Die Sitzungen im September 2009

Die Sitzungen im September 2009

Aus dem Landtag vom 1.10.2009

 

"Ihr Antrag ist viel Lärm um nichts – wir lehnen ihn ab."

Die CDU-Fraktion hatte den Antrag "Bremen und Bremerhaven als mobile Städte erhalten und gleichzeitig verbesserten Lärmschutz gewährleisten!", der unter anderem vorsah, generelle Tempolimits in Bremen und auf den Autobahnen abzulehnen, zur Abstimmung gestellt. Zum Thema Lärmschutz waren allerdings nur Maßnahmen aufgelistet, die entweder Bremen nicht entscheiden oder nicht bezahlen kann. Motiv für diesen Antrag war offenbar nicht Lärm- und Gesundheitsschutz, sondern die Berichterstattung der letzten zwei Wochen über den Bürgerschaftsantrag der grünen Fraktion "Verbesserter Lärmschutz durch stärkere Geschwindigkeitsbegrenzungen", den sie ihrem SPD-Koalitionspartner vorgeschlagen hatte. Dieser Antrag erreichte dann zwar nie die Bürgerschaft, wohl aber die Presse.

Dabei war auch im grünen Antragsentwurf klargestellt, dass flächendeckendes Tempo 30 in Bremen genauso wenig beabsichtigt war wie Geschwindigkeitsbegrenzungen auf allen Bremer Autobahnen. (Zum Nachlesen siehe hier).

"In einem der Zeitungszitate von Herrn Sieling heißt es 'Lärm muss bekämpft werden, dort wo er entsteht.' Heißt, wenn der Verkehrslärm die Ursache ist, muss man auch am Verkehr ansetzen", so Maike Schaefer in der Debatte. Sie verwies darauf, dass die meisten Schutzmaßnahmen wie Lärmschutzwände oder Flüsterasphalt angesichts der Haushaltslage nicht bezahlbar sind. "Was kann man stattdessen tun? Das was andere Städte auch machen. Fahren Sie mal durch die Republik: Es gibt viele Städte, an deren Autobahnen Sie inzwischen Schilder finden, auf denen aufgrund von Lärmschutz Geschwindigkeitsbegrenzungen eingeführt wurden, und besonders nächtliche Temporeduzierungen zwischen 22 und 6 Uhr. Eine Temporeduzierung in unmittelbarer Nähe zu Wohnbebauung, zum Beispiel auf 80 km/h nachts, würde den Lärm halbieren! Das würde den betroffenen Menschen helfen und nicht nur Larifari-Forderungen, von denen wir vorher entweder wissen, wir können sie nicht bezahlen, oder sie tun nicht weh, weil es irgendwelche bürokratischen Aufforderungen sind, die irgendwann vielleicht mal abgearbeitet sind, ohne dass bis dahin vor Ort sich was getan hat."

Maike Schaefer fasste am Ende ihrer Rede zusammen: "Für uns Grüne gehört zu einer modernen urbanen Stadt, dass Mobilität und Wohnen nebeneinander existieren. Wir wollen, dass Menschen weiterhin in Bremen leben möchten und dazu gehört effektiver Lärmschutz. Bremen hat kein Geld? Tempolimits sind kostengünstig, effektiv und schnell umsetzbar.Dies ist Gesundheitsschutz und verbesserte Wohnqualität. Und Menschen, egal wo sie wohnen und egal welchen sozialen Status sie haben – sprich wo sie es sich leisten können zu wohnen –, sie alle haben ein Anrecht auf Gesundheitsschutz, und das heißt auch Lärmschutz."

Der CDU-Antrag übrigens wurde abgelehnt.

 

Kulturförderung den sich wandelnden Bedürfnissen anpassen

Die Enquetekommission des Deutschen Bundestags "Kultur in Deutschland" hatte in ihrem Abschlussbericht 2007 den Ländern und Kommunen empfohlen, zu untersuchen, wie sich der demografische Wandel auf den Kulturbetrieb in Deutschland auswirkt. Zur heute nun debattierten Großen Anfrage zu dem Thema hatten die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN auch einen Antrag gestellt. Darin wird der Senat aufgefordert, seine Kulturförderung den gesellschaftlichen Veränderungen anzupassen. Das betrifft vor allem Kulturangebote für ältere Bürgerinnen und Bürger, Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit geringem Einkommen und Kinder und Jugendliche.

Die grüne Kulturpolitikerin Karin Krusche hob in der Diskussion die Kernfragen hervor: "Wie verändert sich die Nachfrage nach Kulturangeboten? Wie müssen sich Kultureinrichtungen verändern, um auch künftig für alle gesellschaftlichen Gruppen und die sich weiter ausdifferenzierenden Milieus ein attraktives kulturelles Angebot in unseren Städten bereitzustellen? Wie kann und wie muss die Kulturpolitik diese Entwicklung begleiten?"

In der Parlamentsaussprache konzentrierte sie sich auf – aus grüner Sicht – zwei zentrale Punkte: Die Anzahl von Kindern und Jugendlichen nimmt ab, und um so wichtiger sei es, diesen Altersgruppen schon vom Kindergarten an den Zugang zu Kultur, zu Tanz, Theater, Musik und Kunst zu erleichtern. Die weitere wichtige Aufgabe ist es, Migrantinnen und Migranten angemessen an kulturellen Angeboten zu beteiligen:

"Der frühe Zugang zu kulturellen Angeboten und eigenen künstlerisch-kulturellen Aktivitäten prägt die spätere Nachfrage nach Kultur", führte Krusche aus. "Ein Kind, das nie ein Museum oder ein Theater oder die Kunsthalle besucht hat, das nie Kontakt zu Musikinstrumenten hatte, wird auch als Erwachsener größere Hemmschwellen haben, entsprechende Kultureinrichtungen zu besuchen oder gar selbst künstlerisch tätig zu werden." Es gebe schon viele hervorragende Beispiele für Kooperationen von Kultureinrichtungen mit Kindergärten und Schulen. Diese müssten aber ausgeweitet werden, wozu sich der Ausbau der Ganztagsschulen besonders anbiete. Krusche wies aber darauf hin: "Kulturelle Bildung eine ressortübergreifende und kann nicht allein vom Kulturressort bewältigt werden."

"Bis zum Jahr 2020 wird sich der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund auf 33 Prozent erhöhen, in Bremerhaven wird der Anteil etwas niedriger bleiben. Aus demografischen Gründen ist es also unerlässlich, dass der Kulturbereich sich dieser Herausforderung stellt. Und dies machen bereits beispielhaft die Bremer Bürgerhäuser, die Volkshochschulen oder das Bremer Theater. Kultur kann und soll ein wichtiger Partner bei der Integration von Migrantinnen und Migranten sein."

Die besondere Herausforderung für die Kulturpolitik bestehe darin, so Krusche abschließend, "die freiwillige Leistung Kultur mit begrenzten finanziellen Ressourcen weiter infrastrukturell und entwicklungsoffen vorzuhalten. Dies ist keine leichte, aber lohnende Aufgabe für den Erhalt und die Fortentwicklung der kulturellen Vielfalt und der Kreativität in Bremen und Bremerhaven."

 

 

Verbessertes Wahlrecht ist ein großer Fortschritt

Nachdem im August die Verbesserungen in der Volksgesetzgebung den Weg in die Landesverfassung gefunden haben, stand heute die Weiterentwicklung des Wahlrechts auf der Tagesordnung. Der Ausschuss "Erleichterung der Volksgesetzgebung und Weiterentwicklung des Wahlrechtes" legte seinen Abschlussbericht vor.

"Wenn das Königsrecht des Parlaments die Aufstellung und Kontrolle des Haushalts ist", leitete Hermann Kuhn seinen Beitrag ein, "dann ist das Königsrecht der Bürgerinnen und Bürger das Recht zu wählen und gewählt zu werden. Aus aktuellem Anlass ergänze ich: oder eben auch nicht gewählt zu werden. Die Entwicklung der Demokratie war immer auch mit Weiterentwicklungen des Wahlrechts verbunden."

Der Kern des heutigen Berichts und Antrags kreist um den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl. Um das Erfordernis, dass jede und jeder das Recht zu wählen hat, und nur sehr gute Gründe Einschränkungen, Ausnahmen zulassen. Im Wesentlichen sollen folgende Punkte geändert werden:

Die rot-grüne Koalition will, dass Unionsbürgerinnen und -bürger (also Menschen aus anderen EU-Staaten, die hier leben) das Recht bekommen, auch den Landtag mit zu wählen. Wir sehen dies als einen kleinen Schritt, aber doch wichtigen Beitrag zur weiteren europäischen Integration, eines Europas der Bürgerinnen und Bürger.

Die rot-grüne Koalition will, dass auch Menschen aus Nicht-EU-Ländern das kommunale Wahlrecht erhalten, wenn sie längere Zeit – z. B. 5 Jahre – hier gelebt haben. Im Durchschnitt leben sie ja sehr viel länger hier. Diese Menschen leben hier, arbeiten hier, zahlen Steuern und Beiträge, haben Kinder, werden alt. Wir sind der Auffassung, dass sie endlich auch darüber mit reden können müssen, was für Schulen ihre Kinder besuchen, wo Wohnungen gebaut werden, welche Kultur der Staat fördert usw. Viele unserer europäischen Nachbarn machen das schon so, z. B. die Niederlande. Und so heftig dort zuletzt über Integration gestritten wird: Das kommunale Wahlrecht stellt niemand in Frage.

"Wir wissen, dass beiden Vorhaben gegenwärtig das Grundgesetz in der Interpretation des Bundesverfassungsgerichts noch entgegensteht und dass wir da dicke Bretter bohren müssen", führt Hermann Kuhn dazu aus. "Aber die Kritik an diesem althergebrachten Verfassungsverständnis wächst. Wir werden hier mit langem Atem weiter arbeiten, weil wir überzeugt sind, dass diese Ausweitung des Wahlrechts von elementarer Bedeutung ist für gelingende Integration."

Die rot-grüne Koalition will das Recht zu wählen auf 16 Jahre vorverlegen. In den letzten 20 Jahren hat sich der Zeitpunkt verschoben, an dem die jungen Menschen in der Regel die Eigenständigkeit und Selbständigkeit erworben haben, die Grundlage für politisches Urteilen und verantwortliche Entscheidungen sind. Die Gründe dafür liegen in Veränderungen der Gesellschaft und damit verbunden anderer Entwicklungslinien junger Menschen. "Die jungen Menschen müssen am längsten mit den Wirkungen der Entscheidungen von heute leben, sie müssen sie 'abarbeiten', sagte Kuhn zur Absenkung des Wahlalters. "Es ist richtig, dass sie so früh wie möglich und sinnvoll über die Gestaltung ihrer Zukunft mitentscheiden. Was in vielen Bundesländern auf kommunaler Ebene und damit auch in Großstädten schon selbstverständlich ist, wird auch in den überschaubaren Verhältnissen des Landes Bremen richtig sein."

Nicht geklärt werden konnte im Ausschuss, ob das Mandatsverteilungsverfahren nach der Einführung von Elementen der Personenwahl (kumulieren und panaschieren) verfassungsrechtlich problematisch ist oder nicht. Die Frage ist, welche Reihenfolge in der Zuordnung der Mandate am ehesten dazu führt, dass die Hervorhebung von einzelnen Kandidaten durch die Wählerinnen und Wähler dann auch klar und deutlich in der Mandatsverteilung ihren Niederschlag findet. Zwei Gutachter kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen.

"Wir haben uns im Ausschuss nicht einigen können. Die Mehrheit, auch wir, ist der Auffassung, das geltende Wahlrecht ist in Ordnung, die SPD ist anderer Meinung. In dieser Frage wird der Staatsgerichtshof angerufen", erläuterte Hermann Kuhn die Lage. "Ich persönlich bin sicher, dass wir im Mai 2011 auf der Basis des 2006 von ›Mehr Demokratie‹ erkämpften und mit den heutigen Beschlüssen verbesserten Wahlrechts wählen werden. Es ist ein großer Fortschritt!"

 

Aus dem Landtag vom 30.9.2009

 

Schwerpunktthema Lehrerinnen und Lehrer

Mit der Ausbildung von Lehrkräften und der Versorgung der Schulen mit Lehrerinnen und Lehrern befasste sich die Bürgerschaft in einem Debattenpaket über zwei Große Anfragen und drei Anträge.

Silvia Schön, für den Bereich Wissenschaft zuständig, ging im ersten Teil der Debatte auf die Ausbildung der Lehrkräfte ein: "Das gerade vor den Ferien beschlossene neue Schulgesetz wird und muss Auswirkungen auf die Lehramtsausbildung haben, weil es ja die Lehrerinnen und Lehrer geben muss, um dieses Gesetz mit Leben zu füllen."

Der rot-grüne Antrag fordert vom Senat bis Ende des Jahres ein Konzept zur Lehramtsausbildung. Silvia Schön hob in ihrer Rede die Punkte hervor, die uns besonders wichtig sind: "Wir wollen die Grundschullehrerausbildung aufwerten. Es kann nicht sein, das wie einerseits sagen 'Auf den Anfang kommt es an!' und gleichzeitig Grundschullehrer weniger Ausbildung bekommen als die anderen. Wir wollen, dass Bremen den Beschluss der Kultusministerkonferenz umsetzt, dass das Grundschul-, SEK I- und SEK II-Studium gleich lang sein und 300 Creditpoints umfassen sollen. Und uns ist die Vermittlung interkultureller Kompetenz sehr wichtig, denn in manchen Stadtteilen haben siebzig bis achtzig Prozent der Schülerinnen und Schüler einen Migrationshintergrund. Darauf muss sich die Lehramtsausbildung einstellen, genauso wie auf die gemeinsame Beschulung behinderter und nichtbehinderter Kinder!"

Es stelle sich aber auch die Frage nach den Berufschancen von Lehrerinnen und Lehrern nach Abschluss ihres Studiums: "Hier tragen wir besondere Verantwortung, weil sich Lehrerinnen und Lehrer nicht auf dem freien Markt bewegen wie Absolventinnen und Absolventen anderer Studiengänge, sondern Hauptabnehmer ist der Staat", leitete Schön ein grünes Hauptanliegen ein. "Deshalb meinen wir, dass Studierende, die sich für ein Lehramtsstudium entschieden haben, nach erfolgreichem Bachelorabschluss auch den Zugang zum Master garantiert haben müssen. Alles andere würde heißen, dass junge Menschen möglicherweise eine begonnene Ausbildung abbrechen müssten. Das darf nicht sein, das muss aus grüner Sicht dringend geregelt werden. Sonst schießen wir ein Eigentor, denn wer fängt mit solch einer unsicheren Perspektive noch ein Lehramtsstudium an?"

Anja Stahmann, bildungspolitische Sprecherin, übernahm den Part der Versorgung mit Lehrpersonal: "Über sechzig Prozent der Lehrkräfte gehen in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand. Das macht deutlich, dass das Thema Lehrernachwuchs für Bremerhaven und Bremen sehr wichtig ist."

Für die Schulentwicklung ist die Ausstattung mit Personal eine zentrale Säule. Deshalb nimmt das Thema einen wichtigen Platz in der Koalitionsvereinbarung ein. Stahmann: "Der massive Stellenabbau bei den Lehrkräften wurde von Rot-Grün gemeinsam gestoppt. Ich bin sehr froh, dass wir jede freiwerdende Lehrerstelle mit qualifizierten Bewerbern und Bewerberinnen wiederbesetzen. Ich bin auch sehr froh, dass wir die Altersteilzeit als Instrument für den sich vollziehenden Generationswechsel haben."

Es ist erklärtes Ziel der Grünen, in den nächsten Jahren das bestehende Stellentableau trotz des sich vollziehenden Rückgangs der Zahl der Schülerinnen und Schüler zu erhalten. "Das ist eine Grundvoraussetzung, um eine gute Unterrichtsversorgung und pädagogische Reformen abzusichern", so Anja Stahmann weiter.

 

Stärkung des sozialen Zusammenhalts

Der vom Senat vorgelegte Armuts- und Reichtumsbericht "Lebenslagen im Land Bremen" verdeutlicht, dass sich auch in Bremen die Einkommensschere weiter geöffnet hat und die sozialen Problemlagen in den vergangenen Jahren zugenommen haben. Dies zeigt, dass der Stärkung des sozialen Zusammenhalts eine herausgehobene Bedeutung zukommt.

Der Grünen-Sprecher für Soziales, Horst Frehe, machte die Entwicklung anschaulich: "Für ein Fünftel bis ein Viertel der Bremer Bevölkerung besteht das Risiko zu verarmen. Bereits 111.000 Bremerinnen und Bremer – das ist ein Sechstel der Bremer Bevölkerung – erhielten Transferleistungen, und ein Viertel von ihnen sogar, obwohl sie erwerbstätig sind. Während zwischen 2000 und 2006 die Löhne stagnierten oder leicht sanken, stiegen die Vermögenseinkommen um ein Viertel – und mehr als 40.000 Menschen waren arbeitslos."

Dass Armut nicht nur Einkommensarmut bedeutet, zeigte Frehe deutlich auf: "Armut heißt immer auch Ausschluss von der Teilhabe an der Gesellschaft. Das bedeutet schlechtere Gesundheit, weniger Bildung, weniger Kultur, weniger Mobilität, weniger politische Teilhabe – wie wir gerade aus der Wahlstatistik der Bundestagswahl ersehen konnten – und weniger soziale Beziehungen und Kontakte. Armut heißt daher immer auch weniger Lebensqualität!"

Wenn sich Armut verfestigt und quasi über Generationen weiter vererbt wird, schwindet der Bezug zur Gesellschaft: "Weniger gesellschaftliche Teilhabe heißt auch weniger gesellschaftliche Verantwortung", machte Frehe die Brisanz dahinter klar. "Wenn ein Gemeinwesen diese Bindungskraft verliert, verschärfen sich die Verteilungskämpfe, wachsen Kriminalität und Gewalt und blühende Stadtteile verfallen oder werden mit einer Mauer und privaten Wachdiensten geschützt, wie ich es in der achtziger Jahren schon in den USA erlebt habe."

Die Frage, welche Chancen wir haben, in unserem Bundesland die Lebenslagen der Bremerinnen und Bremer zu verbessern, beantwortete Horst Frehe: "Wir können weder Steuern auf Vermögen erheben noch die Sozialleistungen anheben. Wir können weder die Logistik- oder Automobilbranche vor Konjunktureinbrüchen bewahren noch große Beschäftigungsprogramme auflegen. Und wir können nur bedingt die Steuerkraft erhöhen und sind – wie beim Einbruch der Gewerbesteuern um vierzig Prozent – von der weltweiten Konjunktur abhängig. Dennoch können wir mit großer Anstrengung Armut in all ihren Formen in unseren beiden Gemeinwesen Bremen und Bremerhaven bekämpfen. Und das tun wir auch! Was wir zusätzlich machen können und überlegen sollten, haben wir beispielhaft in unserem Antrag aufgeschrieben."

So fordern die Koalitionsfraktionen den Senat u. a. auf, die im Armuts- und Reichtumsbericht dargestellten Strategien gegen Segregation und Ausgrenzung in ressortübergreifende Maßnahmen zu überführen und der Bürgerschaft Prioritäten für die Umsetzung der Maßnahmen vorzuschlagen. Dabei sollen auch die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel von den einzelnen Ressorts dargestellt werden. Zudem fordert Rot-Grün in zehn Punkten vom Senat:

  1. sich auf Bundesebene für eine bessere Absicherung des Regelbedarfs in den Grundsicherungsleistungen einzusetzen. Es ist darauf hinzuwirken, dass ein neues und flexibleres Bedarfsbemessungsverfahren etabliert wird, das eine schnellere und genauere Anpassung der Regelsätze an den tatsächlichen Bedarf der Leistungsbeziehenden ermöglicht und dass das System der einmaligen Leistungen auf einen weiteren Ergänzungsbedarf hin überprüft wird.
  2. auf Bundesebene weiterhin Initiativen zur Verbesserung arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen zu entwickeln und zu unterstützen.
  3. unter Nutzung aller arbeitsmarktpolitischen Instrumente den Ausbau sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze zu fördern und einen sozialen Arbeitsmarkt für Personen, die noch nicht auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelbar sind, zu etablieren.
  4. zu prüfen, auf welchen Gebieten Aufgaben der öffentlichen Hand selbst durchgeführt werden können, um auskömmliche Löhne zu ermöglichen. Dabei sollen die bisherigen Ansätze weiter entwickelt werden.
  5. zu prüfen, inwieweit Diskriminierung und soziale Ausgrenzung, die auf bestimmten Merkmalen wie Geschlecht, Migrationshintergrund, soziale Herkunft, sexuelle Orientierung, Alter oder Behinderung basieren, durch die Einstellungs- und Personalentwicklungspolitik verringert werden können.
  6. verstärkt Möglichkeiten zu prüfen, wie besonders erfolgreiche Projekte im Bereich der sozialen Stadtentwicklung, der Arbeitsmarkt- und der Sozialpolitik über den Rahmen zeitlich begrenzter Projektförderungen hinaus eine längerfristige Förderung erhalten können.
  7. durch die weitere Förderung von Quartiersbildungszentren an Schulen und die Weiterentwicklung von Kindergärten zu Familienzentren den Austausch unter den Bewohnerinnen und Bewohnern in den Stadtteilen zu intensivieren. Eine besondere Bedeutung haben dabei stadtteilübergreifende Projekte, die das Auseinanderdriften von Quartieren vermeiden.
  8. ein Programm zur "Stärkung der Selbsthilfe- und Beratungsstrukturen" für benachteiligte Bevölkerungsgruppen mit einer Absicherung und Verbesserung der Beratung und der Vernetzung zu entwickeln.
  9. darauf hinzuwirken, dass Zugangsbarrieren benachteiligter Bevölkerungsgruppen, zum Beispiel auf Grund des kulturellen Hintergrunds, bei der Wahrnehmung von Kulturangeboten beseitigt werden.
  10. bei der Planung und Entwicklung von neuen Wohngebieten auf eine soziale Vielfalt hinzuwirken. Die dafür erforderliche Infrastruktur soll geschaffen werden.

 

Mehr Menschen für Weiterbildung gewinnen

Stichwort "lebenslanges Lernen": Mit dem Antrag, das Bildungsurlaubsgesetz zu ändern, wollen die Grünen und die SPD mehr Menschen das Angebot von Weiterbildungsmaßnahmen leichter zugänglich machen. Es hat sich nämlich gezeigt, dass die Möglichkeit für Beschäftigte, Bildungsfreistellung für anerkannte Bildungsveranstaltungen unter Weiterzahlung ihres Gehalts zu erhalten, nur von deutlich unter fünf Prozent wahrgenommen wird.

Hier wird der Senat nicht nur aufgefordert, mehr für Bildungsurlaub zu werben. Mit der Änderung des Bildungsurlaubsgesetzes, statt der bislang fünftägigen Bildungsveranstaltungen auch ein-, zwei-, drei-, oder viertägige Weiterbildungen zuzulassen, wird die Hemmschwelle, die auf Arbeitnehmer- wie auf Arbeitgeberseite gleichermaßen vorhanden ist, gesenkt.

Silvia Schön, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der grünen Fraktion, verwies darauf, dass Deutschland im europäischen Vergleich hinsichtlich der Weiterbildung noch Entwicklungsland sei und stellte klar, "dass die Weiterentwicklung des Bildungsurlaubs nicht der große Wurf ist, um diese Aufholjagd zu gewinnen. Aber es ist ein Baustein, sich auf den Weg zu begeben."

Ein weiterer zentraler Punkt des Antrags ist die Zulassung privater Anbieter von Bildungsveranstaltungen. Dies erhöhe nicht nur das Angebot und damit die Chance für ArbeitnehmerInnen, die passende Veranstaltung zu finden, so Schön weiter: "Andere Bundesländer lassen private Anbieter zu. Und es kann ja nicht sein, dass die gleiche Veranstaltung in Niedersachsen als Bildungsurlaub anerkannt ist, in Bremen aber nicht. Es ist auch zweifelhaft, ob die Bremer Regelung überhaupt verfassungs- und EU-rechtskonform ist." Silvia Schön machte aber auch klar, dass die Qualitätskriterien für gemeinnützige wie für private Anbieter gleich sein müssen und Private keine öffentliche Förderung erhalten dürften.

Schön wies auf die Rolle der Bildung für den Zusammenhalt der Gesellschaft hin und verwies darauf, "dass gegenwärtig der überwiegende Teil derjenigen, die an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen, Abitur oder einen Hochschulabschluss hat. Hauptschüler sind deutlich unterdurchschnittlich dabei. Das muss sich ändern!"

 

Gendergerechte Investitionen in Sportstätten

Eine Große Anfrage, bei der die grüne Fraktion nicht mitmachen wollte, so dass der Koalitionspartner SPD sie allein stellte. Warum wir nicht mitmachen wollten? Nun, der Senat beantwortet diese Frage selber: Er beschränke sich nicht auf die Durchführung von Sondermaßnahmen für Frauen, sondern setze darauf, "bei allen Konzepten und Maßnahmen die etwaigen Auswirkungen auf die Situation von Frauen bzw. von Männern bereits in der Planungsphase aktiv und erkennbar zu integrieren und bei der Festlegung und Umsetzung zu berücksichtigen."

Die im Senat obligatorische Genderprüfung, betonte Björn Fecker, sportpolitischer Sprecher der Fraktion, beträfe nur einen Teil der Investitionen: "Dies sind die städtischen Investitionen, die in der Regel die Sanierung betreffen, also Bestandserhaltung beziehungsweise Optimierung städtischer Sportanlagen." Einen anderen, weitgehenden Teil der Sportinvestitionen trügen allerdings die Sportvereine selber, teilweise unterstützt durch die Wettmittel aus Lottoabgaben. "Und hier steht einer weitergehenden Eingriffstiefe die Vereinsautonomie entgegen. Hier müssen wir nochmal mit dem Landessportbund ins Gespräch kommen", sagte Fecker in der Debatte. Auch sei der Einfluss auf private Sportanbieter wie Fitness-Studios gering.

Das Problem der Vereinbarkeit von Familie und Sport hob Fecker in diesem Zusammenhang hervor: "Die Vereine arbeiten in der Regel ehrenamtlich. Damit sind Sportangebote für Frauen am Vormittag, wenn die Kinder in der Schule sind, kaum zu leisten."

Der Senat beabsichtigt, nach Ablauf des Jahrs 2009 eine Genderbilanz vorzulegen. Dann könnten etwaige Defizite und daraus abzuleitender Handlungsbedarf benannt werden.

 

Aus der Stadtbürgerschaft vom 29.9.2009

 

Bundesstraße 212n: Beschluss ist ein zweischneidiges Schwert

Bei den Planungen zum Anschluss der B 212n an Bremen lag der jüngst geschlossene Staatsvertrag mit Niedersachsen über u. a. gemeinsame Flächenpolitik noch nicht vor. Sonst wäre ein solcher Beschluss, der einseitig die Delmenhorster belastet, die Stromer entlastet, vielleicht anders zustande gekommen. "Dass die B 212n kommt, daran lässt sich nicht mehr rütteln, aber das ist auch jedem Kritiker klar", so die verkehrspolitische Sprecherin Maike Schaefer. "Die Frage war nur oder ist, wie wird sie verlaufen. Im April 2009 wurde das mit Bremen eng abgestimmte niedersächsische Raumordnungsverfahren mit der Feststellung der Südtrasse abgeschlossen."

Die Südvariante ist, so das Ergebnis der Umweltverträglichkeitsprüfung, die unter Umweltgesichtspunkten günstigste Trasse. Alle Varianten wurden schutzgutbezogen getrennt voneinander betrachtet und anschließend dem Variantenvergleich unterzogen. Hierbei wurden länderübergreifende Aspekte berücksichtigt. "Ich habe Sympathien für die verkehrsoptimierte Nordvariante", gestand Maike Schaefer, "und in dem Zusammenhang möchte ich mich auch noch einmal bei der Bürgerinitiative bedanken, die immer sehr engagiert und konstruktiv diskutiert hat. Aber dennoch ist es so, dass Bremen aufgrund des Natura-2000-Gebiets keine andere Wahl hat, als den südlichen Verlauf der Trasse zu beschließen."

Unter Natura 2000 ist ein Netz der Vogelschutz- und Flora-Fauna-Habitat-Gebiete zu verstehen. Diese Gebiete unterliegen bei schwerwiegenden Eingriffen – wie eben dem Bau einer Bundesstraße – strengen Auflagen. Die Südvariante der B 212n ist der kürzeste Weg durch das Gebiet und richtet am wenigsten Schaden an.

"Ich hätte mir gewünscht, heute einen Flächennutzungsplan hier verabschieden zu können, mit dem alle Betroffenen zufrieden sein können. Leider ist dies nicht der Fall. Für Bremen ist die Südvariante die bestmögliche, die Delmenhorster werden mit dem Beschluss nicht zufrieden sein", bedauerte Schaefer die niedersächsischen Nachbarn. "Für die Zukunft wünsche ich mir persönlich, dass die Raumordnungsplanungen noch stärker länderübergreifend, unter Einbeziehung der betroffenen Kommunen stattfinden!"

 

Erhalt der Osterholzer Feldmark nun auch formal beschlossen!

Die Osterholzer Feldmark wurde von der großen Koalition als Wohnungsbaugebiet ausgewiesen. Ein langer Kampf der Grünen und der Bevölkerung dagegen, der sich auch durch lange Gerichtsverfahren zog, führt nun mit Regierungsbeteiligung der Grünen zu einem guten Ende: Heute beschloss die Stadtbürgerschaft das "Ortsgesetz über die Aufhebung der förmlichen Festlegung eines städtebaulichen Entwicklungsbereichs 'Osterholzer Feldmark' vom 30. März 1999".

"Über den Schlussstrich unter ein von Beginn an falsches und überdimensioniertes Bauprojekt mit geplanten 1.800 Wohneinheiten freuen wir Grünen uns sehr", leitete Karin Krusche, Bau- und Stadtentwicklungspolitikerin der Grünen-Fraktion, ihren Redebeitrag ein. "Um so mehr, als eine wertvolle Kulturlandschaft erhalten bleibt." Sie betonte, dass die Stadt zwar eine nicht unerhebliche Summe Geldes für die Entwicklung der Osterholzer Feldmark als Wohngebiet ausgegeben hat, "gleichwohl stehen wir in der Verantwortung, abzuwägen zwischen den bisherigen finanziellen Aufwendungen, die aus grüner Sicht überhaupt nicht hätten getätigt werden müssen, und der Frage, an welchen Orten der Stadt wir künftig welchen Wohnungsbau brauchen." Der Schluss, zu dem die Grünen kommen: Dieses geplante Wohnbauprojekt war von Beginn an zu groß angelegt, am tatsächlichen Bedarf vorbei geplant, und vor allem hätte es einen großen Verlust von Landschaftsraum bedeutet, Landwirte ihrer Existenz beraubt, und auch ökonomisch wäre es ebenfalls völlig unverantwortlich gewesen.

"Wir brauchen keine riesigen Ein- und Zweifamilienhausgebiete mehr in Bremen. Die rot-grüne Koalition hat sich zum Ziel gesetzt, die Stadt innen zu entwickeln", stellte Krusche fest. "Die Bebauung der Osterholzer Feldmark war die falsche Marschrichtung. Und die beenden wir heute."

 

Stadtgrün Bremen und Bremer Entsorgungsbetriebe zusammenlegen!

Bremen ist reich an Grünflächen, Kleingärten und Parks, die der Bevölkerung Naherholung ermöglichen, die städtische Lebensqualität erhöhen und der Natur Räume zur Entfaltung bieten. Der vor zehn Jahren von der großen Koalition gegründete Eigenbetrieb "Stadtgrün Bremen" ist zuständig für die Anlage und Instandhaltung von Grünflächen sowie für die Verwaltung der städtischen Friedhöfe. Insgesamt pflegt Stadtgrün über 2.000 ha Grünflächen in der Stadt und trägt damit zum Erhalt von Lebensqualität und Räumen zur Naherholung bei. Die Grünflächen leisten auch einen wichtigen Beitrag für die CO2-Bilanz und die biologische Vielfalt. Zudem beschäftigt Stadtgrün etwa 400 Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter und Auszubildende und engagiert sich mit Projekten in den Stadtteilen. Mit einer Großen Anfrage klopften die Koalitionsfraktionen den Sachstand ab.

Seit einigen Jahren befindet sich Stadtgrün im Prozess der Konsolidierung, um die Wirtschaftlichkeit des Betriebs zu erhöhen. Gleichzeitig war eine Anpassung der Organisation an die zur Verfügung gestellten Finanzmittel notwendig. Durch den Abbau von Personal, die Veräußerung von Vermögen, die Einführung von "Pflegeklassen" für verschiedene Intensitäten der Grünpflege und das Bemühen um zusätzliche Aufträge wurde der Weg beschritten, um trotz der angespannten Haushaltslage die Aufgaben zu erfüllen. Die Produktivität konnte inzwischen erheblich gesteigert werden und liegt auf dem Niveau vergleichbarer Gartenbaubetriebe.

Karin Mathes, umweltpolitische Sprecherin der grünen Bürgerschaftsfraktion, schilderte die dabei entstandene Lage: "Stadtgrün hat für die genannten Aufgabenbereiche aus dem städtischen Haushalt zwischen 14 und 16 Millionen Euro pro Jahr bekommen. Aufgrund der Kürzungen und Rationalisierungen muss jede Mitarbeiterin, jeder Mitarbeiter inzwischen 44 Prozent mehr Fläche bearbeiten. Gleichzeitig ist der Altersdurchschnitt der in der Grünpflege operativ Tätigen ständig angestiegen. Bei der Kosteneinsparung im operativen Bereich, also bei der Grün -und Baumpflege, ist das Ende der Fahnenstange erreicht!"

Und Mathes hob die weiteren Folgen hervor: "Es wurden mehr Anlagen in der Pflegeintensität abgesenkt als angehoben. Letztlich hat sich die Qualität der Grünflächen verschlechtert. Weiterhin wurde gespart durch das Verschieben von Gehölzarbeiten und damit von Pflegeaufwand und entsprechenden Kosten in die Zukunft. Ein Weiter-so geht nicht!" Sie betonte, dass die rot-grüne Koalition ab 2008 die Zahlungen an den Betrieb erhöht hat und daran arbeitet, den nicht-operativen Bereich zu optimieren. "Die damit zu erzielenden Einsparungen sollten der Grünpflege zugutekommen", forderte Karin Mathes. "Wir wollen – und das ist der richtige Weg – Stadtgrün mit den Bremer Entsorgungsbetrieben fusionieren." Die Zusammenführung der Verwaltungen beider Betriebe spare, wie ein Gutachten zeigt, fast drei Millionen Euro. "Die Trendewende ist eingeleitet", zieht Mathes das Fazit, "und trotz angespannter Haushaltslage wollen wir Grünen die Grünversorgung durch Optimierung der Betriebsstrukturen verbessern."

 

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