Verkehr
Positionspapier zum Projekt ‚Große Allee‘
Ausgangssituation
Der Straßenzug Langemarckstraße ist eine bedeutende und geschichtsreiche Verbindung zwischen der Neustadt und der Innenstadt. Mit dem Zugang zu einer der zentralen Weserbrücken ist die Langemarckstraße auch eine Visitenkarte zur Innenstadt. Die Straße hat mehrere, sehr unterschiedlich gestaltete Abschnitte. Der sehr stadtbildprägende Baumbestand endet in Höhe Große Annenstraße mit einer Ergänzung in Höhe des früheren Grünenkamp. Das Bindeglied zwischen Westerstraße und Weserbrücken ähnelt derzeit eher einer Zufahrt in eine Industrieanlage als einer Passage in die Altstadt einer deutschen Großstadt. Zwischen Grünenstraße und Am Deich ist der Straßenverlauf von Gebäudekante zu Gebäudekante versiegelt, es gibt keinerlei Grün – dafür vier Autofahrspuren, von denen zwei jeweils nur als Abbiege- bzw. als Aufstellspur dienen und in weiten Bereichen verkehrlich nicht notwendig sind.
Die Zahlen für den durchschnittlichen täglichen Verkehr sind im Bereich Langemarckstraße/Bürgermeister-Smidt-Brücke mit 11.000 vergleichsweise niedrig. Zum Vergleich: Auf der Wilhelm-Kaisen-Brücke sind es 23.500, in der Martinistraße 24.500. Auch diese Größenordnungen reichen schon oft für eine einspurige Führung pro Richtung. Der Bereich Langemarckstraße/Bürgermeister-Smidt-Brücke ist also von der vorhandenen Verkehrsmenge erheblich überdimensioniert. Er zählt zu den Straßenzügen mit der größten Trennwirkung in Bremen. Im mittleren Finanzierungsgrad des Verkehrsentwicklungsplans hätte dieser Straßenzug eigentlich bis 2019 umgebaut werden müssen. Für die Attraktivierung der Innenstadt ist eine Aufwertung dieses Zugangsbereiches von der Neustadt, Huchting, Woltmershausen dringend notwendig.
Die Hochschule Bremen mit ihren rund 9.000 Studierenden liegt mitten im Fahrradmodellquartier (FMQ) Alte Neustadt an der Langemarckstraße. Sie hat sich sehr um die Realisierung des FMQ verdient gemacht und gilt als fahrradaffin mit einem klaren Klimaprofil. Sie hat verschiedene Standorte u. a. auch zwei Etagen am Brill. Die Hochschule Bremen ist heute integraler Bestandteil der Innenstadt und Treiberin städtischer Entwicklung in der Neustadt. Die Anbindung der Hochschule zum Brill zu Fuß und mit dem Fahrrad ist problematisch und unattraktiv. Das gesamte Quartier mit der Hochschule und ihrem Campus Neustadt als Mittelpunkt befindet sich im Wandel. Auf dem Mondelez-Gelände (Weserhöfe) – das als autoarmes Quartier konzipiert wird – und auf dem Hachez-Gelände stehen große Veränderungen an. Auch die geplante Stadtstrecke an der Weser verläuft genau durch diesen Bereich. Dort sind nahe der Bürgermeister-Smidt-Brücke sogenannte Balkone in die Weser geplant, die gut mit diesem Projekt verbunden werden sollten. Die neue Wallringverbindung wird in unmittelbarer Nähe verlaufen. Es ist eine große Chance, das Projekt Große Allee darin planerisch zu integrieren. Die zentrale Verkehrsachse verläuft von der Hochschule über die Langemarckstraße, die ab dem Knoten Westerstraße als Bürgermeister-Smidt-Straße weitergeführt wird. Sie ist fast durchgängig vierspurig geführt. Nur der Bereich von Westerstraße bis Neustadtswallanlagen wird einspurig geführt. Dort befindet sich aber ein Parkstreifen mit Fahrbahnbreite.
Eine spätere an diese Planungen anschließende Umgestaltung der Bürgermeister-Smidt-Straße vom Brill bis zum Hauptbahnhof ist planerisch naheliegend und sollte im Rahmen des Konzepts für die autofreie Innenstadt stimmig realisiert werden.
Es gibt Querungen für Fußgänger*innen im Bereich der kürzlich eingerichteten Ampelanlagen an der Bürgermeister-Smidt-Brücke sowie im Bereich der Haltestelle stadtauswärts nach dem Knoten Westerstraße. Diese Ampeln wurden nach einem Unfall mit zwei Toten aus Verkehrssicherheitsgründen eingerichtet. Weiterhin wird in dem überdimensionierten Verkehrsraum zu schnell gefahren. Ein Rückbau ist auch aus Verkehrssicherheitsgründen geboten. Zur Unterstützung der Verkehrssicherheit und zur Einhaltung der Lärmgrenzwerte beim Bauprojekt Weserhöfe ist die rechtssichere Einführung von Tempo 30 im Bereich zwischen Westerstraße bis Schlachte zu prüfen und gegebenenfalls einzurichten.
Zwischen den ÖPNV-Haltestellen „Westerstraße“ (stadtauswärts) und „Hochschule Bremen“ ist eine Überplanung wichtig, weil dort z.B. morgens Hunderte aus- und einsteigen, für sie nicht einmal genug Platz auf den Verkehrsinseln vorhanden ist. Aus Verkehrssicherheitssicht ist es problematisch und zudem unkomfortabel, weil viele Personen dann in Gruppen quer über alle Fahrstreifen zur Hochschule laufen. Mehr Querungsmöglichkeiten und Straßenbäume auf der Haltestelle wie an der Haltestelle „Am Wall“ sollten im weiteren Planungsverlauf geprüft werden.
Die Haltestelle Richtung Neustadt könnte vor die Kreuzung parallel zur Haltestelle Richtung Hauptbahnhof gelegt und eine der 3 Fahrspuren dafür genutzt werden. Damit wären beide Richtungen von der Grünenstraße aus hervorragend erreichbar und das neue Quartier mit kurzen Wegen zum ÖPNV in beide Richtungen erschlossen. Anstatt der alten Haltestelleninsel würde auch hier zusätzlich Patz für den Fuß- und Radverkehr gewonnen. In der Konsequenz müsste eine Haltestelle in der Westerstraße gegenüber der Haltestelle Richtung Domsheide für die Linie 8 Richtung Huchting gebaut werden, an der auch die Linie 24 Richtung Rablinghausen halten würde. Dies wäre durch Auflassung der Linksabbiegespur machbar. Die Haltestellenabstände zum Brill, zu Neuem Markt und zur Hochschule wären ausgeglichener, der lange Abstand zum Brill auf 550 m verkürzt.
Im Verkehrsentwicklungsplan 2025, der einstimmig beschlossen wurde, heißt es dazu unter Maßnahme F. 16/F. 17 Umnutzung Langemarckstraße, Umnutzung der Bürgermeister Smidt Brücke:
F. 16: „Die Langemarckstraße bietet zwischen der Bürgermeister-Smidt-Brücke und den Neustadtswallanlagen Potenzial für eine komfortable, fahrbahnbezogene Radverkehrsführung. Damit wäre mehr Platz für Fußgänger in den Nebenanlagen möglich.“ F. 17: „Die Bürgermeister-Smidt-Brücke bietet Potenzial für eine komfortable, fahrbahnbezogene Radverkehrsführung. Damit wäre mehr Platz für Fußgänger/innen in den Seitenräumen. Die am Status-quo ausgerichtete MIV-Erreichbarkeit bleibt erhalten.“ Der Beirat Neustadt hatte sich in einem Beschluss ebenfalls für den Rückbau mit Unterordnung des Autoverkehrs zu einer „Umweltverbundstraße“ ausgesprochen.
Der gesamte Bereich verfügt – abgesehen vom Abschnitt zwischen Neustadtswallanlagen und Westerstraße – über relativ wenige Bäume und besitzt kaum Aufenthaltsqualität. Das war nicht immer so.
In Bremen haben Brücken fast ausschließlich eine dem Verkehr dienende Funktion. Wenn auf der Bürgermeister-Smidt-Brücke ein sehr breiter Gehbereich entstünde, ergäben sich über den Verkehr hinausgehende Potenziale. Von hier bietet sich einer der schönsten Blicke auf die Weserseite (Schlachte) der Bremer Altstadt als auch die Teerhofinsel sowie weserabwärts mit dem Stephaniviertel. Das sind dann nicht nur Bänke, die aufgestellt werden könnten. Zum Beispiel wäre eine gastronomische Nutzung auf der Brücke zumindest im Anschluss an die Schlachte eine attraktive Möglichkeit, die dann neben anderen Ideen geprüft werden könnte.
Die Langemarckstraße ist eine der drei zentralen Straßen in Nord-Süd-Richtung in der Bremer Neustadt. Sie führt vom Stadtzentrum über die Bürgermeister-Smidt-Brücke vorbei am Teerhof und Kleine Weser bis zur Neuenlander Straße. Sie wurde anlässlich der Langemarck-Feiern am 11. November 1937 von Großer und Kleiner Allee (Bereich zwischen Neustadtswallanlagen und Brücke) sowie Meterstraße in Langemarckstraße umbenannt. Der Mythos der Schlacht von Langemarck im 1. Weltkrieg wurde von den Nationalsozialisten stark propagandistisch genutzt. Deswegen wurde die Namensgebung immer wieder kritisiert. Eine Rückbenennung des Stückes vom Neustadtwall bis Bürgermeister-Smidt-Brücke in Große Allee sollte diskutiert werden. Straßenbenennungen sind in Bremen ein Entscheidungsrecht des Beirates und hier des Beirates Neustadt.
Projektplanung, Finanzierung
Das Projekt hätte als kombiniertes Fahrrad-, Begrünungs- und Rückbauvorhaben sowie der Attraktivierung der Brücke im Anschluss an die Projekte Wallring und Fahrradmodellquartier gute Chancen auf eine Bundesförderung mit dann erhöhter Förderquote. Wir haben zu wenig fertige Planungen. Es ist bedeutsam, solche fertigen Planungen vorbereitet zu haben, um Bundesförderungen wie zum Beispiel das von 2020 bis 2023 laufende Förderprogramm „Klimaschutz durch Radverkehr“ zu erlangen. Dafür bedarf es Planungsmittel. Ein Charme dieses Projektes ist es, dass die Hochschule Bremen Interesse haben dürfte, sich bei diesen Planungen einzubringen.
Planungsziele
- Aufwertung der Verbindung zwischen Neustadt und Innenstadt
- Stärkung der Nahmobilität v.a. Fuß- und Radverkehr
- Verbesserung der Verkehrssicherheit
- Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs (MIV) auf zwei Spuren
- Gelungene Verbindung mit den geförderten Projekten Wallring und Fahrradmodellquartier Alte Neustadt
- Fahrbahnbezogene Führung des Radverkehrs, Verbreiterung des Fußweges
- Alleecharakter herstellen, Sitzmöglichkeiten einschließlich der Brücke schaffen
- Verbindung mit den geplanten Bauvorhaben bzw. Umgestaltungen herstellen
- Die Neustadt besser an den Stadtteil Mitte anbinden
- Debatte um eine Umbenennung in Große Allee/Kleine Allee zwischen Neustadtwallanlagen bis Bürgermeister-Smidt-Brücke
- Untersuchung des ÖPNV zwischen am Brill und Hochschule Bremen, Neuplanung der Haltestelle Westerstraße
- Prüfung, ob eine zusätzliche Haltestelle, Höhe des Bauprojektes Weserhöfe sinnvoll wäre
- Aufenthaltsqualität auf der Bürgermeister-Smidt-Brücke herstellen, Gastronomie-Ansiedlung von der Schlachte auf die Brücke prüfen
- In Zusammenarbeit mit der Weserburg künstlerische Projekte entwickeln wie zum Beispiel einen jährlichen Skulpturenwettbewerb
- gegebenenfalls Verbindung mit anderen Infrastrukturvorhaben herstellen, die anstehen (Glasfaser, Kanäle)
- Temporeduzierung auf Tempo 30 sollte aus Lärmschutzgründen für das Projekt Weserhöfe sowie aus Verkehrssicherheitsgründen geprüft werden.
Mögliche Schritte
- Unterstützer für dieses Projektes gewinnen: Hochschule, ADFC, Architektenkammer, Beirat, Bauträger Weserhöfe, Klimawerkstatt, Lucie-Flechtmann-Platz,
- Mögliche Engstellen planerisch bearbeiten z. B. Knoten Westerstraße, Schlachtequerung
- Eine Herstellung einer Pop-Up-Bike Lane ganz oder in Teilbereichen wäre im Augenblick wegen einiger Engstellen nicht zielführend, sondern könnte in einer Werkstatt- und Ideenphase allerdings nötige Impulse geben.
- Anhand dessen eine breit angelegte Beteiligung unter maßgeblicher Einbeziehung der Hochschule, Bauträger, Beiräte für eine Umgestaltung durchführen.
- Dafür sollten Bundes-Projektmittel eingeworben werden. Wegen der Bundesförderung für das FMQ sowie den Wallring könnte dies bei guter Begründung sehr chancenreich sein. Die Förderquote für solche Projekte wird gerade um 10 Prozent erhöht.
- Dieses Projekt sollte in andere Projekte und Bauvorhaben sinnvoll integriert werden. Es ist jedoch zielführend, zumindest die Planung zeitnah anzustoßen, damit man Projektmittel abrufen kann. Veränderungen durch die geplante autofreie Innenstadt müssen berücksichtigt werden
Fazit
Die Neustadt kann ein bereichernder Teil der inneren Stadt sein. Nutzen wir die Dynamik der Umgestaltung des gesamten zentralen Bereiches in der Neustadt, um ein Stück einer verlorenen gegangenen stadträumlichen Qualität zurück zu gewinnen, die zentrale Verkehrsachse in ihrer trennenden Wirkung aufzuheben und ihr eine verbindende Funktion zu verleihen. Die Verbindung der Hochschule mit dem Stadtkern wird gestärkt und der Campusgedanke erweitert. Begreifen wir Brücken in Bremen nicht alleine als die Nadelöhre der Verkehrsinfrastruktur, sondern als ausgesprochen attraktive Orte zum Verweilen in unserer Stadt am Fluss.
Ansichten nach möglicher Neugestaltung
Die Ansichten nach einer möglichen Neugestaltung finden Sie hier im Positionspapier.
Bremen, den 28. August 2020