Die Sitzungen im September 2008
Die Sitzungen im September 2008
Aus dem Landtag vom 11. September 2008
Bremen kauft künftig fair und ökologisch ein
Bremen beachtet künftig beim Einkauf soziale und ökologische Kriterien. Damit kann das Land sein jährliches Auftragsvolumen in Höhe von rund 180 Millionen Euro nutzen, um seinen Teil zur Durchsetzung des fairen Handels zu leisten. Das ist dringend geboten: Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) werden beispielsweise weltweit über 200 Millionen Kinder unter katastrophalen Bedingungen ausgebeutet. Sie müssen etwa in Steinbrüchen schuften; die von Kindern produzierten Pflastersteine werden auch in hiesigen Fußgängerzonen verbaut. In Bremen soll damit Schluss sein, denn nach Ansicht der Grünen gehören Kinder auf die Schulbank und nicht auf die Werkbank.
"Beim Einkauf darf nicht der Preis alleine zählen. Auch die Einhaltung von sozialen Standards ist ein Qualitätsmerkmal. Die Idee, die öffentliche Beschaffung in Bremen künftig zu zentralisieren, so bessere Preis-Konditionen durch höhere Bestellmengen zu erzielen und damit Bremens Marktmacht mehr zu nutzen, macht es möglich, dass auch soziale und ökologische Kriterien berücksichtigt werden können", erklärte Maike Schaefer, entwicklungspolitische Sprecherin der Grünen, heute in der Debatte um den Zwischenbericht des Senats zur Umstellung des öffentlichen Beschaffungswesens.
Der faire Handel soll die Lebens- und Arbeitsbedingungen von ErzeugerInnen in Entwicklungsländern durch die Zahlung von Mindestpreisen verbessern. Bremer Behörden sollen nach Ansicht der Grünen nur noch Produkte erwerben, die den Normen der ILO entsprechen. Dazu zählen unter anderem das Verbot von Kinderarbeit sowie das Zulassen unabhängiger Gewerkschaften. Der Hebel des öffentlichen Auftragsvolumens soll außerdem angesetzt werden, um umweltschonende Standards durchzusetzen. Statt des günstigsten Anbieters könnten etwa Schultische von jenen Herstellern bezogen werden, die ihr Holz aus nachweislich nachhaltiger Forstwirtschaft beziehen und somit keinen Raubbau betreiben.
Grüne wollen Bildungsfreistellung für ArbeitnehmerInnen erleichtern
FDP und CDU sind im Landtag mit ihrem Antrag gescheitert, den Bildungsanspruch von ArbeitnehmerInnen zu kürzen. Statt bislang fünf Tagen wollten Liberale und Christdemokraten die Freistellung für Bildungszwecke auf drei Tage verringern, wobei die Beschäftigten dann sogar noch einen ebenso großen Anteil ihres Erholungsurlaubs einbringen sollten. Wie sich dadurch die Bildungsbereitschaft von ArbeitnehmerInnen erhöhen soll, bleibt das Geheimnis von FDP und CDU. Bislang werden in Bremen gerade mal 15 Prozent aller Beschäftigten weitergebildet, weniger als fünf Prozent nehmen den Bildungsurlaub in Anspruch. "Wir lehnen den Antrag von FDP und CDU ab, weil er eine Einschränkung des Bildungsurlaubs bedeutet. Wir wollen nicht weniger, sondern mehr Weiterbildung. Wir brauchen dringend eine Kultur des lebensbegleitenden Lernens", so Silvia Schön, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen. Gerade erst hat die OECD in ihrem Bildungsbericht festgestellt, dass sich hierzulande im internationalen Vergleich viel zu wenig Beschäftigte weiterbilden. Da in der Wissensgesellschaft die Weiterqualifizierung in allen Lebensphasen unabdingbar ist, wollen die Grünen unter anderem den Bildungsurlaub erleichtern.
Weiterbildung liegt auch im Interesse der Unternehmen, schließlich profitieren sie vom Wissenszuwachs ihrer MitarbeiterInnen. Die Grünen wollen mit einer Reform des Bildungsurlaubsgesetzes erreichen, dass künftig mehr Menschen die Bildungsfreistellung nutzen. Die grünen Kernpunkte: Bremer ArbeitnehmerInnen sollen ihre fünf Bildungstage nicht mehr in einem Rutsch nehmen müssen. Stattdessen können sie ihren Anspruch künftig stückeln. Das soll auch bei MitarbeiterInnen von kleineren Betrieben die Hemmschwelle senken, sich für Bildung freistellen zu lassen. Zudem sollen private Weiterbildungsanbieter zugelassen werden. Die erweiterte Zahl der Anbieter erhöht die Chance der Menschen, für sich das passgenaue Angebot zu finden.
Aus dem Landtag vom 10. September 2008
Vor Weservertiefung verbindliche Prüfung der Umweltverträglichkeit
Die CDU nutzt die aktuellen Stunden in der Bürgerschaft derzeit, um politisches Theater aufzuführen. Ihr Spielplan ist dabei recht beschränkt. Sie gibt nur ein Stück: 'Viel Lärm um nichts' – wie gestern bei der Debatte um die Bildungsreform so auch heute wieder bei der Diskussion um die Weservertiefung. Da will die CDU eine 'Verzögerungstaktik' im Umweltressort ausgemacht haben, weil jetzt die Auswirkungen auf die Umwelt und den Hochwasserschutz geprüft werden. Übersehen haben die Christdemokraten dabei allerdings, das dies ein reguläres Verfahren der Wasser- und Schifffahrtsdirektion als Genehmigungsbehörde ist. Sie entscheidet am Ende, ob die Weservertiefung zur besseren Erreichbarkeit der bremischen Häfen zulässig ist. Vergessen hat die CDU offenkundig auch, dass ihr ehemaliger Umweltsenator entgegen dem Rat seiner Fachebene die erforderliche Prüfung blockiert hatte. Da diese aber rechtlich verbindlich ist, hat das damals CDU-geführte Ressort die Verzögerung zu verantworten.
"Ein wenig Beschäftigung mit der Materie täte auch der Opposition gut. In welchen steinzeitlichen Höhlen sitzen Sie eigentlich, wenn weltweit eine Diskussion über die Folgen von Flussbegradigungen und –vertiefungen läuft und Sie Politik machen, ohne das zur Kenntnis zu nehmen? Es geht dabei um die Deichsicherheit, um die Tier- und Pflanzenwelt in der Region und um die Existenz der Landwirtschaft in der Wesermarsch. Deswegen ist ja gerade die Prüfung dieser Aspekte ausgesprochen wichtig", so Matthias Güldner, Fraktionsvorsitzender der Grünen, an die Adresse der CDU.
Für die Grünen und ihre Koalitionspartnerin ist ganz klar, dass die Umweltverträglichkeit genau geprüft werden muss. Ebenso einig sind sich beide, dass die Arbeitsplätze in den Häfen erhalten werden müssen. Das laufende Prüfverfahren ist vorgegeben und taugt folglich nicht als 'Aufreger'. Erstaunlich ist vielmehr, warum sich die Bremer Christdemokraten im Gegensatz zu ihren niedersächsischen Parteifreunden nicht um die möglichen Folgen der Flussvertiefung für die Umwelt und die Menschen scheren.
Einbürgerungstest der Bundesregierung ist ein fatales Signal
Bremen ist aufgrund des geltenden Bundesrechts gezwungen, den fehlerhaften Einbürgerungstest einzuführen. Die Grünen halten den Test für das falsche Signal. Um in der Integrationspolitik endlich voranzukommen, sollten stattdessen aus grüner Sicht u.a. doppelte Staatsbürgerschaften erleichtert werden. "Für uns Grüne ist Einbürgerung kein Schreckgespenst. Die Entscheidung der Bundesregierung halten wir nach wie vor für ein fatales Zeichen gegenüber einbürgerungswilligen Menschen. Das Ziel der Bundesregierung ist nicht, mehr Menschen einzubürgern, sondern mit diesem Test weitere Hürden aufzubauen", betonte Björn Fecker, innenpolitischer Sprecher der Grünen, in der Debatte um einen Antrag der Linken. Die Linke plädiert darin dafür, den Test in Bremen rechtswidrig nicht einzuführen – ein schlichtes Scheinmanöver.
"Wir müssen hier geltendes Bundesrecht umsetzen. Eine Entscheidungskompetenz haben wir hier leider – das sage ich ausdrücklich – nicht", so Björn Fecker. Der grüne Innenpolitiker erinnerte die Linke daran, dass ihre in Berlin mitregierenden GenossInnen den Einbürgerungstest ebenfalls durchführen müssen. Im Gegensatz zu den Grünen bezeichnet der rot-rote Senat in Berlin den Test aber gar als sinnvoll, wie aus einer Antwort auf eine kleine Anfrage hervorgeht. Überraschend ist das kaum bei einer Partei, die in diesem Zusammenhang auch unsäglich von 'Fremdarbeitern' spricht.
Für die Grünen steht indes der Mensch und nicht dessen Nationalität im Vordergrund. Sie finden den Einbürgerungstest unsinnig. "Eine Einbürgerungskampagne und das Werben für unser Land wären angebrachter. Dieser Test ist absolut überflüssig", betonte Björn Fecker.
VerbraucherInnen müssen Herrschaft über ihre Daten zurück erlangen
Der Skandal um den Verkauf von VerbraucherInnen-Daten hat einmal mehr gezeigt: Die Bürgerinnen und Bürger müssen die Herrschaft über ihre Daten wieder zurückgewinnen. Um Daten vor dem Zugriff und dem Missbrauch durch private Unternehmen besser zu schützen, sind dringend gesetzliche Änderungen im Interesse der VerbraucherInnen erforderlich. Keine kommerzielle Datenweitergabe ohne ausdrückliche Einwilligung! Das ist der Kerngedanke eines Beschlusses, den der Landtag auf Initiative der Regierungsfraktionen gefasst hat. "Datenschutz ist VerbraucherInnenschutz", erläuterte Mustafa Öztürk, datenschutzpolitischer Sprecher der grünen Fraktion, den Antrag.
Demnach soll der Senat im Bundesrat jene Gesetzesinitiativen unterstützen, die eine kommerzielle Weitergabe nur mit ausdrücklicher vorheriger Einwilligung der BürgerInnen zulässt. Ferner soll sich Bremen auf Bundesebene für eine Daten-Kennzeichnungspflicht einsetzen, sodass VerbraucherInnen künftig erkennen können, wie und woher ein Unternehmen ihre Daten erhalten hat. Die Grünen und ihre Koalitionspartnerin wollen zudem das Bremer Datenschutzgesetz auf mögliche Schwachstellen überprüft wissen, um dieses gegebenenfalls nachzubessern. "Außerdem besteht Bedarf, die BürgerInnen für den Umgang mit ihren Daten zu sensibilisieren und sie über die Risiken etwa bei der Internetnutzung aufzuklären", so Mustafa Öztürk.
Die Grünen setzen sich darüber hinaus für ein Grundrecht auf Datenschutz ein. Denn die überfällige Anpassung des Datenschutzrechtes braucht ein Fundament und muss durch die Verfassung abgesichert werden.
Aus der Stadtbürgerschaft vom 9. September 2008
Grüne wollen Fundament des Bildungssystems stärken
"Keine Experimente" hat die CDU heute in der aktuellen Stunde zur Schulentwicklung gefordert - ein Wahlkampfslogan von Adenauer aus dem Jahr 1957. Der Slogan ist zwar angestaubt, beschreibt aber immerhin ehrlich, wofür die Bremer CDU leider auch heute noch steht: Für ein äußerst selektives Schulsystem, mit dem sie nur einen kleinen Kreis von Privilegierten fördern will, während die überwiegende Mehrzahl der Kinder sehen kann, wo sie bleibt. "Wegen ihrer vielen Experimente im Schulwesen hat die CDU nicht nur die letzte Wahl vergeigt, sondern in den vergangenen Jahren auch die Bildungschancen vieler Kinder verspielt. Das von Ihnen mit eingeführte Schulsystem hat sich als Mega-Experiment erwiesen. Zu guten Bildungsergebnissen hat es nicht geführt. Es mutierte zum kompliziertesten und undurchschaubarsten Bildungssystem", so Anja Stahmann, bildungspolitische Sprecherin der Grünen, an die Adresse der Konservativen. Das Ziel der Grünen ist hingegen ein übersichtliches Schulsystem, das qualitativ besser wird.
Die derzeitige Diskussion um die Schulreform wird aus grüner Sicht zu sehr von der Frage dominiert, an welchen Sek. I-Schulen eine Oberstufe angesiedelt werden könnte. "Bei reinen Debatten um Strukturfragen und das Auswechseln von Türschildern bleibe ich skeptisch. Das bringt die Kinder und Jugendlichen nicht weiter. Nötig ist vielmehr die qualitative Verbesserung des Schulsystems", erklärte Anja Stahmann. Die grüne Bildungspolitikerin wies darauf hin, dass auch im Bildungshaushalt jeder Euro nur ein Mal ausgegeben werden kann. Angesichts der begrenzten Haushaltsmittel müssen klare Schwerpunkte gesetzt werden. Der liegt für die Grünen bei der frühen Förderung im Kindergarten und in der Grundschule. Sie sind das Fundament, das echte Bildungschancen eröffnet. "Nur ein Drittel der Bremer Jugendlichen schafft bisher das Abitur, die überwiegende Mehrheit hingegen nicht. Darum müssen wir uns kümmern. Wer wirklich Verbesserungen im Schulsystem erreichen will, muss das Fundament von Kindergarten und Grundschule stärken. Denn das bietet den Kindern große Entfaltungsmöglichkeiten", betonte Anja Stahmann.
Zur früheren individuellen Förderung und Integration ist in den Grundschulen aus grüner Sicht unter anderem eine zeitweise Doppelbesetzung mit AssistentInnen erforderlich. Außerdem muss es endlich zügig ein durchgängiges Sprachförderprogramm geben, um Chancengleichheit für alle Kinder zu erreichen. "Wir wollen und dürfen die vielen Talente nicht länger vergeuden. Ideologische Politik auf dem Rücken der Kinder ist bei der Neugestaltung des Schulwesens völlig unangebracht", bekräftigte die bildungspolitische Sprecherin der Grünen.
Trotz knappen Geldbeutel mit Kulturticket ins Theater
Wer über wenig Geld verfügt, soll nicht im kulturellen Abseits stehen: Deshalb will die rot-grüne Koalition das Kulturticket einführen. Mit dem Kulturticket können BezieherInnen von Sozialleistungen und ihre Kinder in einem begrenzten Zeitraum vor Vorstellungsbeginn deutlich reduzierte Restkarten in Theatern oder auch Konzerthäusern erhalten. Das Kulturticket soll zunächst vier Jahre lang erprobt werden. Dann soll die Stadt überprüfen, wie das Ticket angenommen wurde und welche finanziellen Auswirkungen es auf die Kultureinrichtungen hatte.
"Bremen hat ein vielfältiges und erstklassiges Kulturangebot. Aber es gibt Hindernisse für finanziell schwächer gestellte Menschen, ins Theater oder in den Konzertsaal zu gehen und Museen zu besuchen. Wir Grünen sind der Meinung, dass insbesondere Kinder und Jugendliche Zugang zu Kultur haben müssen. Benachteiligte Kinder und Jugendliche wohnen oft in Stadtteilen, die weit von Kultureinrichtungen entfernt sind, sodass sie eine Fahrkarte benötigen. Damit aber haben sie doppelte Kosten, wenn sie das Kulturangebot wahrnehmen wollen. Deshalb wollen wir für sie den Zugang zu Kultur mit dem Kulturticket erleichtern", erläuterte Karin Krusche, kulturpolitische Sprecherin der Grünen.
Laut Statistik nutzt derzeit nur die Hälfte der BürgerInnen überhaupt die Kulturangebote – und davon wiederum nur 10 Prozent intensiv. "Für uns Grüne ist deshalb die kulturelle Bildung ganz entscheidend. Das kulturelle Interesse wird im Kindesalter geweckt. Bereits im Kindergarten soll daher die musische Erziehung größeres Gewicht erhalten", unterstrich Karin Krusche.
Kommunaler Krankenhausausschuss erhöht Transparenz
Die Stadtbürgerschaft hat heute einstimmig die Einsetzung eines kommunalen Krankenhausausschusses zur parlamentarischen Kontrolle der Bremer Kliniken beschlossen. Damit soll die Transparenz erhöht werden. "Die vier kommunalen Kliniken sind nicht nur als Unternehmen, sondern auch für die Patientinnen und Patienten von Bedeutung. Dinge, wie sie der Klinik-Untersuchungsausschuss in der Vergangenheit aufgedeckt hat, dürfen in Bremen nie wieder vorkommen. Ich wünsche mir vom Gesundheitsressort, dass alle Informationen an die Parlamentarier gegeben werden. Die Menschen erwarten von uns, dass wir die Fehler der Vergangenheit vermeiden und die Kliniken wieder in ein gutes Fahrwasser bringen", betonte Matthias Güldner, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/DIE GRÜNEN.