Die Sitzungen im November 2010
Die Sitzungen im November 2010
Aus dem Landtag vom 11. November 2010
Mehr MigrantInnen in den öffentlichen Dienst
Vielfalt ist die Normalität in der modernen Gesellschaft, auch in Bremen. Die bremische Bevölkerung besteht aus Menschen unterschiedlichster Herkunft und mit unterschiedlichsten Eigenschaften und Voraussetzungen. Ebenso vielfältig sollten daher die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der bremischen Behörden, Eigenbetriebe, Gesellschaften und Einrichtungen sein, da sie sich um die Anliegen der Menschen kümmern, die in Bremen leben, arbeiten und wirtschaftlich tätig sind. Gute, moderne Verwaltung in diesem Zusammenhang heißt, dass der öffentliche Dienst integrationspolitisch eine Vorreiterrolle einnimmt und mit seiner Einstellungs- und Förderungspraxis der interkulturellen Vielfalt in der Gesellschaft Rechnung trägt. Das heißt, dass alle Menschen Chancengleichheit genießen sollen – unabhängig von Migrationshintergrund oder sozialer Herkunft, Geschlecht oder sexueller Identität, Religion oder Weltanschauung, Alter oder Behinderung. Damit dokumentiert der öffentliche Dienst die prinzipielle Wertschätzung der Unterschiedlichkeit der Menschen und den Willen zur Ausschöpfung aller Potenziale.
Mit einem heute einstimmig beschlossenen Antrag wird der Senat aufgefordert, über seine schon ergriffenen Maßnahmen hinaus den Anteil an migrantischen Beschäftigten im öffentlichen Dienst zu erhöhen und die Menschen ausländischer Herkunft dazu zu motivieren, sich sowohl auf Ausbildungsplätze als auch um Stellen zu bewerben.
Zahra Mohammadzadeh, integrations- und migrationspolitische Sprecherin, führte die Fragestellungen auf, die Grundlage des Antrags waren: "Wie können die öffentlichen Einrichtungen in Bremen, wie kann der öffentliche Dienst mit den Herausforderungen einer Gesellschaft der Vielfalt erfolgreich umgehen? Welche Strategien gibt es, die zu einer Erschließung neuer integrativer Ressourcen und damit zur Interkultur in der Verwaltung führen? Wie können unsere Behörden auf die wachsende Komplexität interkultureller Fragestellungen im behördlichen Alltag und auf die damit verbundenen politischen, sozialen und kulturellen, ja auch religiösen Dimensionen angemessen reagieren? Das sind die Fragen, um die es hier geht. Sie zu beantworten ist kein Luxus."
Ein den Grünen besonders wichtiger Punkt im Antrag fordert den Senat auf, Erscheinungen von Rassismus und struktureller Diskriminierung in der Verwaltung zu erkennen und zu ihrer Vermeidung bzw. Beseitigung beizutragen.
Berufskrankheiten: Beweislast umkehren!
Der Nachweis der beruflichen Verursachung ist Voraussetzung für die Anerkennung von Asbestose und anderen Gesundheitsschädigungen als Berufskrankheit. Der Nachweis einer berufsbedingten Krankheitsauslösung wird dadurch erschwert, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen oft erst sehr lange nach ihrer Verursachung spürbar werden. Dann sind betriebliche Unterlagen, die den Nachweis erleichtern häufig gar nicht mehr oder nur noch unvollständig verfügbar, weil Firmen gar nicht oder nicht mehr in ihrer früheren Form existieren oder Betroffene durch Orts- und Arbeitgeberwechsel schwer auf sie zugreifen können. Eine Beratungsstelle, die Betroffenen vor allem bei der Beweissicherung behilflich ist, existiert bisher in Form ehrenamtlicher Beratung in Bremen-Nord. Ohne diese ehrenamtliche Beratung wäre es für viele Erkrankte unmöglich gewesen, ihre Ansprüche durchzusetzen.
Eine Umkehr der Beweislast und eine im Gesetz festgeschriebene Aufbewahrungspflicht von mindestens 40 Jahren für Daten über den Umgang mit krebserregenden, mutations- und regenerationsschädigenden Stoffen würde es Betroffenen deutlich erleichtern, den Zusammenhang zwischen ihrer Erkrankung und deren berufsbedingten Verursachung nachzuweisen. Deswegen unterstützt die Bürgerschaft (Landtag) ausdrücklich das Engagement des Senats für entsprechende bundesgesetzliche Regelungen. Zur Unterstützung der Betroffenen beim Nachweis berufsbedingter Erkrankung sollte die Beratung im Land Bremen in Form einer von allen beteiligten Institutionen und Einrichtungen getragenen dauerhaften Beratungsstelle verstetigt werden.
Vor genau einem Jahr hatten die grünen Abgeordneten Silvia Schön (Arbeit), Doris Hoch (Gesundheit) und Horst Frehe (Soziales und Justiz) mit einer Aufmerksamkeit erregenden Veranstaltung das Thema aufgegriffen, was in eine Große Anfrage und in einen heute einstimmig vom Landtag beschlossenen Antrag mündete.
In der Debatte fasste Silvia Schön noch einmal die Ergebnisse der Veranstaltung zusammen: "Am meisten stand die Unabhängigkeit der Gutachter in der Kritik. Sie begutachten, ob eine Krebserkrankung durch Asbest induziert ist, was in der Regel nicht als gegeben angesehen wurde. Professor Woitowitz, quasi der ›Arbeitsmedizin-Papst‹ fasste es so zusammen: ›Die Betroffenen sind Opfer von Gift und Gutachten‹. Weiterhin wird eine asbestverursachte Erkrankung trotz Nachweis von Asbestfasern häufig nicht anerkannt oder entschädigt. Häufig fehlen Beweise für die betriebliche Asbestdisposition, sei es, weil sie nie ermittelt wurden, sei es weil Personen betroffen sind, die nicht im Fokus standen, zum Beispiel Arbeitnehmer an benachbarten Arbeitsplätzen oder Ehepartner, die asbestverseuchte Arbeitskleidung gewaschen haben, sei es weil Daten vernichtet wurden. Diese Feststellung ist aber wichtig, weil die Betroffenen gegenwärtig nachweisen müssen, dass ihre Erkrankung ursächlich auf die betriebliche Asbestbelastung zurückzuführen ist."
Doris Hoch ging auf die gesundheitlichen Aspekt ein: "Die Erkrankung an Asbest nimmt unter den Berufskrankheiten eine traurige Rolle ein, weil diese Krankheit oft zum Tode führt. Professor Woitowitz hat es so ausgedrückt: ›Es ist die schlimmste aller Berufskrankheiten, weil wir keine Waffen dagegen haben‹. Der Höhepunkt der asbestbedingten Krankheiten ist nach Auffassung von Wissenschaftlern erst 2017 zu erwarten. Das ist eine erschreckende Erkenntnis und zeigt um so mehr, dass wir die betroffenen Menschen auf ihrem mühsamen Weg zur Anerkennung der Berufskrankheit unterstützen müssen."
Horst Frehe ging dann auf die erforderliche Umkehr der Beweislast ein: "Schwierig wird es bei dem Beweis, dass die Krankheit wegen der besonderen Gefährdungen am Arbeitspatz ausgebrochen ist: War der berufliche Kontakt mit Asbest Auslöser der Erkrankung? Dazu müssen umfangreiche Unterlagen des Technischen Aufsichtsdienstes, der Berufsgenossenschaft, der Sicherheitsbeauftragten in den Unternehmen und der Arbeitsmediziner ausgewertet werden. Häufig liegen diese aber nicht mehr vor. Einmal, weil die Unternehmen diese Unterlagen nicht erhoben oder vernichtet haben, einmal weil insolvente Unternehmen aufgelöst wurden und ihre Unterlagen vernichtet oder in alle Himmelsrichtungen verstreut wurden." Frehe forderte: "Das Gesetz muss mit einer Umkehr der Beweislast versehen werden. Auch muss der Zusatz wegfallen ›und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden.‹ Dieses ist immer die Ausrede der Berufsgenossenschaft, die Erkrankung auf andere Ursachen zu schieben. Sie muss den Vollbeweis dafür antreten, dass diese anderen Ursachen auch vorliegen! Der Senat soll daher im Bundesrat eine solche zentrale Änderung des Berufskrankheitenrechts initiieren. Damit könnten tausende Absestopfer endlich Gerechtigkeit erfahren – aber nicht nur sie. Diese Änderung würde dazu führen, dass nicht mehr neunzig Prozent der Verletztenrenten abgelehnt werden, sondern mehr Geschädigte zu ihrem Recht kommen. Das wird eine schwierige, aber wichtige Aufgabe des Senats, hierfür Verbündete im Bundesrat zu finden. Dennoch ist dieses der Mühen wert! Schließlich geht es darum, dass diejenigen, die ihre Gesundheit für unseren Wohlstand geopfert haben, eine ausreichende und angemessene Versorgung erhalten!"
Atomtransporte verhindern!
Bremen und Bremerhaven sind von sechs, teils sehr veralteten Atomkraftwerken quasi umzingelt. Wie sind aber nicht nur den erheblichen Risiken alter AKW noch auf Jahrzehnte ausgesetzt, sondern auch massiv davon betroffen, dass Kernbrennstoffe und deren Abfallprodukte noch auf lange Sicht transportiert und nach Vorstellung der Bundesregierung auch über die bremischen Häfen verladen werden sollen. Es ist nicht akzeptabel, dass über den Transport von Kernbrennstoffen ausschließlich das Bundesamt für Strahlenschutz entscheidet, das Land dagegen nur angehört und zudem mit den aus dieser Entscheidung resultierenden erheblichen Kosten belastet wird.
Vor dem Hintergrund des vergangenen Wochenendes mit den Protestaktionen gegen den Castor-Transport im Wendland gestaltete sich die Bürgerschaftsdebatte zu den Atomtransporten zu einer Generaldebatte über die Atompolitik der Bundesregierung. Der grüne Fraktionsvorsitzende Matthias Güldner: "Die Bundeskanzlerin lässt einen gesellschaftlichen Konflikt, der durch den Atomausstiegskompromiss befriedet wurde, bewusst wieder aufleben und schickt die Gesellschaft in das, was wir am letzten Wochenende gesehen haben."
Und Güldner warf den schwarz-gelben Fraktionen vor: "Sie behaupten, Atomenergie sei die Technologie, die den Weg hin zu den regenerativen Energien ebnet. Genau das Gegenteil ist der Fall: Mit dem Kernenergiestrom blockieren Sie die Stromnetze! Wenn Sie behaupten, mit dem Beschluss der Bundesregierung sei das erste Mal ein Bekenntnis zum Ausstieg verbunden, finde ich es schon merkwürdig, wenn sie sich dazu bekennt und dann erstmal die Laufzeiten verlängert. Und dann kommt als Begründung die Stromlückenlüge, die nur mit AKWs und massenhaft neuer Kohlekraftwerke geschlossen werden könne, weil die erneuerbaren Energien nicht genügend Strom liefern könnten. Es gibt unzählige wissenschaftliche Studien die besagen, dass wir mehr Strom zur Verfügung haben als wir brauchen. Es gibt die Stromlücke nicht, und darum muss man sie auch nicht mit Atomstrom schließen."
Zu den Atomtransporten sagte Güldner: "Wir in Deutschland wollen aus dem Risiko der Atomkraft raus, und wir wollen raus aus dem Risiko, das die Transporte bieten, damit Bremen und Bremerhaven nicht zum Schauplatz solcher Auseinandersetzungen wie im Wendland werden." Die rot-grüne Koalition hat darum auch den Antrag ›Transport von Kernbrennstoffen über das Land Bremen verhindern‹ eingebracht, der auch mehrheitlich beschlossen wurde. Darin wird der Senat aufgefordert, alle rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um Transporte von Kernbrennstoffen und deren Abfallprodukten durch die Häfen und andere Transportwege im Land Bremen zu verhindern. Insbesondere unverzüglich alle aus Sicht des Senats rechtlich möglichen Schritte zur Sperrung der bremischen Häfen und anderer Transportwege durch Bremen und Bremerhaven für den Transport von Kernbrennstoffen und deren Abfallprodukten einzuleiten und als Eigentümervertreter in von der öffentlichen Hand beherrschten Unternehmen nachdrücklich darauf hinzuwirken, dass diese sich nicht an derartigen Transporten und Umschlägen beteiligen.
Dazu erläuterte Matthias Güldner: "Wir machen diese Dinge mit den Betrieben zusammen, wir müssen sie nicht zum Jagen tragen, denn hier ist ein hervorragendes Bewusstsein vorhanden." Zugleich wird mit dem Antrag an die Hafenwirtschaft appelliert, sich solchen Transporten zu verweigern. Güldner abschließend: "Wir werden uns vor die Bevölkerung stellen müssen und glaubwürdig sagen, wir haben alles getan, was möglich ist. Und wenn die Kanzlerin meint, sie müsse das durchsetzen mit wem oder was auch immer, kann ich Ihnen versichern: Aus Bremen wird sich niemand aus unserer Koalition daran beteiligen."
Aus dem Landtag vom 10. November 2010
Bürgerschaft dankt dem Beirat des Härtefonds für die "vergessenen" NS-Opfer
Zwei Jahre steten Bohrens der damaligen Fraktion DIE GRÜNEN führten endlich im Herbst 1988 zur Einrichtung des "Bremer Härtefonds zur Entschädigung von NS-Opfern". Dieser Fonds diente insbesondere der Unterstützung von NS-Opfern, die von bundesgesetzlichen Regelungen nicht erfasst, ja "vergessen" wurden: rassisch Verfolgte, politisch Verfolgte, sog. Wehrkraftzersetzer bzw. Deserteure oder Kriegsdienstverweigerer, sog. Asoziale, Homosexuelle, Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, aus Gründen des Glaubens oder einer Weltanschauung Verfolgte sowie aus sonstigen Gründen Verfolgte.
Zur Bearbeitung der Entschädigungsanträge wurde ein Beirat eingerichtet, dessen Mitglieder ehrenamtlich in den vergangenen mehr als 20 Jahren über 900 Anträge behandelt hat, hinter denen jeweils schwere Einzelschicksale standen. An einmaligen Leistungen werden insgesamt rund zwei Millionen Euro ausgezahlt und an laufenden Leistungen werden im selben Zeitraum mehr als elf Millionen Euro gewährt. Mit Neuanträgen ist nicht mehr zu rechnen. Die Arbeit des Beirates kann als erfolgreich abgeschlossen betrachtet werden. Für die noch verbleibenden Härtefälle sollen die Aufgaben des Beirats auf das Amt für Wiedergutmachung übertragen werden.
Vor Beginn der heutigen Landtagssitzung dankte namens aller Fraktionen Bürgerschaftspräsident Christian Weber den Mitgliedern des Beirats für ihren langjährigen Einsatz. Dabei hob er noch einmal hervor, dass sich gerade die Freie Hansestadt Bremen zu einer Geste der Reue verpflichtet fühlen musste, denn Zwangsarbeit gehörte zum Alltag bei Borgward, Weser-Flug, AG "Weser", Wollkämmerei, Focke-Wulf und anderen.
Trotz positiver Steuerschätzung: Nachtragshaushalt 2010 unumgänglich
In zweiter Lesung wurde heute der Nachtragshaushalt 2010 beschlossen, der rund 146 Millionen Euro umfasst. Dieser Nachtragshaushalt beruht auf den Steuerschätzungen des Monats Mai. Nun, nach den positiveren Steuerschätzungen vom 4. November, könnte der Schluss nahe liegen, in dem Maße wäre eine Nachbewilligung durch den Landtag nicht mehr nötig. Aber weit gefehlt! Zum einen schlägt sich der Konjunkturaufschwung in Bremen nicht um Bundesmaßstab nieder, Mehreinnahmen über die Gewerbesteuer treten erst verzögert ein. Zum anderen liegt es am Länderfinanzausgleich, dass in diesem Jahr kein Geld fließen wird, zumal sich die erwarteten Steuerzuwächse im Bund von rund 68 Milliarden Euro auf einen Zeitraum bis 2012 bezieht.
Hermann Kuhn, grüner Finanzpolitiker: "Ich ziehe aus diesen Zahlen den Schluss: Wir können nicht und wir müssen nicht den in erster Lesung beschlossenen Nachtragshaushalt für 2010 verändern."
Alle für Elektromobilität
Zur Verminderung der Erdölabhängigkeit und zur Verbesserung der Umwelt- und Lebensqualität durch die Reduzierung von Schadstoffen, CO2-Emissionen und Lärm insbesondere in Großstädten bieten Fahrzeuge mit elektrischen beziehungsweise elektrifizierten Antrieben (Hybrid-, Batterie- und Brennstoffzellenfahrzeuge) beste Voraussetzungen und ein enormes Zukunftspotenzial. Elektromobilität umfasst dabei neben den Elektro-Pkw auch Busse und Bahnen des ÖPNV, Nutzfahrzeuge sowie Elektrofahrräder (sogenannte Pedelecs).
Der wirtschaftspolitische Sprecher der grünen Fraktion Frank Willmann: "Eine Alternative zur klassischen Mobilität können hier Elektrofahrzeuge sein – nicht nur Autos, sondern auch Fahrräder, sogenannte Pedlecs, oder auch Elektroroller und Sageways, die auch die Polizei schon nutzt. In Deutschland sollen bis 2020 insgesamt eine Million Fahrzeuge mit Elektroantrieb auf deutschen Straßen fahren. Bisher steckt die Elektromobilität noch in den Kinderschuhen, allerdings nicht mehr in Babyschuhen. So gibt es auch jetzt schon Elektrofahrräder oder auch Betriebe und Logistikfirmen, die auf Elektromobilität setzen."
Bremen gehört zusammen mit Oldenburg zu einer von acht Modellregionen, die in einem Modellprojekt zu diesem Thema zusammen mit Vertretern der Automobilbranche, der Energiewirtschaft, öffentlichen Institutionen, Forschungseinrichtungen sowie der Windenergiebranche ein Netzwerk gebildet haben, um Elektrofahrzeuge zu entwickeln, auf die Straße zu bringen und langfristig Perspektiven für eine intelligente Integration der Elektromobilität in bestehende Verkehrskonzepte zu entwickeln.
Willmann weiter: "Die Förderung der Elektromobilität muss systematisch an die Weiterentwicklung der Energieversorgung geknüpft sein. Wir wollen natürlich, dass die Strominfrastruktur aus regenerativen Energien gespeist wird. Die Klimabilanz von Elektrofahrzeugen ist ganz entscheidend vom Energiemix abhängig. Umgekehrt gilt: Je mehr Elektrofahrzeuge am Netz sind, desto größer wird ihr Beitrag zu einer besseren Netzintegration erneuerbarer Energien. Übersteigt das Stromangebot aus erneuerbaren Energien die aktuelle Stromnachfrage, können die Batterien der Elektrofahrzeuge dieses zeitweilige Überangebot aufnehmen."
Mit dem heute beschlossenen Antrag soll auch ein Anreizsystem für Elektromobilität in Auftrag gegeben werden. "Warum ein Anreizsystem?" fragte Willmann und gab auch gleich die Antwort: "Es reicht nicht, gute Autos zu entwickeln, sondern sie müssen auch an den Mann und die Frau gebracht werden. Die Kaufkriterien sind: der Preis, Praktikabilität und Komfort, Umweltfreundlichkeit und Verbrauch und nicht zuletzt das Aussehen, der Sex-Appeal."
Null Toleranz gegenüber Rockerkriminalität
Am 4. August 2010 brachten Mitglieder der Rockergruppe Hells Angels auf der Autobahn 27 den Verkehr zum Erliegen und sperrten eine Autobahnauffahrt, um einen Motorrad-Konvoi zu bilden. Doch das ist nicht alles: Nach polizeilichen Erkenntnissen sind in Bremen ansässige Rockergruppen, insbesondere im Rotlichtmilieu, aktiv. In diesem Zusammenhang treten sie vermehrt im Bereich des Menschenhandels und der Zwangsprostitution in Erscheinung. In den Fokus der Polizei sind Mitglieder der Rockergruppen zudem durch Aktivitäten im Betäubungsmittelhandel sowie durch Verstöße gegen das Waffengesetz geraten.
Mit einem heute einstimmig beschlossenen Antrag will die Bürgerschaft den Innensenator dabei unterstützen, energischer gegen Rechtsverstöße von Rockern vorzugehen. Björn Fecker, innenpolitischer Sprecher der grünen Bürgerschaftsfraktion betonte die Geschlossenheit bei diesem Thema: "Dass Grüne, SPD und CDU einen gemeinsamen Antrag in der Innenpolitik einbringen, ist eine Seltenheit. Dies macht deutlich, dass das zu behandelnde Thema eines ist, dass sich nicht für politische Ränkespiele eignet, sondern dass es hier darum geht, gemeinsam ein Zeichen für den Rechtsstaat zu setzen."
Er schilderte die Probleme mit Rockern detaillierter: "Als im August dieses Jahres mehrere Mitglieder einer Rockerbande eine Autobahnauffahrt sperrten und die Polizei dies zur Kenntnis nahm, aber nicht einschritt, war das Gerechtigkeitsempfinden vieler Menschen in dieser Stadt inklusive meiner Person stark gestört. Das Bild, das dort entstand, ist ein fatales, es lässt den Schluss zu, in dieser Stadt gäbe es rechtsfreie Räume. Diesen Eindruck konnte man auch gewinnen, wenn man die Sitzung des Beirates Mitte am vergangenen Montag besucht hat. Sehr plastisch schilderten dort Anwohnerinnen und Anwohner, was es bedeutet, in nächster Nähe zu einem Clubheim einer solchen Rockergang zu leben. Lärmbelästigung, Bedrohungen und Einschüchterungsversuche gehören zum nachbarschaftlichen Leben offensichtlich dazu. Auch hier konnte man wieder den Eindruck gewinnen, dass es in dieser Stadt Menschen gibt, die außerhalb des Gesetzes stehen. Wie anders kann man es sich sonst erklären, dass Rad- und Fußwege sowie ganze Straßenzüge mit Motorrädern dicht geparkt sind und niemanden scheint es zu interessieren. Meine sehr verehrten Damen und Herren, gegen ein solch fatales Bild müssen wir als Politik ein deutliches Zeichen setzen! Dies sind wir den couragierten Anwohnerinnen und Anwohnern schuldig, die sich nicht einschüchtern lassen."
Der Bürgerschaftsantrag fordert den Senat auf, künftig keine Absprachen mehr mit kriminellen Organisationen zu treffen und darüber hinaus alle Mittel anzuwenden, der organisierten Kriminalität, speziell auch in diesem Bereich, entgegenzutreten. Das umfasst nicht nur die Ermittlungen aufgrund von Straftaten, sondern es sollen auch gewerbe- und steuerrechtliche Maßnahmen gegen Mitglieder von Rockergruppen als Zuhälter und Bordellbetreiber ergriffen werden. Außerdem sollen die Motorräder auf ihre Verkehrstauglichkeit geprüft werden. Berlin hat mit diesem einfachen Mittel durchaus Erfolge vorzuweisen. Darüber hinaus soll ein Verbot von Rocker-Vereinen geprüft werden. Fecker dazu: "Vereinsverbote sind in Deutschland, aus gutem Grund und aus den Lehren unserer Geschichte, keine einfache Maßnahme. Wir Grünen sagen aber auch, wer die Freiheiten der Demokratie für kriminelle Machenschaften ausnutzt, der muss damit leben, dass wir mit allen rechtlich zulässigen Mitteln versuchen werden, dieses Ausnutzen zu unterbinden."
Faire Beschaffung auch im Trauerfall
In aller Regel macht sich im Trauerfall niemand Gedanken über die Herkunft von Grabsteinen. Dabei ist allgemein bekannt, dass gerade in indischen Steinbrüchen jeder sechste Arbeitsplatz mit Kindern unter 14 Jahren besetzt ist und 60 Prozent der Grabsteine aus Indien kommen. "Und dennoch nimmt in Deutschland insbesondere die Verwendung von Natursteinen aus indischen Steinbrüchen zu", stellte Karin Mathes mit Erschrecken fest.
Hier sah die rot-grüne Koalition eine Regelungslücke, und mit einem heute einstimmig beschlossenen Antrag wurde das Gesetz über das Friedhofs- und Bestattungswesen geändert. Dort heißt es nun: "Der Friedhofsträger kann in der Satzung bzw. Friedhofsordnung festlegen, dass nur Grabsteine und Grabeinfassungen verwendet werden dürfen, die nachweislich aus fairem Handel stammen und ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne der ILO-Konvention 182 hergestellt sind."
Residenzpflicht: ein alter Zopf gehört abgeschnitten
Flüchtlinge und Asylsuchende unterliegen im Land Bremen der sogenannten Residenzpflicht. Die Bremer Ausländerbehörde erlaubt zwar den Aufenthalt in der Stadt Bremen (für Asylsuchende in Bremerhaven) und in der Stadt Bremerhaven (für Asylsuchende in Bremen). Zum anderen wird ihnen zusätzlich der vorübergehende Aufenthalt in den angrenzenden niedersächsischen Landkreisen gestattet. Das bedeutet aber für sie: kein Ausflug mit dem Schönes-Wochenend-Ticket nach Hannover, kein Familienbesuch in Hamburg. Im Grunde ist dies eine einschneidende Beschränkung des Menschenrechts auf Reise- und Bewegungsfreiheit und der EU-rechtlich verankerten Grundfreiheiten und entspricht nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dies sieht man auch daran, dass in keinem anderen EU-Mitgliedsstaat eine Residenzpflicht besteht.
Insbesondere bei langer Aufenthaltsdauer trägt die Residenzpflicht darüber hinaus nicht unerheblich zur gesellschaftlichen Isolation der Betroffenen bei, denn sie behindert die betroffenen Migranten/-innen dabei, einen eigenen Beitrags zur Sicherung des Lebensunterhalts zu leisten und in einigen Fällen an der Wahrnehmung von Ausbildungschancen. "Diese Regelung stammt noch aus dem Jahr 1982", so Zahra Mohammadzadeh, integrations- und migrationspolitische Sprecherin. "Und wir meinen, dass sie längst überholt ist und aufgehoben werden muss!" Und weiter: "Die Residenzpflicht ist eine in Europa einmalige asyl- und aufenthaltsrechtliche Regelung und untersagt Menschen, das Bundesland zu verlassen. Tun sie es doch, drohen ihnen Strafen bis zu einem Jahr Gefängnis."
Ein heute beschlossener Antrag fordert den Senat auf, die Möglichkeiten einer Lockerung des Aufenthaltsrechts an dieser Stelle weitestgehend auszureizen und auf Bundesebene eine Abschaffung der Residenzpflicht zu verhandeln.
Gut versorgt zu Hause
Menschen, die nach einer Operation oder einer sonstigen intensiven Behandlung aus dem Krankenhaus entlassen werden oder diese Behandlung ambulant ausführen lassen, sich in ihrem Zuhause aber noch nicht eigenständig selbst versorgen können, haben Anspruch auf "häusliche Krankenpflege", also auf eine lückenlose pflegerische und hauswirtschaftliche Versorgung; das umfasst Waschen und Anziehen, Einkaufen und Essen machen. Allerdings besteht ein Anspruch auf diese Leistungen nur dann, wenn ein eigentlich längerer – und damit teurer – Krankenhausaufenthalt verkürzt oder vermieden werden kann.
Dieser Anspruch auf häusliche Krankenpflege wird von den Krankenkassen in den letzten Jahren allerdings nur noch selten gewährt, weil sie mit der Entlassung auch das Ende der notwendigen Krankenhausbehandlung festlegen und nicht von einer Verkürzung ausgehen: Daher gilt die Krankenhausbehandlung mit der Entlassung aus dem Krankenhaus als abgeschlossen, selbst wenn sie lediglich unterbrochen oder die Gesundheit noch nicht vollständig wiederhergestellt worden ist und die Menschen sich selbst nicht ausreichend versorgen oder ihren Haushalt selbstständig führen können. Auch bei der Zunahme ambulanter Operationen ist unklar, wie die Versorgung danach sichergestellt werden soll. Daher wird die nach dem Gesetz vorgesehene notwendige ambulante Krankenpflege häufig nicht erbracht, weil damit angeblich keine "Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt wird".
Diesem Zustand begegnete heute die rot-grüne Koalition mit einem mehrheitlich beschlossenen Antrag. Horst Frehe, sozialpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, stellt ihn vor: "Diese Versorgungslücke muss daher durch eine gesetzliche Klarstellung wieder geschlossen werden! Dazu soll der Senat einen Vorstoß im Bundesrat unternehmen, um dieses unverantwortliche Vorgehen der Krankenkassen zu korrigieren. Es muss grundsätzlich in jedem Fall im Anschluss an eine stationäre Krankenhausbehandlung oder nach einer ambulanten Operation der Anspruch auf eine häusliche Krankenpflege bestehen, wenn der entlassene Patient sich noch nicht selbst versorgen kann. Gerade wegen der Zunahme ambulanter Operationen muss sichergestellt werden, dass frisch Operierte nicht hilflos in ihren Betten liegen und dann als einzige Alternative wieder die Einweisung in ein Krankenhaus erfolgen muss, weil kein Angehöriger für die Pflege zur Verfügung."
Aus der Stadtbürgerschaft vom 9. November 2010
Woltmershausen vor Lkw-Verkehr schützen
Der Ortskern des Bremer Stadtteils Woltmershausen wird oftmals von unnötigen Lkw-Schwerlastverkehren belastet. Mit einem Antrag von SPD und GRÜNEN soll dem abgeholfen werden. Zum Hintergrund: Die Möglichkeit, über die Senator-Apelt-Straße den Ortskern zu umfahren, wird nur unzureichend genutzt. Der mautfreie Weg für Lkw-Verkehre durch den Woltmershauser Ortskern führt zu einer hohen Belastung für die Wohnbevölkerung. Zurzeit sind die Straßen Hempenweg, Hermann-Ritter-Straße und Simon-Bolivar-Straße noch Teil des Bremer Lkw-Führungsnetzes, sodass nach wie vor vermeidbare Lkw-Verkehre hier abgewickelt werden. Das erhöht die Belastung des Stadtteils und wirkt bis in den Ortsteil Rablinghausen hinein, da die Lkw dort versuchen, das GVZ bzw. die Neustädter Häfen zu erreichen.
Karin Krusche, bau- und stadtentwicklungspolitische Sprecherin, begründete den Antrag: "Dies führt natürlich zu Unmut der dortigen Anwohnerinnen und Anwohner. Lärm, höhere Abgaswerte und Erschütterungen der Häuser werden beklagt. Wir Grünen finden, dass Mautumgehungsverkehre nicht zu Lasten der Bevölkerung gehen dürfen. Wir wollen die Sorgen der betroffenen Menschen ernstnehmen und, wo möglich, Abhilfe schaffen."
Der beschlossene Antrag sieht vor, die entsprechenden nicht-mautpflichtigen Straßen aus dem Lkw-Führungsnetz herauszunehmen und zu prüfen, welche weiteren Maßnahmen möglich sind, um den Lkw-Verkehr in Woltmershausen zu verringern.
Nach intensiver Prüfung: Abwasser GmbH wird nicht realisiert
Mit einer zu gründenden Abwasser GmbH sollte es ermöglicht werden, die von der hanseWasserBremen für die Entsorgung von Abwasser erhobenen Gebühren in ein mehrwertsteuerpflichtiges Entgelt umzuwandeln. Dies hätte für Unternehmen, die ja vorsteuerabzugsfähig sind, eine Entlastung bei den Kosten bedeutet. Denn schon heute sind in den Abwassergebühren auch Leistungen enthalten, für die von hanseWasser bereits Mehrwertsteuer gezahlt wird, aber nicht abgezogen werden können.
Nachdem die Absicht publik wurde, kam es bundesweit zu Protesten nicht nur der kommunalen Abwasserunternehmen, sondern u. a. auch vom Deutschen Städtetag, Wasserverbänden und Gewerkschaften. Sie befürchteten nicht nur teilweise Preissteigerungen, sondern eine weitere Privatisierung öffentlicher Aufgaben. Positiv wurde das Vorhaben allein von der Handelskammer gewertet. Dies führte zu einem Überdenken der im Koalitionsvertrag vereinbarten Unternehmensentlastung bei den Abwasserkosten, und so beauftragten SPD und GRÜNE den Senat mit der Prüfung nicht nur der "ordnungsrechtlichen" Konsequenzen, sondern auch der kartellrechtlichen Risiken, die auf die Stadtgemeinde Bremen zukommen könnten.
Verhandlungen mit der hanseWasser ergaben, dass sie nicht bereit ist, eventuelle Risiken zu tragen und auch nicht das Risiko mit der Stadt zu teilen. Eine Überprüfung der Preise durch das Kartellamt könnte nämlich ergeben, dass sie zu hoch seien. Der mit niedrigeren Preisen verbundene Einnahmeverlust wäre für die hanseWasser nicht hinnehmbar. Unter anderem daran ist die Gründung einer Abwasser GmbH gescheitert.
Karin Mathes, umweltpolitische Sprecherin der Fraktion: "Die Vernunft hat gesiegt! Eine Idee hat sich als nicht tragfähig erwiesen. Insbesondere aufgrund der Risiken für den Bremer Haushalt wurde das Projekt der Gründung einer Abwasser GmbH heute vom Senat endgültig beerdigt." Und sie machte klar: "Grüne wehren sich vehement dagegen, 'Gewinne' zu privatisieren und 'Verluste' zu sozialisieren! Ich bin froh, die rot-grüne Koalition hat die richtige Entscheidung zum Wohle des Gemeinwesens getroffen."
Eine mögliche Entlastung von Unternehmen hat die Koalition allerdings mit der "gesplitteten Abwassergebühr" geschaffen, die ab Januar 2011 wirksam wird. Unternehmen mit wenig versiegelten Flächen profitieren davon, dass künftig die Abwassergebühr nicht mehr allein nach dem Frischwasserverbrauch berechnet wird, worin bereits die Entsorgung des Regenwassers enthalten ist. Wer also viel Wasser verbraucht, aber viel Flächen hat, in denen das Regenwasser versickern kann, wird entlastet. Andererseits soll dies auch ein Anreiz sein, bereits zubetonierte Flächen wieder zu entsiegeln.
Frühe Förderung der Herkunftssprache fördert auch das Lernen der deutschen Sprache
Die Sprachforschung zeigt, dass Mehrsprachigkeit die Lernfähigkeit der Schülerinnen und Schüler verbessert. Und zwar nicht nur die muttersprachliche Kompetenz, denn umgekehrt verbessert dies auch die Lernfähigkeit der Zweitsprache. Mit einer Großen Anfrage wollte die Fraktion von Bündnis 90/DIE GRÜNEN der Förderung von Mehrsprachigkeit im Bremer Bildungssystem nachgehen.
Zahra Mohammadzadeh, grüne Integrations- und Migrationspolitikerin, nahm die Antworten des Senats sehr positiv auf: "Der Senat hat deutlich gemacht, dass Bremen die Bedeutung der Mehrsprachigkeit neben dem Erwerb der deutschen Sprache für alle Schülerinnen und Schüler anerkennt. Er hat besonders betont, dass diese grundsätzliche Auffassung sich natürlich nicht nur auf die Weltsprachen Englisch, Französisch und Spanisch bezieht, sondern auch auf die Herkunftssprachen der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Für diese klare Positionierung möchte ich dem Senat ausdrücklich danken."
Sie zeigte sich beeindruckt vom Spektrum der bereits vorhandenen muttersprachlichen Angebote in Türkisch, Russisch, Polnisch, Persisch und Kurdisch in der Grundschule. Allerdings vermutete Mohammadzadeh, dass es noch keine Systematik in den unterschiedlichen Angeboten gibt und dass noch vieles von zufällig vorhandenen Lehrkräften abhinge. "Herkunftssprachliche Angebote für alle Schüler können in entscheidender Weise dazu beitragen, dass Mehrsprachigkeit in der Schule anerkannt und gelebt wird. Ich bin fest davon überzeugt, dass sich das positiv auf die so vielbeschworene Integrationsbereitschaft auswirken wird. Deshalb sollten wir den Senat ermutigen, auf diesem Wege weiterzugehen."
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