öffentlichen Kassen als auch durch private Investitionen geleistet werden. Unser Ziel ist es dabei, starke Schultern deutlich mehr tragen zu lassen als schwache. Doch Fragen der Steuergerechtigkeit, hoher CO2-Preise und deren Umverteilung als Energiegeld oder Klimaprämie werden auf Bundesebene beantwortet.
Da wir im Land Bremen allerdings nicht auf Lösungen der Bundesebene warten können, gilt es, mit eigenen Mitteln besonders die am meisten gefährdete Gruppe der Leistungsempfänger*innen und Schuldner*innenzuschützen. Das Land Bremen hat hier mit einer Schuldner*innenquote von ca. 14 Prozent und einer Auszahlung von Transferleistungen an 17,3 Prozent der Bevölkerung eine hohe Verantwortung.
Es braucht daher weiterer Stellschrauben, um zukünftig einerseits den Klimaschutz voranzubringen, andererseits die Kosten der Klimaschutzmaßnahmen für die einkommensschwächsten Haushalte gezielt abzufedern. Für einen sozialverträglichen Klimaschutz, der beide Bedingungen berücksichtigt, braucht es eine bessere Verzahnung von bestehenden Angeboten – und zwar über die sonst üblichen Zuständigkeitsgrenzen hinaus. Ein besonderes Augenmerk legen wir auf die besonderen Härten, die sich für Leistungsempfänger*innen und Schuldner*innen im Wohn- und Energiebereich ergeben.
Wir Grünen fordern daher:
Umsetzung und Weiterentwicklung der Enquete-Maßnahmenvorschläge:
Bremen soll einen „Klimabonus“ bei den Unterkunftskosten für Transferleistungsempfänger*innen einführen. Damit sollen die Bemessungsgrundlage für die Kosten der Unterkunft erhöht werden, wenn eine energetische Gebäudesanierung vorliegt bzw. der Energieausweis für Wohngebäude einen entsprechenden energetischen Standard nachweist. So kann abgesichert werden, dass auch Transferleistungsempfänger*innen in gut gedämmten Wohnungen leben können, in denen die Energiekosten zwar deutlich geringer, die Kaltmieten aber meist höher sind. Außerdem soll die Pauschale für Strom bei den Kosten der Unterkunft bei elektrischer Heißwasserbereitung an den tatsächlichen Bedarf angepasst werden. Der Bremer Senat sowie die Deputation für Soziales sollen bis Dezember 2022 entsprechende Beschlüsse fassen. Für eine entsprechende Anpassung des Wohngelds soll der Bremer Senat zudem eine Bundesratsinitiative starten.
Gemeinsam mit der Bremer Aufbaubank soll ein Kreditprogrammfür ältere, bedürftige Gebäudeeigentümer*innen über die gesamte Lebenszeit erarbeitet werden. Gerade Senior*innen stehen häufig vor der Situation, zwar eine Wohnung oder ein Gebäude zu besitzen, allerdings kein großes Einkommen zu haben und aufgrund ihres Alters keinen Kredit mehr zu bekommen, um eine Gebäudesanierung zu bezahlen. Senior*innen sollten einen Kredit für Sanierungen auf mindestens BEG-55-Standard und PV-Anlagen abschließen können, der auf Lebenszeit für sie tilgungs- und zinsfrei bleibt. Nach dem Ableben setzt die Tilgungs- und Zinszahlungsverpflichtung für die Erb*innen ein oder der Kredit wird durch den Verkauf des Gebäudes zurückgezahlt. Auchfür Menschen mit geringem Einkommen könnte ein ähnliches Programm greifen, das eine Rück- und Zinszahlung erst erforderlich macht, wenn das Einkommen über die Pfändungsfreigrenze steigt. Der Senat soll hierfür einen Vorschlag ausarbeiten.
Ein Austausch- und Erstausstattungs-Förderprogramm für Kühlgeräte soll auf Landesebene eingerichtet werden, um auch Haushalten, denen es nicht ohne weiteres möglich ist, energieeffizientere Geräte anzuschaffen, ermöglicht wird, Energie einzusparen und finanziell entlastet zu werden. Das Bundesförderprogramm für Kühl- und Gefrierschränke für finanzschwache Haushalte soll so aufgestockt und erweitert werden. Es sollen zusätzliche Zuschüsse für Kühl- und Gefriergeräte bzw. -kombinationen von bis zu 200 Euro an Transferleitungsempfänger*innen, Wohngeldempfänger*innen und Menschen mit einem Einkommen unterhalb der Pfändungsfreigrenze bereitgestellt werden, um Geräte der höchsten beiden momentan auf dem Markt verfügbaren Energieeffizienzklassen beschaffen zu können.
Weitere Maßnahmen:
Das Land Bremen muss weiterhin ausreichend Mittel für die Unterstützung von Betroffenen von Energiesperren bereitstellen und das erfolgreiche Projekt Runder Tisch Energiesperren unterstützen sowie die Kampagne „Zappenduster“ im Verbund weiterführen. Darüber hinaus braucht es eine Analyse, in welchen Fällen der „Härtefallfonds Energiesperren“ in Anspruch genommen werden konnte und in welchen Fällen nicht. Mögliche Hinderungsgründe müssen in die Überarbeitung der Richtlinie einfließen.
Haushalte mit geringem Einkommen haben schon heute vergleichsweise geringe Energieverbräuche. Da sich trotzdem noch in den meisten Haushalten Einsparpotenziale finden, können Energieberatungen Möglichkeiten zur finanziellen Entlastung aufzeigen. Dafür schlagen wir folgende Maßnahmen vor:
Die Angebotsvielfalt anaufsuchenden Energieeinsparberatungen für Privathaushalte muss im Hinblickauf eine bessere Verzahnung überprüft werden. Das Bundesprogramm Stromspar-Check, die Energiesparangebote der Wohnungsbaugesellschaften als auch die Energieberatungen der Verbraucherzentrale leisten unmittelbar einen wichtigen Beitrag in den Bremer und Bremerhavener Quartieren mit besonderer Armutsgefährdung. Die niedrigschwellige und kostenlose Beratung für Mieter*innen ermöglicht Energiespartipps sofort in die Praxis umzusetzen. Dennoch ist zu prüfen, wie eine gemeinsame Beratungsstruktur für alle Mieter*innen etabliert werden kann und gleichzeitig die Bundesprogramme optimal genutzt werden können. So könnte der Kreis der zu Beratenden sowie der aufzusuchenden Quartiere zusätzlich ausgeweitet werden. Welcher Voraussetzungen es für ein „Nachsorge-Gespräch“ nach ca. einem Jahr bedarf, um die Nachhaltigkeit der Maßnahmen nachvollziehen und fördern zu können, soll ebenfalls geklärt werden.
Die Berater*innen der Verbraucherzentrale sollen zukünftig wie bereits die Berater*innen des Stromspar-Check mit sogenannten „Energiesparartikeln” für den Klimaschutz ausgestattet werden. Die Artikel wie LED-Leuchten, Kühlschrankthermometer, Steckerleisten, Wasserspararmaturen oder Thermohydrometer sind schnell eingebaut und ermöglichen eine unmittelbare Kontrolle und Einsparung der Energiekosten.
Einkommensschwache Personen sind nicht alle Teil von staatlichen Leistungssystemen und können daher nicht immer identifiziert und individuell angesprochen werden, aber auch Leistungsempfänger*innen werden bisher nicht systematisch konkret mit einer Beratung angesprochen. Das Angebot an Energieberatungen zum Energiesparen, für PV-Anlagen und Mieterstrom-Anlagen muss daher ausgeweitet werden, sodass es so viele Menschen wie möglich in Anspruch nehmen können. Es sollte so niedrigschwellig wie möglichund kurzfristig buchbar sein. Außerdem sollten die Energieberatungen besonders in armutsgefährdeten Quartieren präsent sein und mehrsprachig und in einfacher Sprache angeboten werden. Hierfür ist die Zusammenarbeit mit den Akteur*innen aus den Quartieren zu verstärken.
Die Anforderungen an die soziale Wohnraumförderung sollen so angepasst werden, dass Sanierungen mindestens auf BEG-55-Standard erfolgen müssen.
Klimaschutz ist Querschnittsaufgabe in allen Bereichen der Städtebauförderung. Im Förderprogramm der Städtebauförderung von Bund und Land Bremen, das unter anderem den Umbau und die Sanierung von armutsgefährdeten Stadtteilen unterstützt, sind Klimaschutz und Klimaanpassung bei allen Projekten seit 2021 ein Bestandteil. Nach dem Vorbild Hessens sollte daher ein Kontingent der Fördermittel für Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen gesichert werden. So werden Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen und soziale Städtebauförderung, die besonders Stadtteilen mit einem hohen Anteil an Leistungsempfänger*innen zugutekommen, zusammengedacht. Beispiele könnten die Umgestaltung von Plätzen und Straßen sein, Klimaschutz-Bildungsangebote oder Modernisierung von Gebäuden.
Ein Weiterqualifizierungsprogramm soll aufgelegt werden für alle Menschen, die in den Branchen arbeiten wollen, die wir für die Transformation im Gebäudebereich brauchen: z. B. Handwerker*innen, Bauzeichner*innen oder Ingenieur*innen. Dies umfasst Angebote für Menschen, die aufgrund der ökologischen Transformation von Arbeitslosigkeit bedroht sind, Arbeitslose, Arbeitssuchende und Geflüchtete.
Noch ist nicht im Einzelnen geklärt, wo es und in welcher Höhe es zu Mehrbelastungen der öffentlichen Haushalte kommt. Gewisse Mehrausgaben sind für einen sozialverträglichen Klimaschutz aus heutiger Sicht allerdings unvermeidbar. Dazu müssen Umpriorisierungen in den entsprechenden Haushalten vorgenommen werden. Der sozialverträgliche Umbau des privaten Gebäudesektors und der öffentlichen Gebäude zur Klimaneutralität zählt außerdem zu den zentralen Herausforderungen der Klimafinanzierung. Wir werden uns dafür einsetzen, entsprechende Ausnahmen von der Schuldenbremse im Rahmen einer außergewöhnlichen Notsituation für Klimaschutzinvestitionen zu ermöglichen.
Bremen, den 17. Mai 2022