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Besserer Schutz vor Messerangriffen
Besserer Schutz vor Messerangriffen
Angriffe mit dem Messer sind besonders gefährlich. Dies gilt sowohl im häuslichen Bereich als auch dann, wenn Messer – bisher legal – in der Öffentlichkeit zugriffsbereit mitgeführt werden. Messerangriffe führen regelmäßig zu erheblichen Verletzungen und können im schlimmsten Fall tödlich enden.
Steigende Zahlen geben Anlass zur Besorgnis
Die Datenlage insgesamt ist zwar noch nicht ausreichend valide, da Messerangriffe erst seit 2020 statistisch in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfasst werden. Zudem ist die Forschungslage insbesondere im Hinblick auf Prävention als überaus dürftig zu beschreiben. Nach der PKS kann jedoch festgehalten werden, dass Angriffe mit Messern oder mit Waffen weiterhin in hoher Zahl verübt werden. Die Entwicklung der Messerangriffe in der Polizeilichen Kriminalstatistik des Bundes verdeutlicht, dass sich die Anzahl von 2022 auf 2023 weiter erhöht hat. Insgesamt wurden in 8.951 Fällen Messer im Zusammenhang mit einer gefährlichen und schweren Körperverletzung (2022: 8.160 Fälle) und in 4.893 Fällen (2022: 4.195 Fälle) bei Raubdelikten eingesetzt. In der Stadtgemeinde Bremen wurden im vergangenen Jahr 315 Messerangriffe erfasst (2022: 278), in der Stadtgemeinde Bremerhaven waren es 76 Messerangriffe (2022: 63). Die Bundespolizei berichtet, dass in ihrem Zuständigkeitsbereich (bundesweit) im Jahr 2023 insgesamt 777 Messerangriffe zu verzeichnen waren, in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres wurden bereits 430 solcher Fälle aufgenommen. Die Berliner Charité berichtet aktuell über eine Verdoppelung von Stichverletzungen im ersten Halbjahr 2024 gegenüber den Vorjahren.
Echtes Sicherheitsproblem trotz rechtspopulistischer Stimmungsmache
Zu einer nüchternen Bestandsaufnahme gehört auch die Feststellung, dass Messerkriminalität nicht selten Gegenstand von rechtspopulistischer Stimmungsmache ist. Begünstigt wird diese durch ein verzerrtes Bild in der medialen Berichterstattung: Obwohl statistisch gesehen die meisten Straftaten mit dem Tatmittel Messer von deutschen Tatverdächtigen begangen werden, wird in Fernseh- und Zeitungsberichten fast nur bei nicht-deutschen Tatverdächtigen die Herkunft genannt. Unterbleibt hingegen die Angabe der Herkunft, so wie es der Deutsche Pressekodex aus guten Gründen vorsieht, wird in den sozialen Medien von interessierter Seite regelmäßig über einen angeblichen Migrationshintergrund der Tatverdächtigen oder unbekannten Täter spekuliert. Mit hetzerischen Begriffen wie „Messereinwanderung“ oder „Messermigranten“ wird dabei allzu oft ein Narrativ bedient, das die Gesellschaft spalten soll.
Dieser Instrumentalisierung ist ebenso konsequent entgegenzutreten wie der tatsächlich problematischen Entwicklung. Die statistische Zunahme von Messerangriffen passt in das gesellschaftliche Gesamtbild, das durch eine zunehmende Verrohung gekennzeichnet scheint. Dies hat auch dazu geführt, dass das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung erheblich beeinträchtigt ist. Dies kann und darf Politik nicht tatenlos hinnehmen.
Gesamtgesellschaftliche Herausforderung
Die Polizei allein kann dieser Entwicklung nicht Herr werden. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Bloße Strafmaßverschärfungen oder populistische Forderungen wie beispielsweise nach der Herabsetzung der Strafmündigkeit Minderjähriger wie auch nach schnelleren Abschiebungen im Anschluss von Straftaten mit dem Tatmittel Messer sind nicht zielführend.
Die zu treffenden Maßnahmen dürfen nicht nur auf die wenigen, medial überpräsenten Fälle zugeschnitten sein. Ein hoher Anteil der gefährlichen und schweren Körperverletzungen mit dem Tatmittel Messer sind Fälle häuslicher Gewalt, in der Regel Partnerschaftsgewalt. Selbst durch die umfassendsten Regelungen lassen sich schlimmste Taten wie etwa die fürchterliche Tötung des Polizeibeamten Rouven Laur am 31. Mai 2024 nicht verhindern. Gleichwohl müssen die zu treffenden Maßnahmen nicht nur dem Schutz der Bevölkerung im Allgemeinen dienen, sondern auch insbesondere den Polizist*innen, die in ihrer täglichen Arbeit mit Bedrohungen und Gewalt konfrontiert sind.
Es somit geboten, ein umfangreiches Maßnahmenpaket zu schnüren, das zum Ziel hat, zum einen das Mitführen von Messern im öffentlichen Raum und zum anderen Messerangriffe bzw. die Begehung von Straftaten mit dem Tatmittel Messer erheblich zu reduzieren.Ein Schwerpunkt muss dabei auf Prävention liegen, und zwar vor allem in Familien und bei Kindern und Jugendlichen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Großteil der Taten von männlichen Personen begangen wird und insbesondere junge Männer offenbar zunehmend dazu neigen, Messer in der Öffentlichkeit mit sich zu führen.
Flächendeckendes Mitführverbot
Ein weiterer Schwerpunkt muss daher auf der Durchsetzung eines Mitführverbots mit vertretbarem Aufwand liegen. Es ist klar, dass die ohnehin schwer belasteten Polizeien nicht in der Lage wären, regelmäßig personalintensive Kontrollen in speziellen Messerverbotszonen durchzuführen. Auch deshalb ist ein flächendeckendes Mitführverbot erforderlich, so dass etwaige Verstöße auch bei anderweitig veranlassten Kontrollen festgestellt und geahndet werden können. Zudem sollten individuelle Messertrageverbote mit erhöhter Strafandrohung gegen einschlägig polizeibekannte Personen ausgesprochen werden können, die sich dann auch gezielt kontrollieren lassen.
Es muss zum einen gelingen, deutlich zu machen, dass allein das Mitführen von Messern lebensgefährlich sein kann. Zum anderen braucht es eine Umkehr des Regel-Ausnahme-Verhältnisses dahingehend, dass das Mitführen (und Tragen) von allen Messern in der Öffentlichkeit grundsätzlich verboten und nur in wenigen Ausnahmefällen zulässig ist.
Für einen besseren Schutz vor Messerangriffen fordert die Bürgerschaftsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN daher:
dass das Mitführen von Messern in der Öffentlichkeit grundsätzlich als Ordnungswidrigkeit eingestuft wird und verbotswidrig mitgeführte Messer eingezogen werden können; ausgenommen bleiben soll, wie schon in den geltenden Waffenverbotszonen, das Mitführen in geschlossenen Behältnissen oder aus berechtigten Interessen wie insbesondere im Zusammenhang mit der Berufsausübung;
die rechtlichen Möglichkeiten für strafbewehrte Waffenverbote gegen unzuverlässige Personen nach § 41 des Waffengesetzes auszuweiten, damit sie ein generelles Mitführverbot von Messern umfassen können;
gegenüber einschlägig polizeibekannten Personen die bestehenden Möglichkeiten, individuelle Messertrageverbote zu verfügen, konsequent zu nutzen;
ein Präventionsprogramm zur Verhinderung von Messergewalt für Schule, Jugend-, Jungen- und Integrationsarbeit zu konzipieren und umzusetzen;
im Rahmen des kommenden Periodischen Sicherheitsberichts für das Land Bremen die Beweggründe und gesellschaftlichen Veränderungen im Hinblick auf das Mitführen von Messern untersuchen zu lassen und darauf fußend Bekämpfungsstrategie und Präventionskonzept nachzuschärfen;
die Einsatzbekleidung für Polizist*innen dahingehend zu überprüfen, inwieweit Verbesserungen im Hinblick auf Stichschutz möglich sind;
ein Mitführverbot von Messern in die Beförderungsbedingungen der Personennahverkehrsunternehmen im Land Bremen aufzunehmen;
bis auf Weiteres mindestens einmal jährlich eine öffentliche Möglichkeit anzubieten, bei der Messer straffrei abgegeben werden können;
zu prüfen, inwiefern Messerkontrollen in Bremen und Bremerhaven im Zuge der Sicherheitspartnerschaft mit der Bundespolizei an den Hauptbahnhöfen durchgeführt werden können;
eine strengere Regulierung des Verkaufs von besonders gefährlichen Messern, insbesondere ein Verbot des Verkaufs an Jugendliche und der öffentlichen Zurschaustellung z. B. in Schaufenstern
Bremen, den 20. August 2024