Große Anfrage „Neue Strategien und Maßnahmen gegen Antisemitismus“
Große Anfrage „Neue Strategien und Maßnahmen gegen Antisemitismus“
„Die Bekämpfung jeder Form von Antisemitismus [bleibt] ständige Herausforderung und Verpflichtung für Staat und Gesellschaft“, so die Mainzer Erklärung der Innenminister der Bundesländer vom Juni 2015. Im Jahr 2014 wurden bundesweit rund 1.600 antisemitische Straftaten verzeichnet. Der Bericht des unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus weist 2011 einen Anteil von 20 Prozent offenen und latenten Antisemitismus in Deutschland aus, der auch in der Mitte der Gesellschaft zu finden ist. Eine Studie der Europäischen Grundrechteagentur von 2013 zeigte, wie verbreitet die Leugnung des Holocaust und Diskriminierung und Hasskriminalität gegen Juden in Europa ist. Auch in Bremen wächst die Sorge vor einem erstarkenden Antisemitismus: eine Demonstration im Jahr 2014, bei der zahlreiche antisemitische Symbole ungehindert mitgeführt werden konnten, Veranstaltungen, auf denen Israel das Existenzrecht abgesprochen wurde, und jüngst der Fall eines evangelischen Pfarrers einer Bremer Gemeinde, der sich als Antisemiten bezeichnet hatte. Mit ihrer Großen Anfrage verlangen die Europapolitikerin Henrike Müller und die religionspolitische Sprecherin Kirsten Kappert-Gonther Auskunft vom Senat über die aktuelle Entwicklung des Antisemitismus in Bremen und über Strategien und Maßnahmen dagegen.
In der Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) am 9. November 2016 wurde die Große Anfrage diskutiert.
Die europapolitische Sprecherin Henrike Müller betonte in ihrer Rede, dass es seit vielen Jahren ein breites und engagiertes Bündnis im Kampf gegen Antisemitismus und andere menschenfeindliche Aktivitäten in Bremen gibt. Das zeige die Antwort des Senats einerseits. Andererseits sei deutlich geworden, dass Bremen neuen Formen des Antisemitismus bislang wenig entgegenzusetzen hat. So fehle es an Strategien gegen moderne Ausprägungen des Antisemitismus, der sich etwa in offenen Hasskommentaren und Gewalt äußere. Henrike Müller forderte eine intensive Auseinandersetzung insbesondere mit dem muslimisch geprägten Antisemitismus, dem Antisemitismus der westeuropäischen linken Bewegung und dem sich noch heute äußernden Antisemitismus sozialistischer und kommunistischer Regime. Den organisierten Boykott israelischer Waren kritisierte Henrike Müller scharf. Die Abgeordnete zitierte abschließend aus einer Rede des Rabbiners Lord Jonathan Sachs vor dem Europäischen Parlament: „Das heutige Europa ist nicht grundlegend antisemitisch. Aber es hat nicht erkannt, dass der neue Antisemitismus anders ist als der alte.“
Die Große Anfrage vom 15. Juni 2016, Drucksache 19/652, und die Antwort des Senats vom 13. September 2016, Drucksache 19/735