Beiräte
Änderungsbedarf Beiräteortsgesetz
Vorbemerkung:
Seit der letzten Novelle des Ortsgesetzes für Beiräte und Ortsämter ist an verschiedenen Stellen ein Änderungs- bzw. Anpassungsbedarf entstanden. Zu diesem Zweck ist eine Arbeitsgruppe der Obleute der Bürgerschaftsfraktionen, Beiratsprecher*innen und Ortsamtsleiter*innen gebildet worden, die Vorschläge entwickeln soll. Bei einem Beirätetreffen der Grünen am 18. Januar 2021 haben die folgenden Vorschläge breite Unterstützung erfahren:
1. Beteiligungs- und Entscheidungsrechte der Beiräte im Verkehrsbereich klarstellen und modernisieren, §§ 9, 10
a. Das Verwaltungsgericht (VG) hat in einem Urteil zur Bürgermeister-Spitta-Allee Ende 2019 festgestellt, dass der Begriff „stadtteilbezogen“ in §§ 9, 10 nicht eindeutig genug bestimmt, welche Maßnahmen unter dieses Entscheidung recht fallen: sicher reiche es nicht, „…wenn und soweit diese Maßnahme überhaupt einen Stadtteilbezug aufweist, sondern erst dann, wenn und soweit die Maßnahme eine überwiegend stadtteilbezogene Bedeutung hat.“
Um zukünftige Streitigkeiten zu vermeiden und das Gesetz gleich eindeutig zu formulieren, schlagen wir vor, allgemein den Ausdruck „stadtteilbezogen“ durch „überwiegend stadtteilbezogen“ zu ersetzen; das betrifft in § 10 Abs. 1 die Nr. 1, 3, 7 und 8, Abs. 2 Nr. 3.
b. In demselben Urteil hat das VG zum wiederholten Mal festgestellt, dass die Einordnung der straßenverkehrsrechtlichen Maßnahmen mit überwiegendem Stadtteilbezug in § 10 Abs. 1 falsch ist, da der Beirat in diesen Fällen nicht entscheiden könne, sondern die zuständige Straßenverkehrsbehörde nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) lediglich das Einvernehmen mit dem Beirat zu suchen habe.
Deshalb schlagen wir vor, die Nr. 3 von Abs. 1 zu verschieben nach Abs. 2 – denn hier sind bereits vier Fragenkomplexe aufgelistet, in denen das Einvernehmen mit dem Beirat herzustellen ist. Außerdem schlagen wir für diese Vorschrift – um zukünftige Streitfälle zu verhindern - eine präzisere Formulierung dieser Vorschrift vor, indem die nach der StVO möglichen Maßnahmen genannt werden, für die die Straßenverkehrsbehörde das Einvernehmen mit dem Beirat herstellen muss:
Abs. 2 Nr. 5 (neu): „Anordnungen zur Kennzeichnung von Tempo-30-Zonen, von Fahrradzonen, von Fußgängerbereichen, von verkehrsberuhigten Bereichen und von Parkmöglichkeiten für Bewohnerinnen und Bewohner sowie Anordnungen zum Schutze der Bevölkerung vor Lärm und Abgasen oder zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung im Stadtteil.“
c. Wir meinen allerdings, dass die Beiräte auch weiterhin Entscheidungsrechte im Bereich von Verkehrsmaßnahmen in ihrem Beiratsgebiet haben sollten, soweit die Auswirkungen überwiegend stadtteilbezogen sind. Da es sich nicht um straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen handeln kann (s.o.), sehen wir allerdings die Möglichkeit, den Beiräten (neue) Entscheidungsrechte im straßenrechtlichen Bereich zu geben: das Straßenrecht ist (abgesehen von Bundesautobahnen und Bundesstraßen) Landesrecht, hier kann also den Beiräten per Gesetz ein Entscheidungsrecht gegeben werden. Außerdem schlagen wir vor, in Nr. 3 auch ausdrücklich entsprechende Baumaßnahmen aufzunehmen –in diesem Punkt stellte das VG eine nicht eindeutige Formulierung des Gesetzes fest.
Unser Vorschlag ist also, die Nr. 3 des § 10 Abs.1 folgendermaßen zu ändern:
„3. straßenrechtliche Verfügungen oder Maßnahmen, zum Beispiel straßenrechtliche Widmungen, Umstufungen und Entwidmungen, sowie Straßenaus- und -umbaumaßnahmen mit verkehrslenkenden, -beschränkenden und –beruhigenden Wirkungen, soweit diese überwiegend stadtteilbezogen sind;“
d. Und dann bleibt da noch eine Unklarheit, die vom VG auch schon häufiger moniert wurde: warum weisen die in § 9 Abs. 1 Nr. 13 und in § 10 Abs. 1 Nr. 7 geregelten Sachverhalte in all ihrer Ähnlichkeit (bis auf die Stadtteilbezogenheit) doch gewisse Unterschiede auf - welche Bedeutung haben diese Unterschiede?
§ 9 Abs. 1 Nr. 13 | § 10 Abs.1 Nr. 7 |
Aus- und Umbau von Straßen, Wegen, Plätzen, Grün- und Parkanlagen. | Ausbau, Umbau, wesentliche Um- und Zwischennutzung und Benennung von öffentlichen Wegen, Plätzen, Grün- und Parkanlagen, soweit diese stadtteilbezogen sind; |
Da hier keine unterschiedlichen Sachverhalte gemeint sind, schlagen wir vor, für § 9 Abs. 1 Nr. 13 die Formulierung aus § 10 Abs. 1 Nr. 7 zu übernehmen. Allerdings schlagen wir die Nr. 13 in § 10 die Ergänzung vor: „ …, wenn sie überwiegend stadtteilübergreifende Bedeutung haben, wenn mehrere Beiratsbereiche betroffen sind oder wenn ein Gesamtkonzept des Senats vorliegt.“
Diese Ergänzung ist notwendig, um die jeweiligen Anwendungsbereiche klar voneinander zu trennen.
e. Außerdem möchten wir dafür sorgen, dass Beiräte zukünftig nicht mehr verhindern, dass ein Gesamtkonzept des Senats zu bestimmten verkehrlichen Fragen umgesetzt wird - zum Beispiel Herstellung der Barrierefreiheit des öffentlichen Straßenraums oder die Beschleunigung einer nachhaltigen Verkehrswende. Wenn ein solches Konzept auch den Zustand und die Nutzbarkeit von Straßen umfasst, die im Entscheidungsrecht eines Beirates liegen, können bisher einzelne Beiräte die Umsetzung des Konzeptes in ihrem Stadtteil verhindern.
Wir schlagen deshalb vor, in § 10 Abs.1 sowohl in Nr. 3 als auch in Nr. 7 anzufügen: „ … soweit diese überwiegend stadtteilbezogen sind und nicht im Widerspruch zu einem Gesamtkonzept des Senates stehen;“.
2. § 10 Abs. 3 Stadtteilbudgets
Bewusst hat die Stadtbürgerschaft bei der Einführung der Stadtteilbudgets in § 10 Abs. 3 die Pluralform des Wortes gewählt – es war immer beabsichtigt, außer dem Stadtteilbudget im Verkehrsbereich, das es sein einigen Jahren gibt, auch noch weitere einzuführen. Das Ergebnis der Evaluation liegt nun vor. Insgesamt hat sich das Verkehrs-Stadtteilbudget bewährt und es sind viele gute Maßnahmen dadurch umgesetzt worden. Es ist nun an der Zeit, weitere Stadtteilbudgets auch in anderen Einzelplänen der Ressorts einzuführen. Von den befragten Beiräten wurden als Wunsch am häufigsten genannt Stadtteilbudgets in den Bereichen Kunst/Kultur, Umweltschutz und Soziales. Wir schlagen vor, dass ein Stadtteilbudget für Klimaschutzmaßnahmen auf Stadtteilebene gebildet werden soll. Die Mittel sollten eher mit Hilfe einer Jury oder eines Unterausschusses nach Kriterien/Qualität als nach dem Gießkannenprinzip vergeben werden.
Da es bisher noch kein Entscheidungsrecht der Beiräte nach § 10 Abs. 1 in diesen Fragen gibt (und nur für solche Entscheidungsrechte kann ein Stadtteilbudget gebildet werden), schlagen wir ein neues Beiratsrecht vor: Initiierung von Klimaschutzprojekten auf Stadtteilebene.
3. Digitalisierung
§ 14 Abs. 1: Beiratssitzungen sollen – auch nach Ende der Pandemie-Bekämpfungs-Beschränkungen - gestreamt werden können – die Möglichkeit/Bedingungen dafür sollten hier eingefügt werden. Dafür muss Geld eingestellt werden. Dieses kann dann verwendet werden für die Anschaffung eines entsprechenden Equipments in den Beiräten, aber auch für die Beauftragung eines Dritten zur Durchführung; zu dessen Einsatz ist personelle Unterstützung nötig, aber auch mehr digitale Kompetenz in den Ortsämtern und für den Bereich sozialer Medien. Das könnte ein*e Digitalassistent*in sein, angesiedelt bei der Senatskanzlei. In diesem Zusammenhang muss geregelt werden, wie Abstimmungen in Videokonferenzen oder Hybridsitzungen rechtssicher durchgeführt werden. Für Umlaufverfahren zwecks Abstimmung schlagen wir ein einfach zu handhabendes und auswertbares Abstimmungstool vor, wie es in der Neustadt schon seit längerem verwendet wird.
4. Beirats-übergreifende Zusammenarbeit
Wir wollen mehr beirats-übergreifende Zusammenarbeit anregen und stärken. § 24 Abs. 1 ermöglicht die Einsetzung von nicht ständig tagenden Regionalausschüssen. Bisher ist dies nicht sehr oft geschehen; wenn doch, hat sich diese Zusammenarbeit aber immer als fruchtbar und erfolgreich erwiesen.
5. Schnittstelle Beiräte/Bürgerschaft stärken/Rederecht von Beiratsvertreter*innen in der Stadtbürgerschaft
Es ist uns ein großes Anliegen, die Schnittstelle zwischen Beiräten und Stadtbürgerschaft zu stärken. Wir wollen, dass die Beiräte ein größeres Gewicht erhalten, indem sie (vertreten durch die Beiratssprecher*innen oder Vertreter*innen) häufiger zu relevanten Themen in der Stadtbürgerschaft sprechen. Das Recht haben sie auch jetzt schon (wenn in bestimmten Fragen Uneinigkeit zwischen Beirat und einer zuständigen Stelle besteht, § 11 Abs. 3, und auch in übrigen Fällen, § 11 Abs. 4), allerdings wird auch dieses Recht äußerst selten wahrgenommen. Wir wollen ein Initiativrecht einführen, so wie wir es in unserem Beirätepositionspapier vorgeschlagen haben. Die Beirätekonferenz beschließt einen Antrag an den Bürgerschaftsausschuss, den dieser – egal, ob er ihm zustimmt oder nicht – an die Stadtbürgerschaft überweist, in der der Antrag dann diskutiert wird. Alternativ oder ergänzend könnte eine ähnliche Regelung, wie es sie schon in anderen Kommunalparlamenten gibt, eingeführt werden, nach der die Vertretung eines niedrig-rangigeren Gremiums in einem übergreifenderen Parlament sprechen kann (Beispiel Stadt Erfurt: Beiratssprecher*innen hätten dann das Recht, beratend an allen die Belange des Stadtteils betreffenden Sitzungen der städtischen Deputationen und Ausschüsse teilzunehmen und entsprechende Anträge zu stellen, sie könnten jederzeit zu einem Sachverhalt mit Stadtteilbezug Anfragen in Zuständigkeit der Stadtbürgerschaft mit bis zu drei Unterfragen an den Senat richten etc.). Möglicherweise könnte man analog zur Aktuellen Stunde eine Aktuelle Stadtteilstunde in der Stadtbürgerschaft einrichten. Es sollten Themen von übergeordneter Bedeutung und großem Interesse angemeldet werden. Der Bürgerschaftsvorstand entscheidet über die Zulassung eines Themas.
Die Beiräte sollten noch einmal deutlich auf die Möglichkeit hingewiesen werden, dass bei Konflikten zwischen Behörden und Beiräten, die zuständigen Deputationen schlichten und entscheiden. Das ist bislang nicht in Anspruch genommen worden und muss eventuell noch einmal deutlicher formuliert werden.
6. Sitzungsgelder
Eine Modernisierung ist auch notwendig für die „Verordnung über Pauschsätze nach dem Ortsgesetz über Beiräte und Ortsämter“: Um mehr und gerade auch jungen Menschen, die für die Pflege und Betreuung ihrer Kinder oder anderer Menschen mit dauerndem Betreuungsbedarf zuständig sind, die Tätigkeit in einem Beirat zu ermöglichen, müssen neben der Abgeltung des allgemeinen Aufwandes (12,50 €) auch die Kosten erstattet werden, die an eine Vertretung der Pflegeperson während der abrechenbaren Sitzungen zu zahlen sind. Nach § 3 kann aber in den Fällen, in denen die Pauschalvergütung keinen angemessenen Ausgleich für tatsächlich entstandene Aufwendungen bietet, vom Beirats- oder Ausschussmitglied in Härtefällen stattdessen der Ersatz von Aufwendungen beansprucht werden. Als Beispiel für einen solchen Härtefall wird lediglich genannt, wenn außergewöhnlich hohe Fahrtkosten entstanden sind. Hier halten es für notwendig, die Erstattung von Kosten für die Kinderbetreuung und für die Pflege von Angehörigen in der Zeit, die für die Sitzungen aufgewendet werden müssen, ausdrücklich zu nennen.
Bremen, den 11. Februar 2021