Umwelt- und Naturschutz
Baumschutzverordnung stärken
Bäume als Klima-Anlagen unserer Städte
Bäume sind die Klima-Anlagen von Bremen und Bremerhaven. In unseren Städten ist der Baumanteil überproportional hoch. In Bremen ist die Anzahl der Straßenbäume in den letzten Jahren noch einmal von 69.000 auf 73.000 gestiegen. Die Deputationen für Klima, Umwelt, Landwirtschaft und Tierökologie sowie Mobilität, Bau und Stadtentwicklung haben im März 2022 ein neues Handlungskonzept zum Thema Stadtbäume verabschiedet. Das Konzept definiert über 31 verschiedene Handlungsfelder, die den Schwerpunkten Baumschutz, Neupflanzungen, Klimaschutz und strukturelle Verbesserungen zugeordnet sind und thematisch ineinander greifen. Auch in Bremerhaven sind Bäume erfreulich stadtbildprägend. Die Anzahl von Straßenbäumen in Bremerhaven ist vergleichsweise geringer als in Bremen und beträgt 8.867. Die Gesamtzahl von Bäumen auf dem Stadtgebiet Bremerhavens beträgt rund 70.000. Das umfasst dann auch Parks und private Bäume. Besonders mit den beiden Bürgerparks identifizieren sich die Bremer*innen und Bremerhavener*innen.
Bäume sind stadtbildprägend und -verschönernd. Sie kühlen die Stadt ab, helfen bei Starkregenereignissen, bei der Versickerung und müssen ein entscheidender Bestandteil der Klimaanpassung urbaner Gebiete sein. Deshalb sind sie auch ein zentraler Baustein der Klimaanpassungsstrategie des Senates für Bremen und Bremerhaven. Im Rahmen der Stadtklimaanalyse Bremerhaven wurde die Notwendigkeit der Pflanzung von mehreren Hundert Straßenbäumen im Rahmen des Förderprogramms des Bundes „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ begründet. Das trifft insbesondere auf einige eng bebaute Siedlungsbereiche zu.
Bäume sorgen für ein gesundes Stadtklima. Sie sorgen für saubere Luft, binden Staub, verdunsten Wasser und kühlen bei Hitzeereignissen ab. In einer Stadt gibt es fortlaufend Zielkonflikte zwischen Baumschutz und Bauvorhaben, Hochwasserschutz oder auch Klimaschutz. Eine Querspange Ost beispielsweise spart sehr viel Autoverkehr, kostet aber vorhandene Baumsubstanz. Das ist dann immer in einer Gesamtschau abzuwägen. Sollten Bäume gefällt werden müssen, sind diese bei solchen heiklen Bauvorhaben möglichst überzukompensieren.
Rechtliche Grundlagen des Baumschutzes
Bäume im Lande Bremen sind zu geschützten Landschaftsbestandteilen (entsprechend dem Bremer Naturschutzgesetz in seiner Fassung von 2006) erklärt worden. Schutzzweck ist die Pflege und Erhaltung des Baumbestandes im Lande Bremen zur Sicherung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes, zur Abwehr schädlicher Einwirkungen auf das Stadtklima sowie zur Belebung, Gliederung und Pflege des Orts- und Landschaftsbildes. In der Bremischen Baumschutzverordnung ist dies dann genauer geregelt. Diese Baumschutzverordnung stammt in wesentlichen Teilen aus dem Jahr 1979 mit Änderungen in den Jahren 2002 und 2014. Ausgenommen sind Flächen, die nach dem Bremischen Waldgesetz (in der letzten Fassung vom 31.5.2005) Wald darstellen und darüber geschützt sind.
Es gibt auch Regelungen, die im Bundesrecht verankert sind. Nach § 39 Abs. 5 Nr. 2 des Bundesnaturschutzgesetzes ist es verboten, in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September Bäume, Hecken und Gebüsche abzuschneiden oder auf den Stock zu setzen. Dies betrifft auch Bäume und Sträucher, die sonst nicht geschützt sind. Die zuständige Dienststelle der Kommunen kann im begründeten Einzelfall, z. B. bei Gefahrenbäumen oder zur Durchführung genehmigter, nicht verschiebbarer Bauvorhaben, Befreiungen von diesem Verbot gewähren (§ 67 Abs. 1 Bundesnaturschutzgesetz). Das übliche Beschneiden der Hecken in den Sommermonaten fällt nicht unter dieses Verbot. Unter dem „üblichen Beschneiden von Hecken“ ist das Entfernen der jeweils jüngsten Triebe zu verstehen. Aus Vogelschutzgründen sollte dieses erst nach dem 24. Juni (Johanni) vorgenommen werden, weil davor noch Vögel brüten.
Bewertung der derzeit gültigen Fassung der Baumschutzverordnung des Landes Bremen
Unsere Baumschutzverordnung ist in die Jahre gekommen. Sie stammt aus einer Zeit, in der Baumschutz Bauvorhaben nicht erschweren sollte. Diese Zeiten haben sich verändert. Durch die Klimakrise und die Notwendigkeit der Klimaanpassung haben Bäume und insbesondere der Schutz des Altbaumbestandes eine viel größere Bedeutung erhalten. Heute ist also ein Miteinander von Bauen und Baumschutz erforderlich.
Manche Regelungen in der noch gültigen Baumschutzverordnung müssen verändert werden. Neue Bestandteile sollten hinzukommen. Momentan sind Laubbäume ab 120 cm Umfang geschützt – gemessen in einem Meter über dem Erdboden – und müssen bei Erlaubnis zur Fällung ausgeglichen werden. Bei Nadelbäumen (außer Taxus) und Weiden sind es sogar 300 cm. Geschützt sind langsamer wachsende Gehölze wie Obstbäume, die keiner erwerbsgärtnerischen Nutzung unterliegen, sowie Bäume der Gehölzarten llex (Stechpalme), Taxus (Eibe) und Crataegus (Weiß- oder Rotdorn) mit einem Stammumfang von mindestens 80 cm.
Keine Festlegungen gibt es zu stadtbildprägenden Hecken, Alleen oder Baumgruppen. Bei Nachpflanzungen sind standorttypische Sorten zu bevorzugen. Andere Kriterien wie insektenfreundliche oder klimaangepasste Sorten spielen keine Rolle. Die Festlegungen zum Baumschutz bei Baumaßnahmen oder zu Bußgeldern sind knapp.
Benchmark der Baumschutzverordnung des Landes Bremen
Es gibt Kommunen ohne Baumschutzverordnung wie zum Beispiel Lilienthal. Delmenhorst schützt Laubbäume ab 1 m Umfang, Achim Laubbäume ab 80 cm und Nadelbäume ab 1 m. München schützt wie Mainz Nadel- und Laubbäume ab einem Umfang von 80 cm. Köln schützt Nadel-und Laubbäume ab einem Umfang von 1 m. Berlin schützt Laubbäume und die Waldkiefer ab einem Umfang von 80 cm. Interessant ist ein Blick in unsere großen Nachbarstädte. Hannover schützt Laubbäume ab 60 cm und Nadelbäume ab 80 cm. Große Hecken stehen dort auch unter Schutz. In Hamburg stehen alle Bäume ab 25 cm Umfang unter Schutz (allerdings gemessen ab einer Höhe von 1,30 m). Hecken stehen ebenfalls unter Schutz. Das gilt übrigens schon seit 1948. Andere Regelungen in Hamburg sind nicht mehr zeitgemäß. Sinnvoll scheint eine Regelung wie in Köln. Dort stehen stadtbildprägende Alleen und Baumgruppen unter Schutz, wenn mindestens drei Bäume einen Umfang von 50 cm aufweisen. Andere Bäume, die dort 30 cm Umfang erreicht haben, stehen unter Schutz.
Reformbedarf für eine Novellierung der Baumschutzverordnung
Unser Ziel ist es, dass Bremen und Bremerhaven eine ambitionierte Baumschutzverordnung erhalten. Wir schlagen folgende wichtige Punkte für eine Novelle vor:
- Geschützt werden sollen alle Laub- und Nadelbäume ab einem Umfang von 80 cm. Denkbar wäre auch eine Regelung wie in Hannover mit 60 cm für Laubbäume und 80 cm für Nadelbäume.
- Alle Großsträucher mit einer Höhe von mindestens 3 m sowie alle
frei wachsenden Hecken werden geschützt. Als Hecken gelten überwiegend in Zeilenform gewachsene Gehölzstreifen mit einer Mindestlänge von 5 m und einer Mindesthöhe von 3 m, sie sollen geschützt werden. - Baumgruppen und Alleen sollen wie in Köln geschützt werden.
- Obstbäume, die keiner erwerbsgärtnerischen Nutzung unterliegen, sowie langsam wachsende Bäume der Gehölzgattungen Ilex (Stechpalme), Taxus (Eibe), Crataegus (Weiß- oder Rotdorn), Sorbus (Vogel- und Mehlbeeren) und der Gehölzart Acer campestre (Feldahorn) mit einem Stammumfang von mindestens 60 cm sollen geschützt werden.
- Alle Ersatzbäume sollen unabhängig von ihrem Stammumfang geschützt werden.
- Die Regelungen für den Baumschutz bei Baumaßnahmen sollen präzisiert und im Vollzug gestärkt werden.
- Sanktionierungen von nicht fachgerechter Baumpflege (laut ZTV-Baumpflegestandard) z. B. durch Kappung von Baumkronen, starke Astwunden sollen stärker möglich sein.
- Besonderer Schutz des Wurzelraumes (Traufbereich) und der Baumscheibe gegenüber Verdichtungen: Der Einbau von Baumschutzbügeln als Anfahrschutz ist in sensiblen Bereichen vorzusehen. Bei Neupflanzungen bzw. Nachpflanzungen ist ein bedarfsgerecht großer Wurzelraum (Pflanzgrube) und ausreichender Gas- und Wasseraustausch zu gewährleisten.
- Ersatzbäume müssen einen bestimmten Umfang haben. Bei Bäumen mit besonders großem Baumumfang sollen mehrere Ersatzpflanzungen realisiert werden.
- Es sollen möglichst regionale, klimatolerante und insektenfreundliche Sorten aus der Baumliste verwandt werden.
- In Hannover dürfen Bedienstete der Stadt private Grundstücke zur Kontrolle der Baumschutzsatzung betreten und müssen sich dafür als berechtigt ausweisen können. Das sollten wir auch einführen.
- Ablösebeträge und Bußgelder sollen in einem Baumfonds gebündelt werden, der Nachpflanzungen und der qualitativen Weiterentwicklung des Grüns nützt.
Über den Wert von Bäumen in der Stadt
Der Wert von Bäumen lässt sich aus verschiedenen Blickwinkeln beurteilen. Da sind zunächst vermeintlich ideelle Werte wie Lebensqualität und Stadtbild. Aber auch die schlagen sich zum Beispiel in Immobilienpreisen direkt nieder. Es gibt eine Korrelation zwischen Stadtteilen mit vielen, alten Bäumen und gehobenen Immobilienpreisen. Bäume beruhigen und tragen zur Gesundheit bei. Gut wissenschaftlich belegt, ist die positive Wirkung von Grün und insbesondere Bäumen auf die Psyche (vgl.: https://www.uni-jena.de/210126-strassenbaeume).
Das ist aber für sich finanziell schwer messbar. Anders ist es beim reinen Gehölzwert. Je nach Masse und Alter sind das einige hundert bis einige tausend Euro.
Ein Viertel der bundesdeutschen CO2-Emissionen (220 Mio. Tonnen) werden durch Bäume gebunden. Das spricht übrigens auch sehr für Holzbau, weil hier das CO2 noch sehr viel länger gebunden bleibt.
In der Klimaanpassungsstrategie des Senates spielen Bäume und Altbäume zu Recht eine entscheidende Rolle. Pflanzungen im urbanen Umfeld beeinflussen den Wasser- und Energiehaushalt auf besonders positive Weise. Sie überführen Teile der vorhandenen Flüssigkeit in Gas. Durch Verdunstung und Freisetzung von Wasserdampf verbessern sie somit die klimatischen Bedingungen an ihrem Standort erheblich.
Bäume reduzieren Aufheizungen unter ihren Kronen. Die Temperaturunterschiede zu umliegenden besonnten Flächen können bis zu 20°C betragen. Dadurch kann die Lufttemperatur um bis zu 8°C kälter werden. Dieser Abkühlungseffekt ist bei Stadtparks wie unseren Bürgerparks bis in weit entfernte Bereiche messbar. Wirksamer als alle anderen Maßnahmen gegen die Überhitzung der Städte sind die alten Bäume.
Bäume erhöhen die Resilienz urbaner Quartiere bei Starkregenereignissen und filtern nebenbei noch Schwermetalle heraus.
Die Relevanz von Bäumen für die Biodiversität im urbanen Raum ist bedeutsam. Keine andere Pflanzenform ist so vielfältig wie der Baum mit Nischen wie mehrjährigen verholzten Baumteilen, die vielen Organismen Lebensraum bieten. Die vergleichende Studie BiodiverCity (OBRIST et al. 2012) in drei Schweizer Städten zeigte am Beispiel der Vögel den großen ökologischen Wert von Bäumen im urbanen Raum auf: Die Erhöhung der Anzahl der Bäume in Städten stellte die effektivste Maßnahme dar, um deren Biodiversität zu fördern.
Was ist nun ein einzelner Baum wert, der in der Stadt ersetzt wird/oder werden muss? Die höchstrichterlich anerkannte Berechnungsmethode ist übrigens die Methode Koch. In Baumschulen kostet beispielsweise eine alte Blutbuche 28.000 Euro. 40 Jahre alte Eichen sind für 14.000 Euro zu haben. Neueste Zahlen von Stadtverwaltungen kalkulieren etwa 4.000 Euro (in Grünanlagen oder privaten Bereich) bis 7.000 Euro (Straßenbäume) bei Neuanpflanzungen. Die neueste Zahl für Nachpflanzungen des Umweltbetriebs Bremen ging von 4.500 Euro Nachpflanzwert inklusive 5-jähriger Wässerung und Kontrolle aus. Wir haben 73.000 Straßenbäume in Bremen und 9.000 in Bremerhaven. Hinzu kommt eine kaum geringere Anzahl in Parks, Grünanlagen und Wäldern. Außerdem ist eine hohe, unbekannte Zahl an Bäumen im privaten Bereich festzustellen. Der reine Nachpflanzwert wäre schon im Milliardenbereich. Wir haben es also mit enormen Werten zu tun. Der Erhalt der Bäume und die Weiterentwicklung des öffentlichen Grüns sind entscheidend dafür, ob die Klimaanpassung gelingt und die Lebensbedingungen in Bremen und Bremerhaven erträglich bleiben.
In der Tasco Baumzeitung wurde schon 2007 versucht, den Wert von Bäumen zu ermitteln. Man kam auf einen Wert von 660 Euro jährlich. Im Bremischen Projekt „Bresilient“ wurde der Wert von Bäumen genau untersucht. Im Durchschnitt bindet ein Baum in seinem Leben für 916 Euro Luftschadstoffe und im Wert von 490 Euro CO2. Bei der dort angenommenen Pflanzung von 1.400 Bäumen bis 2030 geht man von 6,8 Mio. Euro an Kosten für Pflanzung und Pflege aus. Dem steht ein monetärer Nutzen von 50 Mio. Euro bis 2050 gegenüber. Dies entspricht einem gesamtwirtschaftlichen Netto-Nutzen von 43 Mio. Euro.
Investitionen in den Baumschutz zahlen sich vielfach aus
Bäume haben neben einem erheblichen ideellen Wert eine unschätzbare Aufgabe zur Bewältigung der Klimakrise. Der rein materielle Wert ist riesig. Die Unterschutzstellung eines viel größeren Teils unseres Baumbestandes bedeutet nicht, dass Fällungen verhindert werden. Es bedeutet aber, dass viel mehr Bäume ersetzt werden. Dafür wird unbedingt zusätzliches Personal und mehr Digitalisierung benötigt.Sorgsamer kann man kaum mit Finanzmitteln umgehen. Jede zusätzliche Personal-Stelle wird in diesem Bereich ein Vielfaches an Werten erhalten und schaffen. Auch die Stärkung des Baumschutzes bei Baumaßnahmen wird zwei zusätzliche Stellen benötigen.Dadurch können aber Schäden durch grobe Verstöße verringert sowie Bußgelder erhoben werden. Allein dieser Kontrolldruck wird eine wirksame Maßnahme für den Erhalt unseres wertvollen Altbaumbestandes sein. Wenn wir in diesen Bereichen nicht erheblich unsere Bemühungen erhöhen und einen viel größeren Aufwand betreiben, verschlafen wir riesige Potenziale in der Klimaanpassung und für die Biodiversität. Investitionen in Bäume und Baumschutz ergeben die allerbeste urbane Rendite jetzt und für die Zukunft.
Bremen, den 22. Juli 2022