Bau- und Stadtentwicklung | Umwelt- und Naturschutz
Grüne Position zur Zukunft des Rennbahn-Geländes
Die Grüne Bürgerschaftsfraktion wendet sich mit folgendem Vorschlag an die SPD und die anderen demokratischen Parteien in der Stadtbürgerschaft:
- Das Volksbegehren will jeglichen Wohnungsbau auf dem Rennbahngelände verhindern. Wir werben dafür, dass die Stadtbürgerschaft das Volksbegehren ablehnt, so dass es zu einem Volksentscheid kommt.
- Wir werben dafür, dass die Stadtbürgerschaft sich mit einer eigenen Alternative an dem Volksentscheid beteiligt.
- Wir schlagen vor, dass der Wohnungsbau und die Gebäude für gewerbliche Nutzungen auf die Hälfte des Plangebiets beschränkt werden und dass die andere Hälfte für Grün, Sport und Freizeit freigehalten wird („Halbe:Halbe“ Grün und Wohnen, jeweils 17 Hektar).
- Wir wollen, dass alle Schritte bis zum Volksentscheid fair und nach streng rechtstaatlichen Grundsätzen gestaltet werden. Soweit es in der Macht der Stadtbürgerschaft liegt, setzen wir uns dafür ein, dass der Volksentscheid gleichzeitig mit der Bürgerschaftswahl stattfinden kann.
- Wir erwarten, dass die Behörden bis zum Volksentscheid keine städtebaulichen Wettbewerbe organisieren oder Planungsaufträge vergeben.
Für uns Grüne sind folgende Argumente und Ziele für die zukünftige Entwicklung des Rennbahngeländes und in der Auseinandersetzung mit der Bürgerinitiative zentral:
Die Baudeputation hat bisher nur einen „Planaufstellungsbeschluss“ zum Rennbahngelände gefasst. Das heißt, die Planung ist eröffnet. Der Planungsdialog mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort ist in einer frühen Phase. Die Stadtplanung (Senator für Umwelt, Bau, Verkehr) und der Senator für Wirtschaft und Häfen konnten die Initiative für das Volksbegehren nicht für eine Beteiligung am Dialogverfahren gewinnen.
Der offizielle Begründungstext zum Volksbegehren legt davon ein Zeugnis ab: Da wird über eine Bebauung nach dem Vorbild von Osterholz-Tenever geschrieben und die Sorge geäußert, Investoren könnten dort das große Geschäft mit teuren Wohnungen vorbereiten. Beides entbehrt jeder Grundlage. So steht die Position des Volksbegehrens „Keine Bebauung der Rennbahn!“ dem Wählerauftrag „Schafft Wohnraum!“ gegenüber.
Wir leben in Bremen. Ein Kompromiss sollte möglich sein!
Halbe:Halbe - Wohnen und Grün für alle
Die Initiative für ein Volksbegehren gegen die Bebauung der Rennbahn hat der Stadtöffentlichkeit klargemacht, wie wichtig den Menschen vor Ort ein großer grüner Freiraum ist. Hört man sich dort um, sagen die Leute immer wieder: In Hemelingen wird hart gearbeitet und gutes Geld verdient. Aber der Stadtteil und die Menschen in der Nachbarschaft der Fabriken zahlen dafür einen Preis. Die Wohngebiete sind von Verkehrsschneisen und Industrie zerschnitten und Lärm, Stau und andere Zumutungen sind im Alltag ständige Begleiter. Insofern hat die Initiative für das Volksbegehren schon jetzt eines erreicht: Die Hemelingerinnen und Hemelinger und ihre Sorgen sind endlich ganz oben auf der Tagesordnung.
Wir Grünen halten das für den größten Erfolg der Initiative und ihrer Unterstützerinnen und Unterstützer. Wir sind allerdings davon überzeugt, dass die Blockade der Wohnbebauung auf dem Rennbahnareal am Ende nur Nachteile für die Menschen in Hemelingen und der Vahr bringt. Wir wollen im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern so etwas erarbeiten wie einen „Entwicklungsvertrag“ für den ganzen Stadtteil. Die Stichworte, um die es gehen wird, sind zum Beispiel: Zugang zur Weser, die viel diskutierte Brücke für Fußgänger/-innen und Radfahrer/-innen nach Habenhausen, die Zukunft der Gelände von Könecke und Coca-Cola, die weitere Führung der Straßenbahn, Tempo beim Kita- und Schulbau, Reduktion der Geruchsemissionen der Kaffeefabrik etc..
Wir Grünen schlagen unserem Koalitionspartner und den anderen demokratischen Parteien in der Stadtbürgerschaft vor, beim Volksentscheid auf den Wunsch der Menschen aus Hemelingen und der Vahr zuzugehen. Die Hälfte des Areals sollte unbebaut bleiben und für Naherholung, Freizeit, Sport und eine Festwiese reserviert werden. Die andere Hälfte aber wird mit den dringend benötigten bezahlbaren Wohnungen und allem, was dazu gehört, bebaut. Darüber lohnt es sich, die nächsten vier Monate in einen großen demokratischen Streit einzusteigen.
Zukunft des Rennbahngeländes – das sind unsere grünen Grundsätze
Wachstum im Inneren der Stadt
Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist auch in Bremen angespannt. Passende und bezahlbare Wohnungen sind schwer zu finden. Die Regierungskoalition tut daher alles, um mindestens 2.000 Wohnungen pro Jahr zusätzlich an den Markt zu bringen. Dem Auslaufen der Mietpreisbindungen für die älteren Sozialwohnungen stemmen wir uns mit dem geförderten Wohnungsbau entgegen. Wir kümmern uns aber auch um den ökologischen Fußabdruck unserer Stadt und gehen vernünftig mit der Auslastung der verkehrlichen und sozialen Infrastruktur um. Wir bauen also die Stadt dort weiter, wo es bereits Stadt gibt. Jenseits der Ränder des Siedlungsgebiets in die offene Landschaft zu bauen ist nicht nur aus ökologischen, sondern auch aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen die schlechteste Alternative.
Wir konzentrieren den Wohnungsbau auf ehemalige Gewerbeflächen und Baulücken: zum Beispiel Könecke und Coca-Cola in Hemelingen, das Kellogg`s-Gelände an der Weser, das Tauwerksgelände in Bremen-Nord, die Überseestadt in Walle und Brinkmann in Woltmershausen, um nur die größten zu nennen. Aber alle diese Flächen reichen nicht, um das hohe Niveau des Wohnungsbaus auf lange Sicht durchzuhalten. Deshalb müssen wir auch grüne Freiflächen im Siedlungsgebiet für den Wohnungsbau erschließen, so wie die Rennbahn. Das tun wir nur, wenn sich das auch naturschutzfachlich verantworten lässt. Wir sorgen dafür, dass Biotopverbünde, Frischluftschneisen und wertvolle Baumbestände geschützt werden.
Vorteile für die Nachbarn
Für uns Grüne gilt der Grundsatz, dass die neuen großen Entwicklungsgebiete der Stadt nicht nur gut für die Neubürgerinnen und Neubürger, die dort eines Tages wohnen wollen, sein müssen. Sie müssen auch Vorteile für die benachbarten Quartiere und ihre Bürgerinnen und Bürger bringen, die dort schon lange wohnen und leben.
Die Neue Vahr und Sebaldsbrück sind benachbarte Stadtteile, aber sie sind kaum miteinander verbunden. Es gibt zwar große Straßen, aber das Netz der Wege, Wasserläufe und Grünzüge ist an vielen Stellen unterbrochen. Und das ist auch zu spüren. Die Ursachen sind in erster Linie die großen Verkehrsschneisen und Industriebetriebe. Aber eben auch die Rennbahn. Der Zaun um die Rennbahn trennt die Vahr und Sebaldsbrück. Die Menschen aus der Stadt hatten bisher nur an den großen Renntagen Zugang zu dem Gelände. An ca. 360 Tagen im Jahr stand das Gelände nur den Vereinsmitgliedern zur Verfügung.
So ein Planungsprozess beginnt mit vorbereitenden Untersuchungen. Grundlegend ist die sogenannte Umweltverträglichkeitsprüfung. Die dafür nötigen Gutachten liegen jetzt vor, und es zeigt sich: 130 Jahre Pferderennen und auch der Golfsport mit all seinen Ansprüchen haben ihre Spuren in der Landschaft hinterlassen. Der Boden unter der Grasnarbe ist mit einer dicken künstlichen Kiesschicht verfestigt und die Golfer und Golferinnen haben großen Wert darauf gelegt, ihren berühmten Rasen in vorbildlich bespielbarem Zustand und die Natur in Schach zu halten. Es geht hier also um ein schönes Stück offene Landschaft, aber nicht um ein wertvolles Biotop mit seltenen Pflanzen und Tieren. Wenn wir die Sache richtig anfassen, wird durch den renaturierten Bach nebst kleinem See und einer Gestaltung des Grünzugs mit heimischen Pflanzen und Gehölzen der Artenreichtum wieder größer und wertvoller. Und das Areal wird für die Naherholung der Bürgerinnen und Bürger aus den benachbarten Quartieren erst jetzt erschlossen und wäre für alle Bremerinnen und Bremer frei zugänglich. Damit würde der Bremer Osten an Attraktivität gewinnen.
Wir leben in Bremen. Ein Kompromiss sollte möglich sein!
Die Hälfte des Areals sollte unbebaut bleiben und für Naherholung, Freizeit, Sport und eine Festwiese reserviert werden. Die andere Hälfte aber wird mit den dringend benötigten bezahlbaren Wohnungen und allem, was dazu gehört, bebaut.
Die Erhaltung der Baumgruppe im nord-östlichen Bereich des ehemaligen Galopprennbahngeländes ist von entscheidender Bedeutung für die Luftqualität des neuen Wohngebietes und des gesamten Bremer Ostens.
Ein grünes Quartier für Wohnen und Arbeiten
Selbstverständlich wird ein zeitgemäßes Quartier so gebaut, dass die Versorgung mit Energie für Heizen und Strom klimaneutral erfolgen kann. Das Rennbahngelände ist städtisches Eigentum. Und die Bodenpreise in Hemelingen halten sich im Verhältnis zu den Innenstadtquartieren noch im Rahmen. Das hat viele Vorteile für eine gute Stadtentwicklung.
Überall in der Stadt ist es schwer, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Hier sind die Voraussetzungen gut. Wir wollen einen Anteil von 30 Prozent geförderten Wohnraum, bei dem die Miete auf 6,80 € gedeckelt ist.
Wir wollen mit Konzeptausschreibungen und Erbpachtverträgen dafür sorgen, dass darüber hinaus ein möglichst hoher Anteil an bezahlbaren Wohnungen entsteht. Genossenschaften, gemeinnützige Stiftungen (Heimstiftung) und Baugemeinschaften können dazu einen großen Beitrag leisten. Aber sicher werden auch Familien auf eigenem Grundstück sich ein Haus bauen können. Auch in Sebaldsbrück und der Vahr steht in vielen Wohnungen ein Generationswechsel an. Dann kann es hilfreich sein, in der Nähe eine barrierefreie Wohnung zu finden, oder umgekehrt: Die Kinder können ihre Familie in einem neuen Haus in der Nachbarschaft gründen.
Nachhaltiges Bauen
Nachhaltiges Bauen mit Holz wird immer beliebter. Mit den modernen Baumethoden hält ein Holzhaus genauso lange wie ein Haus aus Stein. Ein Quartier, das sich an das veränderte Klima anpasst, hat vernünftigerweise Dachgärten und grüne Dächer, und auch zwischen den Häusern sollte so wenig wie möglich versiegelt werden, damit das Wasser versickern kann und die Insekten nicht zu kurz kommen. Kleine private Gärten, größere Gemeinschaftsgärten und ein Netz von Wegen und Grünräumen sorgen dafür, dass beim Leben in der Stadt die Freude an der Natur nicht zu kurz kommt. Die Höhe der Häuser sollte sich daran orientieren, dass man vom Balkon aus die Kinder vorm Haus rufen kann. Hochhäuser gehören nicht in dieses Quartier. Selbstverständlich wird die Tribüne der Rennbahn erhalten. Die Frischluftschneisen werden bei der Planung berücksichtigt.
Wo es Familien gibt und Kinder wohnen, braucht es Kitas und wahrscheinlich eine Grundschule. Wo alte Leute ihr Leben in ihrer gewohnten Umgebung verbringen wollen, braucht es Unterstützung. Dafür werden wir sorgen. Von Anfang an.
Und die Mobilität? Wir sind davon überzeugt, dass das neue Rennbahnquartier dazu beitragen kann, die Hemelinger Verkehrsprobleme zu entschärfen, statt sie zu vergrößern. Wir hoffen, dass es gelingt, die Pendelei ins Umland zu reduzieren, weil sich der eine oder andere dazu entscheidet, doch lieber in der Stadt zu wohnen. Im Übrigen sollte das Rennbahnquartier so gebaut und organisiert werden, dass jeder im Alltag so wenig auf ein Auto angewiesen ist wie möglich. Mit dem Fahrrad ist es ein Katzensprung bis zur Berliner Freiheit, dem nächsten Supermarkt oder dem Arbeitsplatz bei Mercedes oder Krupp Atlas.
Es wird viel über die Frage diskutiert wie viele Wohnungen am Schluss entstehen sollen. Wir meinen, dass diese Frage über Testentwürfe und Alternativplanungen entschieden werden sollte.
Fazit:
Wir wollen die Hälfte der 35 Hektar für Wohnen nutzen und die andere Hälfte für Grün, Sport, Freizeit und eine Festwiese – Halbe:Halbe ist ein fairer Kompromiss.
Wir wollen bezahlbare Wohnungen auf der Rennbahn. Die brauchen wir dringend, um gegen die Immobilien- und Mietpreisspirale anzugehen.
Wir wollen, dass ein Quartier für alle entsteht: mit Wohnungen für Familien, Singles, Alte und Junge. Und auch die Bebauung soll diese Vielfalt ausdrücken. Hochhäuser an dieser Stelle lehnen wir ab.
Wir wollen, dass das neue Quartier dazu beiträgt, die Verkehrsprobleme des Bremer Ostens zu verringern.
Wir wollen das Rennbahnquartier, Sebaldsbrück und die Vahr mit einem Grünzug und einem renaturierten Bach für alle Bürgerinnen und Bürger verbinden.
Wir wollen die schöne alte Tribüne erhalten und am besten kommt die Festwiese direkt davor.
Wir wollen mit hohen ökologischen Standards bei der Bebauung und bei der Gestaltung der grünen Hälfte zeigen, dass die Stadt wachsen kann und das Grün mitwächst.
Bremen, 29. Januar 2019