Verkehr
Mehr Finanzmittel für den Fuß- und Radverkehr
1. Ausgaben für Radverkehr im Vergleich
Bremen hat als Stadt der kurzen Wege den Anspruch, eine besonders fuß- und fahrradfreundliche Stadt zu sein. Der Etat für diesen Anspruch hinkt weit dahinter zurück. Bremen gibt aktuell 6 Euro 70 pro Einwohner*in im Jahr für den Radverkehr aus. Das ist immerhin mehr als eine Verdoppelung gegenüber den Zeiten der großen Koalition. Laut einer Greenpeace Studie liegt das in einem guten Mittelfeld. Stuttgart gibt fünf Euro aus, München 2,3 Euro oder Köln 2,8 Euro. Berlin hat unter einer rot-rot-grünen Regierung die Mittel auf 14 Euro erhöht. Amsterdam liegt bei 11 Euro. Kopenhagen gibt 35,6 Euro pro Einwohner*in aus und das schon seit Jahren. Das Missverhältnis zu den Ausgaben in den motorisierten Individualverkehr ist in Bremen und anderswo eklatant. Laut einer Studie der Universität Kassel geben wir deutlich mehr als 100 Euro für den Autoverkehr aus. Für den Fußverkehr gibt es in den meisten Städten wie auch in Bremen keine eigene Haushaltsstelle. Eine Gleichberechtigung der Verkehrsarten ist dies nicht. Ein Ausgleich der jahrzehntelangen Benachteiligung für eine Verkehrsplanung, die auf die autogerechte Stadt gesetzt hat, ist es schon gar nicht.
2. Erhalt und Ausbau der Rad-Infrastruktur: Bund muss sich stärker beteiligen
Spätestens seit aus dem Klimawandel eine Klimakrise geworden ist, ist die Handlungsnotwendigkeit für eine Verkehrswende deutlich geworden. Der Radverkehr im Verbund mit Fuß- und Radverkehr muss deutlich mehr gefördert werden. Die Basis aller Förderung ist eine auskömmliche Finanzierung. Die Bundesregierung hat zwar prestigeträchtige Neubauprojekte forciert, unternimmt aber für den Erhalt der Infrastruktur wenig, um die desolate Situation zu beheben. Wir fordern, dass sich der Bund viel stärker an den Infrastrukturkosten der Städte und Gemeinden beteiligt.
Es muss insgesamt festgestellt werden, dass wir unsere Verkehrsinfrastruktur auf Verschleiß gefahren haben. Instandhaltende Investitionen in Straßen, Radwege und Brücken sind dringend notwendig. Die Probleme sind nicht nur in Bremen und Bremerhaven, sondern in fast allen Kommunen und Städten offensichtlich vorhanden. Es wäre falsch und teuer, weiter nur auf den Bund zu warten.
Die vorhandenen Mittel reichen weder für die Instandsetzung noch für die eigenständige Forcierung dringend notwendiger Neubauprojekte aus. Die beiden innovativen Fahrradmodellquartiere Alte Neustadt und Ellener Hof waren nur möglich durch eine jeweils neunzigprozentige Förderung des Bundes. Das Bundesumweltministerium hatte dafür einige gute Programme aufgelegt. Die von uns gewollten Fahrradbrücken Stadtwerder/Innenstadt, Hemelingen oder südlicher Europahafen/Woltmershausen sind ohne Mittelerhöhung und ergänzende Bundesförderung nicht realisierbar. Wir unterstreichen aber, dass es für uns als Haushaltsnotlageland bis zu 90 Prozent Bundesmittel dafür geben kann. Den restlichen Anteil und die nicht unerheblichen Planungsmittel müssen wir selber darstellen. Die geplanten Radpremiumrouten werden wir ohne eine signifikante Mittelerhöhung nur sehr langsam realisieren können. Verschärfend kommt hinzu, dass bei allen Projekten eklatante Kostensteigerungen im Hoch- und Tiefbau aufgrund der Konjunkturlage erschwerend festzustellen sind.
3. Fußverkehr stärker berücksichtigen
Der Fußverkehr ist eine von der Verkehrspolitik fast vergessene Verkehrsart. Städte mit einem hohen Fußverkehrsanteil (Zürich: 35 %, Helsinki: 32 % oder Wien: 27 %) landen bei Vergleichsstudien zur Lebensqualität regelmäßig auf den vorderen Plätzen. Attraktive Fußverkehrsnetze sind bedeutsam für eine auf die Zukunft gerichtete Organisation von Mobilität: In Zeiten von Klimawandel, Energiewende und Veränderungen im Mobilitätsverhalten bietet der Fußverkehr eine große Flexibilität. Seine Infrastruktur ist gegenüber Ausfällen und Störungen besonders resistent. Bremen hat schon gute Akzente zur Förderung des Fußverkehrs gesetzt. Bei der Verbreiterung von Gehwegen wird ein gutes Projekt für den Fußverkehr gerade am Herdentorsteinweg umgesetzt. Zebrastreifen und Querungshilfen werden auf unsere Initiative verstärkt umgesetzt. Barrierefreiheit ist bei verschiedenen Straßenumbauten wie in der Münchener Straße oder der Hartwigstraße signifikant verbessert worden. Der Abbau von Barrieren an Haltestellen z. B. in Huchting/Grolland wurde und wird weiter fortgesetzt. Wir wollen die Wartezeiten für Fußgänger*innen an Fußgängerampeln verkürzen. In der Schwachhauser Heerstraße werden die Wartezeiten an mehreren Überwegen deshalb verkürzt werden. Das reicht aber nicht aus. Viele Straßenräume sind ein echtes Hindernis für den Fußverkehr. Erwähnt seien hier die beiden zentralen Innenstadttunnel Gustav-Deetjen-Tunnel und Findorfftunnel. Bisher gibt es keinen eigenständigen Haushaltstitel Fußverkehr in Bremen, den es zum Beispiel in Baden-Württemberg gibt. Wir wollen, dass so ein Haushaltstitel in den Haushaltsjahren 2020/2021 geschaffen wird. Wien hat gute Erfahrungen mit einem Fußverkehrsbeauftragten gemacht. Wir wollen so eine personelle Stärkung der Belange des Fußverkehrs ernsthaft prüfen in Abwägung mit anderen geeigneten Instrumenten.
4. Bausteine für eine Verkehrswende und für mehr Verkehrssicherheit
Wir unterstützen die gerade aufgestellten Forderungen des Umweltbundesamtes und werden uns auf kommunaler Ebene und auf Bundesebene dafür einsetzen, dass diese umgesetzt werden. Die Umsetzung wäre ein Gewinn für eine menschenfreundliche Stadtentwicklung und für mehr Verkehrssicherheit:
- Stadtumbau zugunsten des Fußverkehrs
- Breitere Gehwege und Radwege auch durch den Wegfall von Autoparkplätzen
- Verkürzung der Wartezeiten von Fußgänger*innen an Fußgängerampeln
- Konsequentes Parkraummanagement
- Mehr Zebrastreifen
An den Bund ist davon zu adressieren:
- Einrichtung von Tempo 30 in Städten auch an Hauptverkehrsstraßen erleichtern. Tempo 30 als Richtgeschwindigkeit innerorts ist das mittelfristige Ziel.
- Veränderung der autofreundlichen Straßenverkehrsordnung zu einer fußgänger- und radfahrerfreundlichen Ausgestaltung
- Pilotversuche erleichtern und erfolgreiche Modelle in die Straßenverkehrsordnung übernehmen (z. B. Fahrradzone à la Bremen, Begegnungszonen, temporäre Spielstraßen)
5. Unsere Forderungen
Im Sinne einer wirksamen Verkehrswende verstärken wir die Förderung des Fuß- und Radverkehrs im Umweltverbund:
- Ab dem Haushaltsjahr 2020 sollen die Mittel für den Radverkehr in einem ersten Schritt auf 26 Euro pro Einwohner*in vervierfacht werden – für eine verbesserte Instandhaltung sowie für Fuß- und Radbrücken und die forcierte Umsetzung der im Verkehrsentwicklungsplan 2025 beschlossenen Radpremiumrouten.
- Der Haushaltsansatz für den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur und der Brücken muss im Rahmen der Haushaltsaufstellung merklich angehoben werden, damit nicht viel größere finanzielle Schäden entstehen.
- Es soll erstmalig einen eigenen Haushaltsposten „Fußverkehr“ geben. Bisher wird diese essentielle Verkehrsart finanziell eher nebenbei gefördert.
- Notwendige personelle Ressourcen sind gleichzeitig einzurichten. Das könnten 7 bis 10 zusätzliche Stellen sein. Das ist die Lehre aus dem Beispiel Berlin, das den Radverkehrsetat mehr als verdoppelte. Da nicht gleichzeitig Personal aufgestockt wurde, konnte das Geld aber nicht ausgegeben werden. Gerade die Planung von Maßnahmen der Nahmobilität ist aufwändig.
6. Schlussbemerkung
Dies wäre keine finanzielle Gleichberechtigung des Rad- und Fußverkehrs. Im Rahmen der Haushaltsarchitektur ist trotz gewachsener Spielräume mehr nicht darstellbar wegen der besonderen Notwendigkeiten, insgesamt deutlich mehr Geld für den Erhalt der Infrastruktur aufzuwenden. Die weitere Verlagerung der Schwergewichte ist eine notwendige Voraussetzung, damit eine Verkehrswende gelingt.
Bremen, 20.11.2018