Tierschutz
Haustierhaltung – Mehr Verantwortung für tierliche Mitbewohner*innen übernehmen!
Haustiere sind für viele Menschen geliebte Mitglieder des Haushalts, gute Freund*innen und manchmal sogar auch Teil der Familie. Für viele Menschen ist ein Leben ohne tierliche Mitbewohner*innen kaum denkbar, wir Menschen profitieren von ihnen auf vielfältigste Weise. Die Halter*in übernimmt aber zugleich die Verantwortung für das Wohlergehen des Tieres mit all seinen Interessen und Bedürfnissen. Dies geschieht häufig sehr verantwortungsvoll und artgerecht, aber nicht in jedem Fall können diese Interessen und Bedürfnisse tatsächlich durch Menschen befriedigt werden, nicht immer sind Tierhaltungen für beide Seiten – Menschen und Tiere – vorteilhaft.
Schon das zeigt, dass es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, für Bedingungen zu sorgen, dass Tiere in ihrer Unterschiedlichkeit tatsächlich gut leben können. Wer etwa mit Hund oder Katze zusammenlebt, versteht diese häufig als Familienmitglieder und will ihnen sicher ein gutes Leben bereiten. Nicht immer wird das aber erreicht, was häufig auch seine Ursache darin hat, dass die Halter*innen nicht umfänglich darüber informiert sind, was bei diesem konkreten Tier artgerechte Haltung tatsächlich bedeutet. Hunde, die nicht genug Auslauf und Kontakt zu Artgenossen bekommen, Katzen in Einzelhaltung in kleinen Wohnungen und ohne Beschäftigung, Kaninchen und Hamster in kleinen Käfigen – das sind keine Formen der Tierhaltung, die Tiere als Gefährten respektieren.
Tierschutz ist dabei keine rein individuelle Verantwortung. Der Schutz der Tiere ist im Grundgesetz verankert, daraus erwächst für den Staat auch eine Verantwortung, diesem nachzukommen. Das Tierschutzgesetz hat sich seit der Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz jedoch kaum weiterentwickelt, es wird diesem Anspruch bisher nicht gerecht. Die Schutzfunktionen und Pflichten, die dem Staat zukommen, gehen weit über das Einschreiten bei tierquälerischen Haltungsformen hinaus und greifen bereits deutlich früher. Sie reichen von klaren Regeln für Zucht und Handel von Tieren bis zu einer Gestaltung des öffentlichen Raums, die Tieren und ihren Bedürfnissen gerecht wird.
Unsere Forderungen für einen verantwortlichen Umgang mit tierlichen Mitbewohnern:
A. Zucht und Handel von Haustieren
Tiere sind keine Sachen – und sollten daher auch nicht wie diese gehandelt werden. Zur Entscheidung, Verantwortung für ein Tier zu übernehmen, gehört es, sich die Konsequenzen und Anforderungen bewusst zu machen, die damit einhergehen. Bestimmte Tiere wie Katzen und Hunde können von Menschen unter den richtigen Bedingungen gut gehalten werden. Die meisten Tiere, in besonderem Maße Wildtiere mit großem natürlichen Bewegungsradius, sind für eine Tierhaltung durch Menschen dagegen ungeeignet.
Die Vorschläge in diesem Abschnitt richten sich vor allen Dingen an den Bund und nationale Gesetzgebung. Das Land Bremen sollte hier eigene Möglichkeiten nutzen, aber darüber hinaus über eine Bundesratsinitiative auch selbst auf Bundesebene aktiv werden.
Unsere Forderungen:
- Durch eine Positivliste soll private Tierhaltung auf solche Tiere bzw. Tierarten beschränkt werden, die von einem Zusammenleben mit Menschen insgesamt und grundsätzlich profitieren können. Dies sind in der Regel die domestizierten Tiere wie Hunde und Katzen oder auch Pferde. Die Positivliste ist auf Basis wissenschaftlicher Kriterien und Erkenntnisse zu erstellen und regelmäßig zu evaluieren. Sie ist zurückhaltend zu führen: Wo Unsicherheit über den Status einer Spezies herrscht, ist die Art nicht auf der Positivliste zu führen.
Tiere bzw. Spezies, die nicht auf der Positivliste benannt werden, dürfen nicht mehr in den Verkauf gebracht und zukünftig nicht mehr gehalten werden. Ausnahmen sind nur mit einer gesonderten Erlaubnis bei Nachweis von besonderer Fachkunde und bei Teilnahme in Artenschutzprogrammen möglich.
Wer Tiere züchten und kommerziell verkaufen möchte, muss dafür gegenüber dem zuständigen Veterinäramt die Eignung nachweisen. Züchtungen von Tieren, die mit Schmerzen, Leiden oder Schäden einhergehen, müssen beendet werden. Solche Formen der Qualzucht müssen klar definiert und Nachzuchten dieser Rassen verboten werden. Das betrifft unter anderem Hunderassen wie Bulldogge, Mops oder Chihuahua. Auch die Anschaffung von Tieren mit den Merkmalen der Qualzucht muss sanktioniert werden, auch um der Problematik der massiven, oft illegalen Welpenimporte aus dem vorwiegend osteuropäischen Ausland sowie dem Problem illegaler Zuchten auch im Inland gerecht zu werden, wo kein Einwirken auf die Zucht möglich ist.
Der Internethandel von Tieren sollte verboten werden. Er erleichtert es, spontan lebende Tiere zu kaufen, ohne sich zuvor mit den Anforderungen und Konsequenzen auseinanderzusetzen. Die Identität der Verkäufer*innen und die Herkunft der Tiere lassen sich dabei in der Regel nicht überprüfen – und damit auch nicht die Einhaltung von Tierschutzstandards. Oft werden die mit der Tierhaltung verbundenen Aufgaben und Folgekosten von Laien vor der Kaufentscheidung nicht einkalkuliert. Es gilt sogar ein 14-tätiges Rückgaberecht – auch für Tiere. Verkäufer*innen haben keine Chance, die potenziellen Käufer*innen einzuschätzen und die nötige Beratung durchzuführen. Außerdem ist der fachgerechte Transport durch Laien häufig nicht zu gewährleisten. Von einem solchen Verbot auszunehmen sind unkommerzielle Präsentationen zur Vermittlung von Tieren durch Tierschutzorganisationen und Tierheime.
Der Handel von Tieren auf gewerblichen und überregionalen Tierbörsen sollte verboten werden. Der Transport, die Haltung und die Präsentation der Tiere sowie das schnelle Verkaufsgeschehen stehen einem tierschutzgerechten Umgang mit den Tieren und einer überlegten Entscheidung zur Aufnahme einer Tierhaltung entgegen.
Solange Tiere einer Art noch in relevanter Zahl in Tierheimen leben und dort als vermittelbar gelten, sollte den Tieren dort stets Priorität eingeräumt – und Nachzuchten nach Möglichkeit begrenzt werden. In den meisten Tierheimen, auch denen in Bremen und Bremerhaven, leben viele Tiere, die auf Vermittlung an neue Halter*innen warten. In Bremen sollte daher beworben werden, vor Anschaffung eines Tieres ein Tierheim zu besuchen. Die bestehende Befreiung von der Hundesteuer sollte über das erste Jahr hinaus auf die Lebenszeit des Hundes verlängert werden. Für bestimmte Tierarten, die besonders stark in allen Tierheimen vertreten sind, sollte auf Bundesebene gar ein Zuchtstopp für diese Arten geprüft werden.
B. Individuelle Verantwortung im Zusammenleben mit Tieren
Die Entscheidung, Verantwortung für ein Tier zu übernehmen, ist ein sensibler Akt – insbesondere, weil sie in den meisten Fällen einseitig durch den Menschen getroffen wird und nicht durch das Tier. Umso bedeutender sind die Aufgaben und Pflichten, die mit der Übernahme von Verantwortung als Halter*in eines Tieres einhergehen. Das beginnt schon damit, dass potenzielle Halter*innen nachweisen müssen, dass sie in der Lage sind, Verantwortung für tierliche Mitbewohner zu übernehmen. Diese Verantwortung bedeutet vor allen Dingen, den Interessen und Bedürfnissen des Tieres bestmöglich gerecht zu werden.
Unsere Forderungen daher:
Voraussetzung jeder privaten Tierhaltung ist ein auf Tierart bzw. Rasse zugeschnittener Sachkundenachweis. Dieser wird durch eine theoretische und für Hunde und andere größere Tiere (*Konkretisierung) eine praktische Prüfung erworben, wobei die theoretische Prüfung vor Aufnahme der Tierhaltung und die praktische Prüfung zusammen mit dem Tier bzw. am Ort der Tierhaltung erfolgt. Dadurch wird u. a. gewährleistet, dass jede Halter*in die Bedürfnisse und Interessen des Tiers kennt und weiß, wie sie handeln muss, um diesen gerecht zu werden. Auch für Kleintiere ist ein Sachkundenachweis mit theoretischer Prüfung erforderlich, gerade wenn ihre Kommunikation für Menschen schwieriger zu verstehen ist. Für ein zweites und drittes Tier der gleichen Art ist – mit Ausnahme von Hunden – jeweils kein erneuter Sachkundenachweis zu erbringen. Um Animal Hoarding zu verhindern, ist bei der Anschaffung von mehr als drei Tieren einer Art jedoch erneut ein Nachweis zu erbringen.
Tiere soziallebender Arten wie Kaninchen sollen nicht mehr einzeln gehalten werden, für sie sind angemessene Sozialkontakte mit Artgenossen zu ermöglichen. Wissen über solche Anforderungen ist auch bei Ablegen des Sachkundenachweises zu vermitteln.
Aggressive Hunde jeder Größe und Rasse können für Menschen gefährlich werden, ob durch Stürze oder Bissverletzungen. Für ein sicheres und angstfreies Zusammenleben in den Städten müssen solche Vorfälle wirksam unterbunden werden. Individuelle Wesenstests sollen zukünftig die Fähigkeit jedes einzelnen Hundes, am Sozialgeschehen teilzunehmen, sicherstellen. Noch wichtiger ist die verpflichtende Einführung der Sachkundenachweise, denn der wichtigste Faktor bezüglich des Gefährdungspotentials eines Hundes ist dessen Besitzer*in. Zum Schutz der Bürger*innen, aber auch der Hunde selbst, können diese Instrumente die unspezifischen und unzureichenden Rasselisten in Bremen und Bremerhaven ersetzen.
Eine Chip- und Registrierpflicht für freilaufende Tiere (Hunde und Katzen) sorgt dafür, dass entlaufene Tiere sich schnell und zuverlässig zurückverfolgen lassen, wodurch die Tierheime, die Tiere und die Halter*innen entlastet werden. Eine entsprechende Regelung bietet außerdem Schutz und Rückverfolgbarkeit in Fällen von illegalem Tierhandel, bei Misshandlung von Tieren oder beim Aussetzen von Hunden und Katzen.
Eine Krankenversicherung sollte, wo sinnvoll, zum Standard werden – im Interesse der Tiere, aber auch der Halter*innen. Denn wenn das liebgewonnene Tier erkrankt oder sich verletzt, darf es keine Frage des Geldes sein, die Gesundheitsversorgung zu übernehmen.
Für Hundehalter*innen ist zusätzlich das Abschließen einer Haftpflichtversicherung verpflichtend. Damit werden Halter*innen und Betroffene vor hohen Personen-, Sach- und Vermögensschäden geschützt.
Um die geringen zusätzlichen Kosten von Registrierung und Versicherungen sozial abzufedern, soll die Hundesteuer für Menschen ohne oder mit geringem Einkommen, wie in Bremen und diversen anderen Kommunen schon üblich, erlassen werden.
C. Staatliche Verantwortung für das Zusammenleben mit Tieren
Auch der Staat trägt im Zusammenhang mit der Haltung von Tieren durch Menschen Verantwortung. Er hat Tiere vor Gefahren zu schützen, wo immer sie durch staatliches Handeln oder Unterlassen in Gefahr sind – das gilt besonders für die Bereiche Bau, Stadtentwicklung und Verkehr. Öffentliche Räume sind so zu gestalten, dass sie auch für andere Tiere möglichst barrierefrei sind.
Unsere Forderungen:
- Öffentliche Flächen und Verkehrswege sind an Maßstäben der Sicherheit und Barrierefreiheit auch für tierliche Mitbewohner zu orientieren. So sind etwa Metallgitterflächen an Treppen oder Brücken zu vermeiden, da zum Beispiel Hunde diese mit ihren Pfoten nicht oder nicht schmerzfrei nutzen können, und glatte Oberflächen zu vermeiden, auf denen Tiere ausrutschen. Zur Barrierefreiheit ge- hören auch das schnellstmögliche Freiräumen von Fußwegen und angrenzenden Flächen von gefährlichen Gegenständen wie Glasscherben, ein reduzierter Einsatz von Streusalz im Winter oder auch Querungshilfen, die häufig nicht nur Menschen, sondern auch freilaufenden Katzen helfen, etwa an viel befahrenen Straßen in der Nähe von Kleingartengebieten.
- Für Tiere mit hohem Bewegungsdrang braucht es Flächen, auf denen sie diesen ausleben können. Das bedeutet für Hunde vor allen Dingen die Einrichtung von Freilaufflächen. Den tierlichen Mitbewohnern ist dabei in der Abwägung von Nutzungsinteressen bei den stets knappen innerstädtischen Flächen ein höheres Gewicht zu geben als bislang. Diese Aufgabe liegt vor allen Dingen bei den Beiräten, wobei Gelder für die Umzäunung zur Verfügung gestellt werden sollten. Gleichzeitig ist im Sinne eines kooperativen Miteinanders dafür zu sorgen, dass der Freilauf auf Flächen, die dafür nicht vorgesehen sind, wie z. B. Spiel- und Liegewiesen in Parks, Spielplätze, schmale Bürgersteige und Ähnliches nachhaltiger unterbunden wird. Hierzu gehört eine verdeutlichte Beschilderung sowie auch eine stärkere Durchsetzung geltenden Rechts in Form von Bußgeldern etc., sofern z. B. Leinenzwang besteht oder Hunde in bestimmten Bereichen nicht zu- gelassen sind.
Tierlichen Interessen und Bedürfnissen muss im politischen Handeln generell mehr Raum gegeben werden. Dazu ist es auch notwendig, die Bedürfnisse von Tieren verstärkt zu erforschen und spezifische Antworten zu entwickeln.
Dem Staat kommt zuletzt auch die Aufgabe zu, bei Hinweisen auf eine Verletzung der Rechte von Tieren einzuschreiten und die Tiere in Obhut zu nehmen. Diese Aufgaben werden in der Regel vom Landesveterinäramt und von den Tierheimen übernommen, sie sind dafür ausreichend zu finanzieren.
Bremen, den 01. März 2021