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Mehr Verkehrssicherheit rund um Kindergärten und Schulen
Steigende Unfallzahlen
Im Jahr 2014 sind in Bremen erstmalig wieder mehr Kinder Opfer von Verkehrsunfällen geworden: 254 Kinder verunglückten laut Verkehrsunfallstatistik im Bundesland.
Im gesamten Bundesgebiet wurden im vergangenen Jahr insgesamt rund 23.000 Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren bei Verkehrsunfällen verletzt. Laut Statistischem Bundesamt verunglückten 6- bis 14-jährige Kinder besonders häufig mit dem Fahrrad (40 Prozent aller Unfälle). Zudem kamen 31 Prozent in einem Pkw zu Schaden, 24 Prozent waren zu Fuß unterwegs. Besonders viele 6- bis 14-Jährige, die auf dem Fahrrad oder als FußgängerInnen unterwegs waren, verunglückten 2014 in den Zeiten, in denen sie sich normalerweise auf dem Weg zur Schule befinden. Gemessen an den Verunglückten des gesamten Tages wurden 16 Prozent der Kinder morgens zwischen 7 und 8 Uhr verletzt oder getötet.
Kinder besser schützen
Wir wollen, dass möglichst viele Kinder zu Fuß oder mit dem Rad zur Schule und in die Kindertageseinrichtungen kommen. Einerseits lernen Kinder durch Radfahren und zu Fuß gehen, sich im Straßenraum zu bewegen. Andererseits ist die Bewegung zu Fuß oder auf dem Fahrrad gut für die Gesundheit. Wir wollen Kinder im Straßenverkehr besser schützen und die Unfallzahlen senken. Dazu müssen die Schulwege und die Verkehrsräume vor den Schulen und Kindergärten sicherer werden.
Eine Befragung von Grundschulkindern aus der Stadt Essen (Limbourg u.a., 1997) zeigt, dass Kinder vor allem im Straßenverkehr eine besondere Gefahr sehen. Die von den Kindern am häufigsten genannten Gefahren waren zu schnell fahrende Autos, unvor-sichtig abbiegende Fahrzeuge, parkende Autos auf Geh- und Radwegen, Sichthindernisse, für Fußgänger ungünstige Ampelschaltungen und fehlende Überquerungshilfen. An diesen Punkten wollen wir ansetzen.
Um Kinder und Jugendliche besser zu schützen, fordern wir ein speziell auf Schulen und Kindertageseinrichtungen abgestimmtes Verkehrssicherheitskonzept, das die Forderungen und Maßnahmen des geplanten „Integrierten Verkehrssicherheitskonzepts Bremen“ berücksichtigt und ergänzt. Es soll eine Gesamtevaluation der Verkehrsräume vor Schulen und Kindergärten in Bremen erfolgen. Verkehrsräume mit einer hohen Gefahrenlage sollen dabei vorrangig behandelt werden. Wir fordern folgende Maßnahmen:
1. Tempo 30 als Regel einführen
Nicht angepasste Geschwindigkeit ist die häufigste Unfallursache. Wir wollen Tempo 30 auch für Hauptverkehrsstraßen als Regel vor Schulen und Kindergärten. Einen entsprechen¬den Antrag haben wir auf den Weg gebracht.
Tempo 30 senkt das Unfallrisiko aufgrund des verkürzten Anhalteweges deutlich. Bei 50 km/h beträgt der Anhalteweg fast 28 Meter. Bei Tempo 30 kommt ein Auto dagegen schon nach gut 13 Metern zum Stehen. Damit sinkt auch die Unfallschwere: Bei einem Zusammenprall eines Fußgängers mit einem Pkw sind die Überlebenschancen bei Tempo 30 wesentlich höher als bei Tempo 50. Bei Tempo 30 können Gefahren besser erkannt werden, weil der Blickwinkel breiter ist und Bewegungen am Fahrbahnrand besser wahrgenommen werden. Das Bundesverkehrsministerium plant derzeit auf Grundlage eines Vorstoßes der Verkehrsministerkonferenz, die Straßenverkehrsordnung zu ändern, um die Anordnungsvoraussetzungen für Tempo-30-Strecken vor Schulen und Kindergärten abzusenken. Bislang ist dafür ein Nachweis einer besonderen Gefahrenlage notwendig. Das soll sich ändern, um schwächere VerkehrsteilnehmerInnen besser schützen zu können. Diese rechtliche Neuerung wird in Zukunft dabei helfen, Tempo 30 um Schulen und Kindergärten zügig als Regel einzurichten.
2. Mehr Piktogramme verwenden
Wir wollen mit Piktogrammen die Verkehrssicherheit erhöhen.
Neben gut sichtbaren Verkehrszeichen müssen vor allem große Symbole von bestehen-den Verkehrszeichen als Fahrbahnmarkierungen (Piktogramme) eingesetzt werden, um auf die Gefahrensituation hinzuweisen. Die Farbmarkierungen können die gegenseitige Rücksichtnahme der VerkehrsteilnehmerInnen fördern. Sie machen Regeländerungen für alle sichtbar oder erinnern an bestehende Regeln, wie z. B. Geschwindigkeitsbegren-zungen.
3. Mehr Verkehrsberuhigung und Querungshilfen
Neben der Beschränkung auf Tempo 30 müssen weitere verkehrsberuhigende Maßnahmen für AutofahrerInnen erfolgen, die die Verhältnisse vor Ort berücksichtigen.
Geschwindigkeitsmesstafeln stellen ein wirksames System dar, mit dem KraftfahrerInnen auf überhöhte Geschwindigkeiten aufmerksam gemacht und gleichzeitig motiviert werden können, die Höchstgeschwindigkeit einzuhalten. Entsprechende mobile und ggf. stationäre Messtafeln sollen im Bereich von Schulen und Kindergärten verstärkt zum Einsatz kommen. Neben Drückampeln müssen sichere und gut beleuchtete Überque-rungsmöglichkeiten für FußgängerInnen geschaffen werden. Dazu gehören u.a. Fahrbahnteiler (Mittelinseln), Aufpflasterungen, Fahrbahnerhöhungen und durchgezogene Gehwege und Zebrastreifen. Dort, wo noch keine Zebrastreifen oder Ampeln vorhanden sind, müssen neue Zebrastreifen eingerichtet werden.
Ampelvorrangschaltungen für den ÖPNV müssen überprüft und ggf. für An- und Abreisezeiträume deaktiviert werden, damit für Kinder keine langen Wartezeiten an Ampeln entstehen.
Partielle Sperrungen des Verkehrsraums vor Schulen und Kindergärten für Kraftfahrzeuge sollen als Modellversuch erfolgen. Ziel dieses Modellversuches ist es, Eltern Alternativen zur Anfahrt mit dem Auto aufzuzeigen.
4. Freie Sicht
Parkende Autos schränken die Sicht von FußgängerInnen und RadfahrerInnen stark ein und stellen ein erhebliches Gefährdungspotenzial dar. Insgesamt sollen die Eingangsbereiche vor Schulen und Kindergärten eine möglichst freie Sicht gewährleisten. Im Verkehrsraum vor Schulen und Kindergärten müssen deshalb grundsätzlich Parkverbote ausgesprochen werden. Ausnahmen gelten für mobilitätseingeschränkte Kinder, für die entsprechende Haltemöglichkeiten vorgehalten werden müssen. Bauliche Maßnahmen müssen dafür sorgen, dass das Anhalten und Parken von Fahrzeugen insbesondere vor den Eingangsbereichen grundsätzlich nicht möglich ist.
Wo möglich, sollen am Rand der Eingangsbereiche spezielle Elternhaltestellen einge-richtet werden, die das sichere Ein- und Aussteigen von Kindern ermöglichen. Es muss eine regelmäßige Sichtkontrolle und der Rückschnitt von Bäumen und Büschen erfolgen. Auch muss regelmäßig überprüft werden, ob die Beleuchtung vor den Schulen und Kindergärten ausreichend ist.
5. Ausbau der Rad- und Fußwege
Die Sicherheit der Fuß- und Radwege rund um Schulen muss so verbessert werden, dass Kinder sich dort möglichst gefahrlos bewegen können.
Dazu gehört, dass Unebenheiten und Beeinträchtigungen auf Rad- und Fußwegen beseitigt und gefährliche Kreuzungsbereiche angepasst werden. Dort, wo der Radver-kehr auf der Fahrbahn verläuft, sollen die Radstreifen gut sichtbar markiert werden. Fußwege sind ausreichend breit zu gestalten, ggf. durch den Rückbau von Parkplätzen. Daneben sollen ausreichende Abstellmöglichkeiten für Fahrräder und besondere Fort-bewegungsmittel wie Roller vor allem auf dem Schul- und Kindergartengelände geschaffen werden.
6. Sichere Bus- und Straßenbahnhaltestellen
Die Lage und die Gestaltung von Bus- und Straßenbahnhaltestellen sind entscheidend dafür, ob der Weg zur Haltestelle, das Warten und das Ein- und Aussteigen sicher erfolgen können.
Bestehende Empfehlungen zur sicheren Gestaltung von Bus- und Straßenbahnhalte-stellen sollen vor allem bei der Neuplanung und Neugestaltung von Haltestellen berücksichtigt werden.
7. Verkehrskontrollen und Verkehrsüberwachung
Erwachsene VerkehrsteilnehmerInnen haben eine besondere Vorbildfunktion. Sie müssen dazu bewegt werden, sich vorschriftsmäßig zu verhalten und insbesondere auf Schulwegen aufmerksam und rücksichtsvoll zu fahren.
Die Einhaltung von Tempo 30 muss insbesondere in der Einführungs- und Einschulungszeit durch polizeiliche Geschwindigkeitskontrollen unterstützt werden. Daneben muss auch das richtige Verhalten aller VerkehrsteilnehmerInnen an Ampeln und Zebrastreifen kontrolliert werden.
8. Verkehrserziehung
Es muss sichergestellt werden, dass eine regelmäßige verpflichtende Verkehrserziehung für Kindergartenkinder und GrundschülerInnen in enger Kooperation mit den entsprechenden Vereinen/Institutionen und der Polizei erfolgt.
Daneben wollen wir eine flächendeckende Einführung von schulwegorientierten Projekten wie die bereits in vielen Bremer Stadtteilen eingerichteten „Schulexpresse“. Die Schulen sollen die Ausbildung von Kindern zu Schülerlotsen ermöglichen. Auch Erwachsene sollen verstärkt auf die Gefahrensituationen rund um Schulen aufmerksam gemacht und auf ihre besondere Verantwortung im Straßenverkehr hingewiesen werden. Erwachsene sollen zudem motiviert werden, sich als Schülerlotsen zu engagieren. Zur Einschulung soll ein Sicherheitspaket mit Signalweste oder Reflektorwimpel und Informationsbroschüre für alle Kinder und Eltern ausgeteilt werden. Sofern dies noch nicht geschieht, muss eine verbindliche jährliche Schulwegplanung erfolgen. Die Grundschulen sollen dabei den Kindern Pläne mit dem sichersten Rad- und Fußweg zur Verfü-gung stellen. Wir wollen, dass die Schulwegplanung verbindlich in das Bremische Schulgesetz aufgenommen wird. Daneben soll ein Schulwegtraining mit den Eltern erfolgen. Dieses sollte vorbereitend auf die Schulzeit schon gegen Ende des letzten Kindergartenjahres erfolgen. Ergänzend soll pro Einrichtung eine Schulwegbegehung mit Kindern, BehördenvertreterInnen, ElternvertreterInnen und Schul-/Kindergarten-vertreterInnen erfolgen, die besondere Gefahrenstellen aufnimmt. Diese Gefahrenstellen sind zügig zu beseitigen. Die Schulwegbegehung soll als dauerhaftes Analyse- und Planungsinstrument etabliert werden. Dabei muss besonderer Wert auf die Sichtweise der Kinder gelegt werden.
Darüber hinaus müssen Kinder frühzeitig den Fahrradverkehr als selbstverständlich erleben und lernen, wie sie sich im Straßenverkehr verhalten sollen. Für das Verkehrstraining ist eine enge Zusammenarbeit der Schulen mit der Polizei und den entspre-chenden Vereinen und Institutionen nötig. Die Kontaktbereichsbeamten (KOBS) der Polizei Bremen leisten wertvolle Beiträge zur Verkehrserziehung. Wir fordern eine Stärkung der Zusammenarbeit von Schulen und KOBS. Insbesondere muss geprüft werden, ob die Zeitkontingente der KOBS für verkehrserzieherische Maßnahmen ausgeweitet werden können.
Kinder aus Kindergärten und Grundschulen können im Rahmen des Projekts „Verkehrs-Schule “ in der Vahr den sicheren Umgang mit Roller und Fahrrad erlernen und ihr Wissen über Verkehrszeichen, Regeln des Straßenverkehrs sowie Verhaltensweisen gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern erweitern. Die VerkehrsSchule leistet damit einen vorbildlichen Beitrag zur Verkehrserziehung für Kinder und inzwischen auch für Flüchtlinge. Sie ist unbedingt abzusichern.
Im Rahmen eines zu erstellenden Verkehrserziehungskonzepts sollen die bestehenden verkehrserzieherischen Maßnahmen der Schulen überprüft und wenn nötig verbessert werden. Das Konzept soll ferner aufzeigen, welche Maßnahmen geeignet erscheinen, damit sich mehr Kinder per Rad, zu Fuß oder mit dem ÖPNV zur Schule bewegen. Wünschenswert wäre ein schulübergreifender Wettbewerb, an dessen Ende die Schule ausgezeichnet wird, deren Maßnahmen zur Mobilitätsförderung am meisten überzeugt (z. B. „Bremens beweglichste Schule“).
Die geforderten Maßnahmen sollen personell ggf. von dem im Koalitionsvertrag beschlossenen und noch einzurichtenden „Team Nahmobilität“ begleitet werden.
Bremen, 15.12.2015